Altersgruppenbildung als Mittel zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes
Restrukturierungen gehen häufig mit einem Personalabbau einher. Wird diese mittels Kündigungen umgesetzt, ist im Rahmen einer Sozialauswahl festzulegen, wer unter den vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb als am wenigsten schutzwürdig betroffen ist. Die gesetzlichen Kriterien der Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, nämlich
- Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- Lebensalter,
- Unterhaltspflichten und
- Schwerbehinderung
führen für Arbeitgeber meist zu dem undankbaren Ergebnis, dass gerade jüngere Arbeitnehmer von den betriebsbedingten Kündigungen betroffen sind. Einen Ausweg kann die Altersgruppenbildung bieten. Unser Beitrag zeigt die hierfür bestehenden Rahmenbedingungen – und mögliche Fehlverständnisse.
Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur
Führen die Kündigungen unter Anwendung der gewöhnlichen Sozialauswahl nach § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG zu Nachteilen mit Blick auf die Personalstruktur des Arbeitgebers, so kann die Sozialauswahl anhand von Altersgruppen durchgeführt werden. Dies ist für Arbeitgeber zumeist attraktiv, da hierdurch einem Anstieg des Durchschnittsalters und einem „Ausbluten“ der jüngeren Belegschaft entgegen gewirkt werden kann.
Kein AGG-Verstoß
Das BAG hat mittlerweile mehrfach entschieden, dass die Altersgruppenbildung zwar dazu führen kann, dass Arbeitnehmer gekündigt werden, die bei einer allein an § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG orientierten Sozialauswahl nicht zur Entlassung angestanden hätten. Diskriminierungsverbote würden dadurch aber nicht verletzt (u.a. Urteil vom 15. Dezember 2011 − 2 AZR 42/10). In der Bildung von Altersgruppen sei vielmehr ein angemessenes und erforderliches Mittel zu sehen, um im Zusammenhang mit Entlassungen eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten.
Ein häufiges Missverständnis in diesem Zusammenhang: Mit der Altersgruppenbildung können nur bestehende Strukturen (proportional) erhalten werden; sie ist kein Mittel zur Bildung / Erreichung einer aktuell nicht bestehenden Struktur!
Vergleichsgruppenbildung
Auch wenn die Sozialauswahl durch die Altersgruppenbildung modifiziert wird, ist diese innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer durchzuführen. Daher hat zunächst eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu verschiedenen Vergleichsgruppen zu erfolgen. Die Vergleichsgruppenbildung erfolgt anhand der Kriterien der:
- funktionalen,
- hierarchischen und
- vertraglichen Vergleichbarkeit.
Altersgruppenbildung
Das Kündigungsschutzgesetz sieht grundsätzlich weder inhaltliche noch zeitliche Vorgaben für die Bildung von Altersgruppen vor. Den Arbeitgebern – bzw. gegebenenfalls den Betriebsparteien – kommt insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, d.h., sie können über das „Ob“ und „Wie“ der Altersgruppenbildung entscheiden.
Entscheidend ist aber, dass die Altersgruppenbildung anhand eines in sich plausiblen Systems erfolgt und geeignet ist, die Erhaltung der bestehenden Altersstruktur der Belegschaft zu erreichen.
Das BAG bestätigte bislang zumeist Altersgruppen, die in 10er- oder 5er-Schritten gebildet wurden, so etwa in der Entscheidung vom 12. März 2009 (Urteil vom 12. März 2009 – 2 AZR 418/07) in der sich die Altersgruppenbildung nach folgendem System richtete:
- bis zu 30 Jahren
- 31 – 40 Jahren
- 41 – 50 Jahren
- 51 – 60 Jahren und
- ab 61 Jahren.
Eine Bildung der Altersgruppen in unregelmäßigen Schritten mag zwar in Einzelfällen zulässig sein, allerdings ist kritisch zu hinterfragen, ob eine solche Bildung noch ein plausibles System darstellt oder eher als willkürlich bzw. missbräuchlich angesehen würde.
Nachweis des berechtigten betrieblichen Interesses
Nicht zu unterschätzen ist allerdings, dass das BAG von den Arbeitgebern verlangt, dass sie die konkreten Auswirkungen von Kündigungen auf die Altersstruktur und daraus resultierende Nachteile dieser für die Verwirklichung des Betriebszwecks darlegen. Welche Problematik sich in diesem Zusammenhang ergeben kann, thematisieren wir in der Fortsetzung zu diesem Beitrag.
Proportionalität
Die komplexeste Voraussetzung bei der Altersgruppenbildung ist im Erfordernis der Proportionalität zu sehen. Nach dem BAG hat die Beteiligung der einzelnen Altersgruppen am Personalabbau streng proportional zu erfolgen (Urteil vom 26. März 2015 – 2 AZR 478/13).
Dies bedeutet, dass die Anzahl der innerhalb der Altersgruppe vom jeweiligen Abbau betroffenen Arbeitnehmer nach dem Verhältnis der insgesamt in der Vergleichsgruppe abzubauenden Arbeitnehmer zur Gesamtzahl der Arbeitnehmer in der Vergleichsgruppe zu ermitteln ist. So wird die Erhaltung der bisherigen Struktur der Gesamtbelegschaft – in etwa – erreicht.
Hinzu tritt, dass soweit mehrere Gruppen vergleichbarer Arbeitnehmer von den Entlassungen betroffen sind, eine proportionale Berücksichtigung aller Altersgruppen auch innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen möglich sein muss (BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 352/11). Diese Voraussetzung kann dann nicht gewahrt werden, wenn auf eine der Altersgruppen keine Kündigung entfällt, entweder weil es mehr Altersgruppen als auszusprechende Kündigungen gibt oder weil die Vergleichsgruppen so ungleichmäßig verteilt sind.
Fazit
Aufgrund der hohen Anforderungen an die Altersgruppenbildung erscheint sie insbesondere für größere Arbeitgeber bei einer Vielzahl von Kündigungen eine Option darzustellen. Betrachtet man die Ziele der Altersgruppenbildung – langfristige Nachwuchsplanung, Weitergabe von Erfahrungswissen an Jüngere und Erlangung aktueller Fachkenntnisse jüngerer Arbeitnehmer – so ist es allen Arbeitgebern anzuraten, die Möglichkeit einer Altersgruppenbildung beim Personalabbau zumindest zu prüfen. Die Altersgruppenbildung stellt jedoch nicht in jedem Fall ein Allheilmittel dar – Probleme in diesem Zusammenhang stellen wir in der Fortsetzung zu diesem Beitrag in Kürze dar.