Zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats sieht das Gesetz vor, dass im Falle der Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds – etwa aufgrund von Urlaub oder Krankheit – ein Ersatzmitglied des Betriebsrats für das ordentliche Mitglied nachrückt. Durch die kündigungsrechtliche Brille betrachtet bringt eine solche – alltägliche – Situation jedoch gravierende Folgen mit sich, muss man hier sofort an die Worte „besonderer und nachwirkender Kündigungsschutz“ denken. Nicht unbeachtet bleiben darf allerdings auch die Wahl des statthaften Anhörungsverfahrens des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung. Die Rechtsfolgen von Fehlern in diesem Zusammenhang können verheerend sein, begründet eine fehlerhafte/fehlende Beteiligung doch grundsätzlich die Unwirksamkeit der Kündigung. Was für Fallstricke in der Praxis auftreten können und welches die wesentlichen zu beachtenden Aspekte sind, haben wir in diesem Artikel kurz für Sie zusammengefasst.
Der Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern
Grundsätzlich sind Ersatzmitglieder des Betriebsrats kündigungsrechtlich so zu behandeln wie „gewöhnliche“ Arbeitnehmer. Ihre Arbeitsverhältnisse sind – unter den jeweiligen Voraussetzungen – ordentlich sowie außerordentlich kündbar und der Betriebsrat ist zuvor nach § 102 BetrVG zu beteiligen. Tritt aber der Vertretungsfall im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG ein, rückt bereits mit Beginn des Verhinderungsfalls (etwa des Urlaubs) und unabhängig von der tatsächlichen Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben das – erste – Ersatzmitglied für das verhinderte, ordentliche Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nach. Während der Dauer der Vertretung genießt das Ersatzmitglied den besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG. Demnach ist das Ersatzmitglied nur noch außerordentlich und mit Zustimmung des Betriebsrats im Verfahren nach § 103 BetrVG kündbar. Sofern das Ersatzmitglied während der Dauer der Vertretung tatsächlich Betriebsratsaufgaben wahrgenommen hat, greift darüber hinaus nach Beendigung des Vertretungsfalls grundsätzlich der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG für die Dauer von einem Jahr. Dieser lässt ebenfalls allein eine außerordentliche Kündigung zu, die Beteiligung des Betriebsrats ist allerdings auf die Anhörung nach § 102 BetrVG beschränkt.
Problem: Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an
Arbeitgeber stehen in der Praxis vor der Schwierigkeit, dass – abgesehen von Fällen im Vorfeld bekannter, längerer Abwesenheiten ordentlicher Betriebsratsmitglieder – vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens gegenüber dem Betriebsrat vor dem beabsichtigten Ausspruch einer Kündigung gegenüber einem Ersatzmitglied nicht absehbar ist, inwieweit ein Vertretungsfall eintritt. So kann es passieren, dass der Betriebsrat zu einer Kündigung nach § 102 BetrVG angehört wird, das Ersatzmitglied aber noch vor Ausspruch der Kündigung nachrückt, dieser Vertretungsfalls nach Abschluss des Verfahrens nach § 102 BetrVG noch andauert und eigentlich ein Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG hätte erfolgen müssen. Eine Kündigung wäre hier offensichtlich unwirksam. Auch wenn die Kündigung erst nach dem Vertretungsfall erfolgen soll und die Anhörung nach § 102 BetrVG daher statthaft war, ist aufgrund des nachwirkenden Kündigungsschutzes der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung innerhalb des Jahres nicht mehr möglich.
Praxishinweis: Die Qual der Wahl?
Ausschlaggebend sind also sowohl das etwaige Vorliegen eines Vertretungsfalls sowie der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Ersatzmitglied. Beides hat maßgeblichen Einfluss sowohl auf die Kündigungsmöglichkeit an sich (nur außerordentlich oder auch ordentlich) als auch das statthafte Beteiligungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber ist deswegen gehalten, bereits vor Einleitung des Beteiligungsverfahrens diese Eventualitäten abzuwägen. Neben etwaigen bereits bekannten Abwesenheiten von ordentlichen Betriebsratsmitgliedern sind vor allem die Listenplätze von Ersatzmitgliedern mit besonderer Sorgfalt zu beachten. Auch wenn der konkrete Kündigungsgrund selbstverständlich im Einzelfall Auswirkungen auf die (mögliche) Strategie hat, so wird es sich jedoch jedenfalls bei verhaltensbedingten Gründen in der Regel empfehlen, bezüglich der Verfahren nach §§ 102 und 103 BetrVG zunächst zweigleisig zu fahren. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung.