Höchstbegrenzungsklauseln in Sozialplänen haben die Rechtsprechung wiederholt beschäftigt. Ob insbesondere „starre“ Höchstbegrenzungen nach dem AGG wirksam sind, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei der Vereinbarung solcher Klauseln durch die Betriebsparteien oder in der Einigungsstelle stellt sich daher immer die Frage: Werden ältere Arbeitnehmer benachteiligt? Burkard Göpfert und Jan-Philipp Brune geben einen Überblick.
Rahmenbedingungen
Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion; sie sollen die wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern infolge einer Betriebsänderung entstehen ausgleichen bzw. mildern. § 112 BetrVG sieht aber weder für das Gesamtvolumen des Sozialplans noch für Leistungen an einzelne Mitarbeiter Höchstbeträge vor. Bei der Ausgestaltung solcher Leistungen stehen den Betriebsparteien grundsätzlich Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen.
Häufig vereinbaren die Betriebspartner oder die Einigungsstelle daher „Höchstbegrenzungsklauseln“, wonach anhand von Alter, Betriebszugehörigkeit und Monatseinkommen zu berechnende Abfindungen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes auf eine feststehende Maximalsumme begrenzt werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es zum einen, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit einen Vorteil erhalten, der keine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder dem Bezug von Altersrente ist. Zum anderen geht es schlicht darum, dass zur Verfügung stehende (begrenzte) Sozialplanvolumen angemessen auf alle Betroffenen zu verteilen (Verteilungsgerechtigkeit).
Sozialpläne unterliegen – wie andere Betriebsvereinbarung – der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle und sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbart sind. Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben auch Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus ihres Alters unterbleibt. Die Regelung enthält neben einem Überwachungsgebot im Zusammenspiel mit § 7 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 1 AGG auch das Verbot von u.a. wegen des Alters benachteiligenden Bestimmungen in Vereinbarungen.
Benachteiligung wegen des Alters (§ 3 AGG)?
Eine einheitliche „Deckelung“ durch Höchstbeträge für Abfindungen knüpft nicht direkt an das „Alter“ an und stellt daher keine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG dar. Durch eine Regelung, die nicht nach dem Alter differenziert, werden Arbeitnehmer wegen ihres Alters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt.
In Betracht kommt nur eine mittelbare Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 2 AGG; denn bei Abfindungen, deren maßgeblicher Berechnungsfaktor die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist, können die Betriebsparteien davon ausgehen, dass von einer Höchstbetragsgrenze vor allem langjährige und damit ältere Beschäftigte betroffen sein werden. Teilweise wird angenommen, je länger ein Arbeitnehmer dem Betrieb angehöre, desto geringer werde seine Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Abfindung berücksichtigt. Die daraus folgende unterschiedliche Gewichtung der eigentlich an einer Gleichwertigkeit der Kriterien unterschiedlicher Arbeitnehmer ansetzenden Verteilungssystematik sei eine (faktische) mittelbare Benachteiligung wegen des Alters (Jacobs/Malorny, NZA 2018, 557,559; Tremming, RdA 2008, 205, 213).
Dagegen wird in der Rechtsprechung eingewandt, dass die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung gerade unabhängig von Alter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst gleichbehandelt werden (BAG vom 21. Juli 2009 – 1 AZR 556/08; LAG Nürnberg vom 12. November 2014 – 2 Sa 317/14; LAG Köln vom 7. November 2007 – 3 Sa 203/07; Krieger/Arnold, NZA 2008, 1153). Denn ältere Arbeitnehmer würden durch eine entsprechende Höchstbegrenzungsklausel nicht anders, sondern genauso behandelt wie jüngere. Gegen eine Benachteiligung spricht bereits, dass ältere Arbeitnehmer die nach dem Sozialplan höchstmögliche Abfindung erhalten und bezogen auf den Abfindungsanspruch kein anderer Arbeitnehmer bessergestellt wird. Im Übrigen kann „Alter“ auch nicht in jedem Fall mit einer langjährigen Betriebszugehörigkeit gleichgesetzt werden, zumal alle Berechnungsfaktoren (Alter, Betriebszugehörigkeit, Gehalt) gleichermaßen betroffen sind. Regelmäßig wird daher bereits das Vorliegen einer Ungleichbehandlung verneint.
