Das Bundessozialgericht hat erneut entschieden, dass Stimmbindungsvereinbarungen zwischen Gesellschafter-Geschäftsführern entgegen der früheren Praxis nicht mehr dazu führen sollen, dass Geschäftsführer auch ohne eine Sperrminorität aufgrund Satzung als sozialversicherungsfrei anerkannt werden (Entscheidung vom 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R). Eine solche Tendenz zur strengeren Prüfung der Sozialversicherungspflicht unter anderem von Geschäftsführern mit Minderheitsgesellschafterstellung hatte sich schon in der Vergangenheit angedeutet und war 2015 durch mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts festgestellt worden (BSG, Urteile vom 11.11.2015 – B 12 KR 10/14 R; B 12 KR 13/14 R; B 12 R 2/14 R, vgl. hierzu unseren Blogbeitrag vom 27.09.2016). Auch in dem nun entschiedenen Verfahren hatte der klagende Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Beteiligung von 45,6 % an der Gesellschaft mit seinem Bruder und Mitgesellschafter eine Stimmbindungsvereinbarung getroffen. Ferner war bereits während des laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens zwischen dem Kläger und seinem Bruder ein Vertrag zur Einräumung einer unwiderruflichen Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen abgeschlossen worden. Anders als noch die erste Instanz haben das LSG Berlin-Brandenburg und das BSG in seiner Entscheidung vom 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R – die Klage abgewiesen.
Wie schon auf Basis der Entscheidungen aus dem Jahr 2015 ist Geschäftsführern mit einer Minderheitskapitalbeteiligung nicht mehr zu empfehlen, auf die Wirkung einer Stimmbindungsvereinbarung zu vertrauen, um der Sozialversicherungspflicht zu entgehen. Dabei beruft sich das BSG (Rn. 22) erneut und wie schon 2015 darauf, dass jegliche Vereinbarungen außerhalb der Satzung bei der Berücksichtigung der Stellung der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu berücksichtigen sind.
- Zum einen seien diese, wie schon in den früheren Entscheidungen festgestellt, ordentlich und außerordentlich kündbar.
- Zum anderen genügten sie nicht dem Grundsatz, wonach Tatbestände, die sich auf die Versicherungspflicht von Beschäftigten auswirken, vorhersehbar sein müssen, sowohl im Interesse der Versicherten wie auch der Versicherungsträger.
Um der Sozialversicherungspflicht zu entgehen, darf der Gesellschafter-Geschäftsführer kein „Beschäftigter“ im Sinne des Sozialversicherungsrecht (§ 7 Abs. 1 SGB IV) sein. Für den Status des Beschäftigten kommt es auf die Frage der Weisungsgebundenheit an. Gesellschafter-Geschäftsführer müssen, um als selbstständig angesehen zu werden, in der Lage sein, ihnen nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, und zwar aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung, die sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit bezieht. Diese Vereinbarung muss in der Satzung getroffen werden.
In der hiesigen Entscheidung hatte der Kläger neben der Stimmbindungsvereinbarung während des bereits laufenden Klageverfahrens einen Vertrag zur Einräumung einer unwiderruflichen Option zum Erwerb von Geschäftsanteilen vorgelegt, den er mit seinem Bruder und Mitgesellschafter abgeschlossen hatte. Auch dies ließ das BSG nicht genügen, und verwies auch hierbei auf die formale Sichtweise, wonach aus Gründen der Vorhersehbarkeit nur solche Vereinbarungen in Betracht gezogen werden können, die innerhalb der Satzung abgeschlossen wurden, nicht aber in separaten Dokumenten. Darüber hinaus sei eine Option auch deshalb nicht ausreichend, da es nicht auf die optionale Möglichkeit der Stimmführerschaft, sondern auf die tatsächlich im fraglichen Zeitraum bestehende Rechtsmacht ankomme.
Abschließend verweist das BSG darauf, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers typische Elemente eines Anstellungsvertrages mit Beschäftigten enthalte, so etwa ein monatliches Bruttogehalt von 5.500,00 Euro, einen Urlaubsanspruch von jährlich 26 Tagen und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung über sechs Wochen. All dies sind übliche Elemente eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages. Bei der Gestaltung der Vereinbarungen mit einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der eine Selbstständigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts anstrebt, sollten diese Elemente, je nach Fallgestaltung des Abschlusses eines Anstellungsvertrages insgesamt, daher vermieden werden.