Die Auffassung, ein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossener Aufhebungsvertrag sei als Verbrauchervertrag im Sinne des § 312g BGB innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss widerrufbar, begegnet einem Arbeitsrechtler in der Praxis immer wieder. Für die bis zum Jahr 2014 geltende Rechtslage hatte das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass es sich bei einem Aufhebungsvertrag zwar um einen Verbrauchervertrag handelt. Dennoch hatte es die Widerruflichkeit abgelehnt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur neuen Fassung der §§ 312 ff. BGB steht noch aus. Im November 2017 hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen nunmehr zumindest in der zweiten Instanz eine Entscheidung nach der neuen Rechtslage getroffen.
Der Ausgangsfall
Am 15. Februar 2016 schlossen der Arbeitgeber und die später klagende Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag. Dieser wurde in der Wohnung der Klägerin abgeschlossen. Nach dem Vertragsschluss wehrte sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch diesen Aufhebungsvertrag. Sie trug zum einen vor, sie sei durch eine Drohung mit finanziellen Schwierigkeiten zur Unterschrift bewegt worden. Ferner berief sie sich darauf, im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags nicht bei vollem Bewusstsein gewesen zu sein. Darüber hinaus war sie der Auffassung, ihr stehe jedenfalls ein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB zu.
Die Klägerin trug vor, bei typisierenden Betrachtung der im Arbeitsverhältnis bestehenden Interessenlagen und der sich daraus ergebenden Pflicht zur Rücksichtnahme, die auch bei einvernehmlichen Regelungen nicht gänzlich fehlen dürfte, sei dem Arbeitnehmer für in seiner Wohnung geschlossene Aufhebungsverträge ein Widerrufsrecht zuzubilligen.
Der beklagte Arbeitgeber hielt dagegen, die §§ 312 ff. BGB dienten der Umsetzung von Unionsrecht und erfassten nur solche Verbindlichkeiten, die ein Verbraucher im Rahmen eines Haustürgeschäfts gegenüber einem Gewerbetreibenden als Gegenleistung für eine Ware oder Dienstleistung erbringe.
Die Entscheidung
Das Arbeitsgericht Celle, das in erster Instanz über die Klage zu entscheiden hatte, wies die Klage ab (ArbG Celle, Urteil vom 20. September 2016 – 1 Ca 77/16, Entscheidung nicht veröffentlicht). Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen schloss sich in der zweiten Instanz der Auffassung des Arbeitsgerichts an und entschied, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 15. Februar 2016 sein Ende gefunden habe (LAG Niedersachsen, 10 Sa 1159/16). Die Richter entschieden, dass der Vortrag der Klägerin nicht ausreiche um ein Anfechtungsrecht wegen widerrechtlicher Drohung oder eine Nichtigkeit ihrer Willenserklärung wegen fehlenden Bewusstseins während des Vertragsschlusses anzunehmen. Zudem stehe der Klägerin auch kein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB zu.
Verbraucher: ja, Haustürgeschäft: nein
Zur Begründung führten die Richter aus, ein Arbeitnehmer sei zwar Verbraucher im Sinne von § 13 BGB und – entsprechend der BAG-Rechtsprechung zur alten Rechtslage – handele es sich bei dem Aufhebungsvertrag auch um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB (BAG, Urteil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04). Jedoch handele es sich gerade nicht um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne von § 312b Abs. 1 Ziffer 1 BGB, bei dem ein Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB hat. Nach § 312b Abs. 1 Ziffer 1 BGB sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche, die bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
Die Regelung des § 312g BGB betreffe, so das LAG Niedersachsen, in erster Linie Fälle der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen. Dies ergebe sich aus dem in der Gesetzesbegründung enthaltenen amtlichen Hinweis, wonach die Vorschriften in den §§ 312 ff BGB auch weiterhin der Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinie 85/577/EWG dienen. Die Richtlinie finde keine Anwendung auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge und es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Anwendung der Umsetzungsvorschriften auf Aufhebungsverträge erstrecken wollte.
Auch nach der Gesetzessystematik sei ein Widerrufsrecht abzulehnen. Die §§ 312 ff BGB tragen die Überschrift „Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen“. Allerdings handele es sich beim arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag nicht um einen nach dieser Vorschrift widerruflichen Vertrag, da es sich nicht um ein Haustürgeschäft handele. Wie bereits das bis 2014 geltende Haustürwiderrufsrecht finde § 312g BGB nur auf „besondere Vertriebsformen“ Anwendung, nicht jedoch auf Verträge, die wie der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag keine Vertriebsgeschäfte sind. Die vom BAG aufgestellten Grundsätze zum Nichtbestehen eines Widerrufsrechts für arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge seien auch auf die neue Rechtslage anwendbar (BAG, Entscheidung vom 27. November 2003 – 2 AZR 135/03).
Zudem hat ein Aufhebungsvertrag keine entgeltliche Leistung des beklagten Arbeitgebers zum Gegenstand, was aber Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB wäre.
Darüber hinaus schlossen sich die Richter des LAG Niedersachsen der Auffassung des BAG von 2003 an, wonach sich ein unbefristetes Widerrufsrecht, wie es im Fall eines Haustürgeschäfts bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung gilt, nicht mit dem allgemeinen Beschleunigungsinteresse arbeitsrechtlicher Beendigungsstreitigkeiten vereinbaren ließe.
Das LAG Niedersachsen hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Die Revision ist dort zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen 6 AZR 75/18 eingelegt worden.
Ausblick
In Anbetracht der Argumentation der niedersächsischen Richter, die sich sehr stark an der Rechtsprechung des BAG zur alten Rechtslage orientiert, ist damit zu rechnen, dass das BAG die Auffassung des LAG bestätigen und die Revision zurückweisen wird. Dies entspricht der Interessenlage der Parteien im Arbeitsrecht und sorgt bei Arbeitgebern für Rechtssicherheit.