Grenzüberschreitende Konzernstrukturen sind aus dem heutigen Wirtschaftsleben nicht mehr weg zu denken. So ist eine Vielzahl von in Deutschland ansässigen Unternehmen – sei es durch Zukauf oder Neugründung – Teil einer Konzernstruktur, deren Konzernspitze ihren Sitz im Ausland hat. Gibt es in diesem Fall in Deutschland auch keine Teilkonzernspitze, die unternehmensübergreifende Leitungsmacht ausübt, so war es auch nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG nicht möglich, einen Konzernbetriebsrat nach dem BetrVG zu bilden. Nun musste sich das BAG in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2018 (7 ABR 60/16) erneut zu dieser Thematik äußern und hat seine bisherige Rechtsprechung dabei bestätigt.
Der zugrunde liegende Sachverhalt
Der Entscheidung lag eine Sachverhaltskonstruktion zugrunde, in welcher vier in Deutschland ansässige operative „Schwestergesellschaften” durch eine – mitarbeiterlose – Finanzholding ohne eigene Geschäftstätigkeit gehalten wurden, die ihren Sitz ebenfalls in Deutschland hat. Die Finanzholding übte jedoch keinerlei Leitungsmacht in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten auf die operativen Gesellschaften aus und (teilweise) bestehende Beherrschungsverträge waren beendet. Leitungsmacht wurde vielmehr ausschließlich durch die in der Schweiz ansässige Konzernmuttergesellschaft ausgeübt.
Dennoch beschlossen die örtlichen Betriebsräte der operativen Gesellschaften die Errichtung eines „Konzernbetriebsrats” bei der inländischen Finanzholding. Hiergegen gingen die Gesellschaften gerichtlich vor mit dem Ziel der Feststellung, dass der „Konzernbetriebsrat” für die fünf Gesellschaften mit Sitz in Deutschland nicht besteht. Sowohl das ArbG Weiden als auch das LAG Nürnberg waren dem gefolgt. Gegen die Entscheidung des LAG hatten die betroffenen Betriebsräte nun die – überraschenderweise zugelassene – Rechtsbeschwerde beim BAG eingelegt.
BAG bestätigt seine Rechtsprechung
Das BAG hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Bildung eines Konzernbetriebsrats nach § 54 BetrVG, der auf den Konzernbegriff des § 18 Abs. 1 AktG verweist, die einheitliche Leitung der Unternehmen durch eine herrschende Obergesellschaft erfordere. Dies sei in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht der Fall:
Mangels bestehender Beherrschungsverträge käme die unwiderlegliche Vermutung einer gemeinsamen Leitung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht zur Anwendung. Die widerlegliche Vermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG sei mangels Ausübung unternehmerischer Leitungsmacht in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten durch die Finanzholding widerlegt.
Mangels Ausübung derartiger Leitungsmacht auf einen Teil des Konzerns handele es sich auch um keinen „Konzern im Konzern“, womit in Deutschland ein Konzernbetriebsrat nicht wirksam gebildet werden kann. Dies sei auch insoweit konsequent, dass betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte nur dort einen Sinn ergäben, wo eben die relevanten Entscheidungen in den betroffenen Angelegenheiten getroffen werden.
Aufgrund des Territorialitätsprinzips komme die Bildung eines Konzernbetriebsrats nach dem BetrVG bei der ausländischen Konzernmutter ebenfalls nicht in Betracht.
Praxisfolgen der Entscheidung
Wie die bisherige Rechtsprechung überzeugt auch die neuerliche Entscheidung des BAG. Danach bleibt es dabei, dass im Falle einer im Ausland ansässigen Konzernmutter nur dann für die Konzernunternehmen mit Sitz in Deutschland ein Konzernbetriebsrat gebildet werden kann, wenn bei einer deutschen Gesellschaft eine Leitungsmacht im Sinne der Rechtsprechung des BAG zum „Konzern im Konzern” ausgeübt wird.
Dies bedeutet, dass insoweit bei der deutschen Teilkonzernspitze ein „wesentlicher Entscheidungsspielraum“ in mitbestimmungspflichtigen (personellen, sozialen und wirtschaftlichen) Angelegenheiten in Bezug auf die nachgeordneten Unternehmen bestehen muss. Erfolgt die Ausübung unternehmensübergreifender Leitungsmacht jedoch ausschließlich bei der ausländischen Konzernobergesellschaft, kann weder bei dieser noch im Inland ein Konzernbetriebsrat im Sinne des § 54 BetrVG errichtet werden.
Im Falle von bestehenden Beherrschungsverträgen wird allerdings das Vorliegen eines Konzerns im Sinne des § 18 Abs. 1 BetrVG vermutet, sodass es auf die tatsächliche Ausübung von Leitungsmacht nicht ankommt und in der Folge die Gründung eines Konzernbetriebsrats möglich wäre.
Auch wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen bei der Frage nach der optimalen Konzernstruktur in der Regel nicht im Vordergrund stehen werden, so sollten diese jedoch bei etwaigen Umgestaltungsplänen immer in die Überlegungen einbezogen werden.
Fallen konzernübergreifende Themen nach § 58 BetrVG in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats, kann sich die Existenz nur eines Ansprechpartners oftmals auch als Segen mit Blick auf eine konzerneinheitliche Regelung herausstellen.
Konsequente Weiterführung der Rechtsprechung wünschenswert
Losgelöst von der Frage nach der Bildung eines Konzernbetriebsrats lohnt es sich durchaus, den Gedanken des BAG aufzugreifen: Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte ergeben nur dort einen Sinn , wo auch die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden. Würde man diesen Gedanken auch konsequent auf das einzelne mitbestimmungsrelevante Thema übertragen, ergäben sich ganz neue Lösungsansätze. So stehen deutsche Unternehmen mit ausländischer Konzernmutter nicht selten vor der Herausforderung, (konzerneinheitlich beabsichtigte) Vorgaben der Konzernmutter mit ihrem (Gesamt-)Betriebsrat zu verhandeln. Dass das BAG hier allerdings in eine ähnliche Richtung denken und entscheiden würde, erscheint jedoch derzeit – wohl auch aus Angst vor Rechtsmissbrauch – nicht absehbar.