Rechtfertigung nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG bzw. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG
Selbst wenn man etwa mit Jacobs/Malorny von einer möglichen mittelbaren Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG) ausgehen wollte, werden auch „starre“ Höchstbegrenzungsklausel regelmäßig nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG bzw. § 10 S. 1 u. 2 i.V.m. S. 3 Nr. 6 AGG sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Betriebsparteien nachweislich geprüft haben und nach der konkret gefundenen Lösung davon ausgehen können, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung angemessen ausgeglichen und noch substantiell abgemildert werden.
Rechtmäßiges Ziel
Ziel von Höchstbegrenzungsklauseln ist letztlich, das vorhandene Sozialplanvolumen so zu verteilen, dass er seine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion gegenüber allen betroffenen Arbeitnehmergruppen erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BAG vom 23. März 2010 – 1 AZR 832/08) haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Abfindungen stellen kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsverlustes ausgleichen oder abmildern. Dieses Ziel – verteilungsgerechter Ausgleich und Überbrückung von Nachteilen für alle betroffenen Arbeitnehmer – ist rechtmäßig.
Geeignetheit
Die Höchstbegrenzungsklausel muss zudem geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Dagegen wird teilweise eingewandt, „starre“ Höchstbegrenzungsklauseln würden (nicht-)vorhandene Ersatzeinkommen – etwa durch Rente oder aufgrund neuen Arbeitsverhältnisses – unberücksichtigt lassen und seien schon daher nicht geeignet, das Sozialplanvolumen „gerecht“ zu verteilen und Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.
Problematisch an dieser Sichtweise ist aber Folgendes: Jedenfalls im Bereich erzwingbarer Sozialpläne (§ 112 Abs. 4 BetrVG) stellt die „Überbrückungstheorie“ – im Gegensatz zur „Entschädigungstheorie“ – auch europarechtlich das für Aspekte altersbezogener Diskriminierung maßgebliche Erklärungsmodell dar (vgl. EuGH vom 6. Dezember 2012 – C-152/11, „Odar“). Es geht nicht um eine „Vollkompensation“ von Betriebszugehörigkeiten oder gar eine „Vollamortisation“, sondern um den zeitlich begrenzten und endlichen „Ausgleich“ bzw. die (substanzielle) „Milderung“ künftiger Nachteile. Dabei haben die Betriebsparteien bzw. die Einigungsstelle nicht nur einen erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum (BAG vom 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08), sondern auch einen Ermessensspielraum.
Können die Betriebsparteien nach sorgfältiger Prüfung davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung nach der konkret gefundenen Lösung für alle betroffenen Arbeitnehmergruppen trotz Maximalabfindungsbetrag noch substanziell abgemildert werden, ist der Sozialplanzweck auch i.S.e. Verteilungsgerechtigkeit erfüllt.
Erforderlichkeit und Angemessenheit
Es darf im Verhältnis zur Höchstbegrenzungsklausel auch weder ein milderes und ebenfalls gleich wirksames Mittel existieren, noch darf die Klausel zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Personen führen, die wegen ihres „Alters“ benachteiligt werden. Hierfür werden etwa eine die Abfindung auf das hypothetische Resteinkommen bei regulärem Verlauf des Arbeitsverhältnisses begrenzende „flexible“ Höchstbegrenzungsklausel sowie reale Ersatzeinkommen berücksichtigende „Ausgleichs-“ bzw. „Rentenklauseln“ angeführt.
Dagegen spricht – die Praktikabilität solcher Regelungen und ihre starke Orientierung an der „Entschädigungstheorie“ einmal unberücksichtigt lassend – bereits, dass diese Lösungsansätze mehr Anrechnungsgrundsätze aufstellen, als eine Antwort auf das Problem der gerechten Verteilung eines begrenzten Sozialplanvolumens zu bieten. Daher stellt sich bereits die Frage, ob überhaupt eine „Vergleichbarkeit“ i.S.e. gleich wirksamen Mittels besteht. Denn das Arbeitnehmer nach einem Sozialplan nicht bessergestellt sein können als bei Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, sollte in jedem Fall eine feste Grenze sein, würde als maßgebliches Rechtmäßigkeitskriterium aber weder den tatsächlich gegebenen Nachteilen noch dem Aspekt ihrer „Milderung“ (§ 112 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BetrVG) gerecht werden.
