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Compliance

Betrieblicher Gesundheitsschutz (Teil 3): Arbeitszeitgesetz – Bußgeld im Stundentakt?

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Gesundheitsschutz

Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Manager in vergleichbarer Position haften in der Regel persönlich für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Kommen bei einem Kontrollbesuch der Aufsichtsbehörde Verstöße ans Licht, kann das teuer und mitunter existenzgefährdend werden. Wohl dem, der in einer solchen Situation sauber dokumentierte Maßnahmen zur Arbeitszeit-Compliance vorweisen kann, um der Haftungsfalle zu entgehen.

Saftige Bußgelder

Arbeitszeitgesetz-Verstöße stellen regelmäßig Ordnungswidrigkeiten mit einen Bußgeldrahmen von bis zu 15.000 € pro Verstoß dar. Der Bußgeldbescheid kann sich gegen das Unternehmen oder gegen den Manager persönlich richten. Die konkrete Höhe liegt im Ermessen der nach Landesgesetz zuständigen Aufsichtsbehörde (Bezirksregierung, Gewerbeaufsicht etc.). Eine Orientierung bietet der vom Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik herausgegebene Bußgeldkatalog.

Die Top 5 der wohl „beliebtesten“ Verstöße:

Verstoß Bußgeld
Überschreitung der Grenzen der täglichen Arbeitszeit („10-Stunden-Grenze“) je angefangene Stunde je Mitarbeiter

75 €

Überschreitung der Grenzen der durchschnittlichen Arbeitszeit („8-Stunden-Grenze“) von 8 Stunden 12 Minuten und je angefangene weitere 6 Minuten je Mitarbeiter

300 €

Nichtgewährung vorgeschriebener Pausen je nicht gewährter vorgeschriebener Pause je Mitarbeiter

300 €

Unterschreitung der Mindestruhezeit („11 Stunden“) je angefangene Stunde je Mitarbeiter

75 €

Verstoß gegen Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit je Fall je Mitarbeiter

1.600 €

Was betragsmäßig im Einzelnen zunächst überschaubar wirkt, kann sich bereits in kleineren Unternehmen schnell zu fünf- oder sechsstelligen Bußgeldern aufsummieren. Denn die Verjährung beträgt zwei Jahre, so dass die Aufsichtsbehörde die Arbeitszeitnachweise der letzten 24 Monate für alle Mitarbeiter überprüfen und sämtliche festgestellten Verstöße entsprechend ahnden kann.

Damit nicht genug: Beharrliche Wiederholung und vorsätzliche Verstöße mit Gesundheitsgefährdung eines Mitarbeiters sind strafbar und können mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.

Ausweg Vertrauensarbeitszeit?

Wer meint, sich dieser Haftungsrisiken mit der Einführung von Vertrauensarbeitszeit entledigen zu können, unterliegt einem Trugschluss. Bei Vertrauensarbeitszeit können die Mitarbeiter je nach Arbeitsanfall eigenverantwortlich Lage und Dauer der Arbeitszeit festlegen. Was jedoch häufig übersehen wird: Das Arbeitszeitgesetz gilt auch bei Vertrauensarbeitszeit uneingeschränkt; der Arbeitgeber bleibt für dessen Einhaltung verantwortlich. Weil viele Unternehmen insoweit aber insbesondere die Aufzeichnungspflicht vernachlässigen und bei fehlender Teilnahme an der Zeiterfassung oftmals keine zuverlässigen Arbeitszeitnachweise vorliegen, schauen Aufsichtsbehörden bei Vertrauensarbeitszeit sogar noch strenger hin als sonst.

Maßnahmen zur Arbeitszeit-Compliance

Unternehmenslenker tragen die Verantwortung dafür, Organisationsstrukturen zu schaffen, welche die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes gewährleisten. Sie sind daher gut beraten, umfassend zu dokumentieren, welche Maßnahmen im Einzelnen ergriffen werden und wie deren Durchführung überwacht wird. Wer insoweit mit leeren Händen dasteht, kann von der Aufsichtsbehörde kein Nachsehen erwarten.

Dazu gehört insbesondere Folgendes:

  • Ausarbeitung und Implementierung eines Delegationskonzepts, mit dem gezielt Führungskräfte (z.B. Bereichs- oder Abteilungsleiter) in die Verantwortung genommen werden
  • Sicherstellung arbeitszeitgesetzkonformer Dokumentation von Arbeitszeiten (bei Vertrauensarbeitszeit: durch Delegation auf Mitarbeiter)
  • Implementierung von Kontrollmechanismen: zumindest stichprobenartige Kontrollen und regelmäßige Reportings
  • Standardisierte Prozesse und Eskalationsstufen bei festgestellten/drohenden Verstößen
  • Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes bei der Personaleinsatzplanung
  • Bei Bedarf Anpassung betrieblicher Arbeitszeitregelungen
  • Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen auch im Hinblick auf arbeitszeitspezifische Gefährdungen
  • Regelmäßige Unterweisung und Schulung von Mitarbeitern zum Arbeitszeitgesetz

Wer hier seine Hausaufgaben macht und sauber dokumentiert, kann dem Kontrollbesuch der Aufsichtsbehörde gelassen entgegensehen. Darauf zu setzen, nicht kontrolliert zu werden, kommt hingegen einem Vabanquespiel gleich. Denn um ins Visier der Behörde zu geraten, reicht bereits das anonyme „Anschwärzen“ eines vermeintlichen Whistleblowers.

Lesen Sie auch die weiteren Beiträge aus unserer Reihe zum betrieblichen Gesundheitsschutz:

Teil 1: „Mindestbesetzungen“ (nicht nur) in der Pflegebranche?

Teil 2: Überlastungsanzeigen – Freibrief für Arbeitsreduzierung?

Jörn-Philipp Klimburg LL.M.

Rechts­an­walt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Principal Counsel
Jörn-Philipp Klimburg berät deutsche und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden die Gestaltung und Begleitung von Restrukturierungen, Outsourcing-Projekten und M&A-Transaktionen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen. Besondere Expertise hat er zudem im Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht sowie im Bereich der Anstellungsverhältnisse von Vorständen und Geschäftsführern. Jörn-Philipp Klimburg ist bei KLIEMT.Arbeitsrecht verantwortlich in der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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