Die arbeitsrechtliche Regelung zur Flexi-Rente in § 41 Satz 3 SGB VI war bereits Anfang des Jahres 2018 Streitgegenstand beim EuGH (C-46/17). Nun hat sich auch das BAG mit diesem Thema befasst. In seiner Entscheidung vom 19.12.2018 (7 AZR 70/17) sichert das BAG die umstrittene Regelung zur Flexi-Rente endgültig ab: Neben der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht bestehen nach Ansicht des BAG auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Norm. Zudem eröffnet das BAG interessante Gestaltungsmöglichkeiten.
Worum ging es?
Der Kläger war bei dem beklagten Land als Lehrer angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand durch einzelvertragliche Bezugnahme § 44 Nr. 4 TV-L Anwendung. Demnach war das Arbeitsverhältnis auf das Ende des Schuljahres befristet, in dem der Kläger die Regelaltersgrenze erreicht. Dieser Zeitpunkt war am 31. Januar 2015 erreicht. Mit Änderungsvertrag vom 20. Januar 2015 vereinbarten die Parteien jedoch das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bis zum Ende des darauffolgenden Schuljahres (31. Juli 2015). Sechs Wochen nach diesem Änderungsvertrag erfolgte zusätzlich eine rückwirkende Vertragsänderung von Teilzeit auf Vollzeit.
Der Kläger begehrte mit dem Befristungskontrollantrag die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung endete, da die Befristung nicht auf § 41 Satz 3 SGB VI gestützt werden könne. Begründet hatte er dies mit einer angeblichen Unwirksamkeit der gesetzlichen Regelung. Zudem führte er an, dass es sich nicht nur um ein (zulässiges) Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts handele, sondern gleichzeitig auch die Vertragsbedingungen (unzulässig) geändert worden seien.
BAG bestätigt Rechtmäßigkeit des § 41 Satz 3 SGB VI
Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage bereits abgewiesen und die Befristung für wirksam befunden. Dies bestätigt nun auch das BAG, das die Voraussetzungen des § 41 Satz 3 SGB VI als erfüllt ansieht.
Dabei enthält die Entscheidung des BAG hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Unionsrecht keine Überraschung: Dem Urteil des EuGH– in unserem Blog (Blog-Beitrag vom 3. April 2018) bereits dargestellt – folgend, sei das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts ohne Änderung sonstiger Vertragsbedingungen durch § 41 Satz 3 SGB VI unionsrechtskonform.
Darüber hinaus hat das BAG die Flexi-Rente auch im Hinblick auf das Verfassungsrecht näher beleuchtet und keine verfassungsrechtlichen Bedenken festgestellt. Die Regelung ist sowohl mit der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, als auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Begründet wird dies im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG damit, dass dem Interesse beider Vertragsparteien an der einvernehmlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz Erreichen der Regelaltersgrenze Rechnung getragen werde. Die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG resultiere daraus, dass die nachteilige Behandlung der Gruppe der Arbeitnehmer nach Erreichen der Regelaltersgrenze gegenüber den übrigen Arbeitnehmern dadurch gerechtfertigt sei, dass die zuerst genannte Gruppe ein geringeres Bestandsschutzinteresse habe.
Weiter stellt das BAG klar, dass für eine wirksame Befristung neben den Voraussetzungen des § 41 Satz 3 SGB VI kein Sachgrund i. S. d. § 14 Abs. 1 TzBfG erforderlich ist. Einzig erforderlich und auch ausreichend ist, dass die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungstermins vor Eintritt der wirksam vereinbarten Regelaltersgrenze erfolgt.
BAG lässt Notwendigkeit der Vertragskontinuität offen
Die Frage, ob ein Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nur unter Beibehaltung der Vertragsbedingungen möglich ist oder ob auch Vertragsänderungen vorgenommen werden können, wurde ausdrücklich offengelassen. Eine parallele Fragestellung besteht insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 TzBfG. Bei dieser Befristungsnorm nimmt das BAG an, dass eine Vertragsänderung einer wirksamen Verlängerung der Befristung entgegensteht. Aufgrund dessen wäre es nicht ganz fernliegend, wenn eine Vertragsänderung auch im Rahmen des § 41 Satz 3 SGB VI der Wirksamkeit der Befristung entgegensteht. Das BAG umgeht die Antwort auf diese Frage. Die Vertragsänderung von Teilzeit auf Vollzeit sei weder gleichzeitig noch im zeitlichen Zusammenhang mit der Vereinbarungen über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts erfolgt, sondern erst sechs Wochen später. Die vereinbarte Rückwirkung der Vertragsänderung auf den Zeitpunkt der Vertragsverlängerung ändere daran nichts.
Praxishinweis
Das Urteil des BAG gibt endgültig Sicherheit im Umgang mit dem arbeitsrechtlichen Instrument der Flexi-Rente. Nach der Entscheidung des BAG sind sämtliche europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Flexi-Rente aus dem Weg geräumt.
Bei geplanten Verlängerungen mit Vertragsänderungen ist dennoch künftig noch Aufmerksamkeit geboten, da sich das BAG noch nicht eindeutig positioniert hat. Die vorliegende Entscheidung bietet jedoch einen ersten Anhaltspunkt: Die Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungstermins gemäß § 41 Satz 3 SGB VI ist wirksam, obwohl der Arbeitgeber bereits sechs Wochen danach eine – sogar rückwirkende – Vertragsänderung vorgenommen hatte. Folglich scheint das BAG keinen allzu strengen Maßstab anzulegen. Demnach sollten Vertragsänderungen, die in einem gewissen zeitlichen Abstand zur Verlängerungsabrede erfolgen, einer wirksamen Verlängerung nicht entgegenstehen. Dazu reicht ein Abwarten von lediglich sechs Wochen offenbar aus, um eine – sogar rückwirkende – Vertragsänderung vornehmen zu können. Da dieses Ergebnis ein wenig überrascht und ein innerer Zusammenhang zwischen Verlängerung und Vertragsänderung stets behauptet werden kann, ist bei einer Nachahmung diese Gestaltung indes Vorsicht geboten.