Nicht selten sehen sich Unternehmen in der Anfangsphase einer Umstrukturierung mit Unruhe in der Belegschaft konfrontiert – und diese bricht sich gerade in bislang nicht mitbestimmten Betrieben häufig in Form des Wunsches nach Repräsentation Bahn. Entsprechend kommt es noch in oder kurz nach Abschluss der Planungsphase des Öfteren zu Wahlinitiativen mit dem Ziel der Gründung eines Betriebsrates. Wie sind diese zu bewerten, und hindern diese die Umstrukturierungsplanung?
Der Grundsatz
Beteiligungsrechte eines Betriebsrates knüpfen grundsätzlich an dessen Existenz an. Ein neu konstituierter Betriebsrat kann daher nicht rückwirkend auf bereits gefasste Entscheidungen einwirken. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Beteiligungsrechte gem. §§ 111 ff. BetrVG, sondern auch für die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG – ständige Rechtsprechung, aber dennoch von Betriebsräten immer wieder kritisch hinterfragt.
Die Entscheidung
Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigte diesen Grundsatz zuletzt hinsichtlich der Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG (LAG Berlin-Brandenburg vom 5.7.2018 – 26 TaBV 1146/17): Es befasste sich mit einer von Unternehmensseite beschlossenen Prämienzahlung, hinsichtlich derer der im November 2015 neu gegründete Betriebsrat u.a. ein Mitbestimmungsrecht geltend machte.
Der Betriebsrat vertrat dabei die Auffassung, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht zukomme, weil die Prämienzahlung für 2015 erst Mitte des Jahres 2016 ausgeschüttet wurde. Das Unternehmen stellte sich hingegen auf den Standpunkt, dass bereits am 19. November 2012 das Prämiensystem im Grundsatz und zuletzt am 9. September 2015 mittels Beschluss der Geschäftsführung das der Prämienzahlung zugrunde gelegte Punktesystem beschlossen wurde.
Das LAG wies die Beschwerde des Betriebsrates als unbegründet zurück. Es stellte entscheidend darauf ab, ob im Zeitpunkt des Entstehens der Beteiligungsrechte ein Betriebsrat existierte.
Beteiligungsrechte und damit die Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat einzubeziehen, entstünden in dem Moment, in dem sich der Tatbestand verwirklicht, an welchen das Beteiligungsrecht anknüpft. Hinsichtlich bereits geplanter Maßnahmen bestehe keine Pflicht zu einer nachträglichen Beteiligung. Als die Geschäftsführung am 9. September 2015 das Punktesystem für die Ausschüttung der Prämienzahlung beschloss, bestand kein Betriebsrat. Mithin sei eine Beteiligung nicht möglich gewesen.
Eine Beteiligung müsse auch nicht nachträglich erfolgen.
Relevanz für die Umbruchsphase
Auch in der Umbruchphase eines Unternehmens führt die Neukonstituierung eines Betriebsrates nicht zu seiner nachträglichen Beteiligung. Ist etwa die Planung über die Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG bereits abgeschlossen – wovon auszugehen ist, wenn der Entschluss zur Betriebsänderung durch den Arbeitgeber bereits gefasst wurde (zumeist liegt ein die unternehmerische Entscheidung beinhaltender Beschluss vor) – fehlt dem Betriebsrat grundsätzlich die Möglichkeit zur (nachträglichen) Einflussnahme, auch wenn er vor deren Umsetzung (erstmalig) gewählt und konstituiert wird.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist es sogar unschädlich, wenn dem Arbeitgeber im Zeitpunkt seines Entschlusses bekannt war, dass ein Betriebsrat gewählt werden soll (BAG vom 28.10.1992 – 10 ABR 75/91). Allerdings bleibt zu beachten, dass spätere, der Umsetzung des Entschlusses dienende Maßnahmen sowie weitere oder überholende Entschlüsse Beteiligungsrechte des Betriebsrats begründen können.
Praxistipp
Für Unternehmen in der Umbruchphase ohne Betriebsrat empfiehlt sich daher insbesondere eine formal ordnungsgemäße Dokumentation der zugrundeliegenden unternehmerischen Entscheidungen. Auf diese Weise dokumentieren Unternehmen den notwenigen zeitlichen Nachweis, dass der Entschluss zu einer Betriebsänderung bereits vor der etwaigen späteren Konstituierung eines Betriebsrates getroffen wurde. Dem Betriebsrat kommt hingegen keine Handhabe zu, bereits abgeschlossene Entscheidungsprozesse neu aufzurollen, insbesondere müssen weder Interessenausgleich noch Sozialplan nachträglich verhandelt werden.