Die den Arbeitnehmern durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes drohenden Nachteile werden maßgeblich dadurch bestimmt, welche Aussichten sie haben, alsbald einen neuen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden. Dass vornehmlich ältere Arbeitnehmer schlechtere Vermittlungschancen haben als jüngere, erkennt die Rechtsprechung an. Ob aber ein Hochschulabsolvent mit 27 Jahren und 2 Jahren Berufserfahrung größere Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt hat als ein langjährig erfahrener in einem Lehrberuf tätiger Mitarbeiter Ende 30 ist je nach regionaler Arbeitsmarktlage ebenso ungewiss wie auch, ob in Zeiten des Fachkräftemangels Mitarbeiter jenseits der 50 automatisch lange Vermittlungszeiten in Kauf nehmen müssen. Denkbar wäre zudem, dass auch jüngere Arbeitnehmer aufgrund schlechter Arbeitsmarktlage nicht unmittelbar eine Anschlussbeschäftigung finden.
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass in den Zeiten einer „Fort- und Weiterbildungsgesellschaft“ gerade Bildung und „Qualifikation“ künftig zu den zentralen Ressourcen eines Beschäftigten und damit umgekehrt nicht vorhandene Qualifikation einen am Arbeitsmarkt 4.0 entscheidenden „wirtschaftlichen“ Nachteil darstellen werden; dem kann allein durch Kapitalisierung langjähriger Betriebszugehörigkeiten nicht abgeholfen werden.
Die Pauschale Ablehnung fixer Höchstbetragsklauseln wegen mangelnder Verteilungsgerechtigkeit ist daher abzulehnen. Entsprechende Klauseln können bereits nach § 3 Abs. 2 Hs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt und damit rechtmäßig sein.
Zudem sind unterschiedliche Behandlungen in Sozialplänen wegen des Alters auch nach § 10 S. 1 u. 2 i.V.m. S. 3 Nr. 6 AGG zulässig, soweit ein „legitimes“ Ziel verfolgt wird. Maßgeblicher Gesichtspunkt sind auch hier die „wesentlich vom Alter abhängigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt“.
Dieses Pendel schlägt aber gleichermaßen in beide Richtungen aus. Sowohl die stärkere wirtschaftliche Absicherung älterer Arbeitnehmer durch höhere Abfindungen wegen typischerweise größerer Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt – und die damit verbundene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer – wie auch die Differenzierung zwischen „rentenfernen“ und „rentennahen“ Jahrgängen durch eine Reduzierung bis hin zum Ausschluss von Abfindungsansprüchen – um im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit das weitere Anwachsen von Abfindungen trotz abnehmender Schutzbedürftigkeit zu korrigieren – sind in der Rechtsprechung als rechtmäßiges, im Allgemeininteresse stehendes sozialpolitisches Ziel anerkannt; gerade, wenn der Sozialplan statt einem Ausschluss durchaus substanzielle Abfindungen vorsieht (BAG vom 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08).
Insgesamt geht es schlicht darum, eine für alle betroffenen Arbeitnehmergruppen gerechte Verteilung der vorhandenen Sozialplanmittel zu erzielen, ohne dabei pauschal einzelne Vergleichsgruppen allein wegen ihres Alters als benachteiligt anzusehen. Hierbei haben die Betriebsparteien zu Recht einen eigenen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Höchstbegrenzungsklauseln können daher ebenso nach § 10 S. 1 u. 2 i.V.m. S. 3 Nr. 6 AGG zulässig sein.
Fazit
Die Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit i.S.d. Sozialplanzwecks ist stets eine Frage der Ermittlung und Gewichtung der Umstände des Einzelfalls – nicht einer abstrakten Rechtmäßigkeitskontrolle und schon gar nicht der pauschalen Ablehnung „starrer“ Höchstbegrenzungsklauseln. Die Rechtsprechung räumt den Betriebsparteien gerade deshalb einen erheblichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum ein, den es sachgerecht zu nutzen gilt und hat „starre“ Höchstbegrenzungsklauseln auch unter dem AGG – zu Recht – wiederholt gehalten (vgl. etwa BAG vom 26. Mai 2009 – 1 AZR 198/08 – zu einer Höchstbegrenzung von EUR 120.000). Beide Betriebsparteien werden aber gut beraten sein, entsprechende Klauseln stets auf Basis einer vorherigen und fundierten Ermittlung der Vermittlungschancen der besonders betroffenen Arbeitnehmergruppen zu vereinbaren und im Kontext der konkret gefundenen Gesamtlösung auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen zu lassen.