Der Betriebsrat muss vor jeder Kündigung angehört werden. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Die Frist zur Stellungnahme des Betriebsrats bei einer ordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung beträgt eine Woche. Fraglich ist, ob bei Massenentlassungen dem Betriebsrat eine längere Frist gewährt werden muss.
Keine automatische Verlängerung bei Massenentlassungen
Die Anhörungsfrist des Betriebsrats beträgt bei einer ordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung nach dem BetrVG eine Woche (§ 102 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die ohne Rücksicht auf die Zahl der beabsichtigten Kündigungen gilt. Damit verlängert sich die Anhörungsfrist – mangels einer gesetzlichen Sonderregelung – auch bei Massenentlassungen nicht automatisch um einen bestimmten, für angemessen anzusehenden Zeitraum. So auch das BAG in einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1986 (BAG vom 14. August 1986 – 2 AZR 561/85), wo es um über 1.300 beabsichtigte Kündigungen ging.
Verlängerung der Anhörungsfrist durch Vereinbarung
Arbeitgeber und Betriebsrat können die Anhörungsfrist durch Vereinbarung verlängern (oder auch abkürzen). Der Betriebsrat hat aber keinen Anspruch auf Abschluss einer derartigen Vereinbarung, auch nicht bei Vorliegen von Massenentlassungen.
Missbrauchseinwand bei Verweigerung eines Fristverlängerungsbegehrens
Die Verweigerung eines Fristverlängerungsbegehrens des Betriebsrats durch den Arbeitgeber kann nach dem BAG im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wobei der Missbrauchseinwand des Betriebsrats selbst bei Massenkündigungen nicht allein mit der Anzahl der beabsichtigten Kündigungen und der entsprechenden Vielzahl von Anhörungsverfahren begründet werden kann. Vielmehr verlangt das BAG, dass der Betriebsrat durch die Vielzahl der beabsichtigten Kündigungen erkennbar in der Wahrnehmung seines Beteiligungsrechts beeinträchtigt wird und ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der vorgesehenen zeitlichen Abwicklung des Anhörungsverfahrens innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist nicht ersichtlich ist.
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Abwicklung des Anhörungsverfahrens innerhalb der Wochenfrist wird man wohl immer dann annehmen dürfen, wenn der Arbeitgeber auf die Zustellung der Kündigung zu einem gewissen Stichtag (Ende eines Monats/Quartals) angewiesen ist, damit die Arbeitsverhältnisse bspw. im Rahmen einer Betriebsänderung zum Schließungszeitpunkt eines Betriebs unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen enden und keine mit zusätzlichen Kosten verbundene Überlappung eintritt.
Darüber hinaus wird ein Missbrauchseinwand auch dann nicht greifen, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zuvor im Rahmen von Interessenausgleich- und Sozialplanverhandlungen ausführlich über die Kündigungsgründe und die zu kündigenden Mitarbeiter informiert hat und der Betriebsrat seinerzeit das Interessenausgleichsverfahren verschleppt hat. Ferner ist der Betriebsrat bei Massenentlassungen zumeist vorher in den Prozess eingebunden und kann sich entsprechend auf die Vielzahl von Anhörungsverfahren vorbereiten.
Aber selbst wenn die Verweigerung eines Fristverlängerungsbegehrens des Betriebsrats tatsächlich einmal rechtsmissbräuchlich wäre, dürfte dies wohl allein nicht zu einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung und damit zu einer unwirksamen Kündigung führen. Das BAG hat hierzu zwar ausdrücklich offengelassen, welche Rechtsfolgen ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten hat. Denkbar wäre die (individualrechtliche) Unwirksamkeit der Kündigungen oder „lediglich“ eine betriebsverfassungsrechtliche Sanktion (bspw. Betriebsrat kann auch noch nach Fristablauf innerhalb einer angemessenen Frist Widerspruch erheben). Die besseren Gründe dürften gegen die Unwirksamkeit der Kündigung sprechen, da das rechtsmissbräuchliche Verhalten lediglich gegenüber dem Betriebsrat wirkt.
Konsequenzen für die Praxis
Der Arbeitgeber kann sich bei der zeitlichen Planung und der Durchführung von Massenentlassungen auf die gesetzliche Anhörungsfrist des Betriebsrats von einer Woche stützen. Eine automatische Verlängerung der Wochenfrist bei Massenentlassungen tritt nicht ein. Auch ein begründeter Missbrauchseinwand des Betriebsrats bei Verweigerung eines Fristverlängerungsbegehrens scheidet in der Regel aus und führt wenn auch nicht allein zur Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörungen und damit auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen.