Nach abgeschlossenen Vorbereitungen (siehe Teil 1), Kick-off mit dem Betriebsrat (siehe Teil 2) und Start der Interessenausgleichverhandlungen (siehe Teil 3) stehen in der heißen Phase von erfolgreichen Verhandlungen die Inhalte der Betriebsänderung im Raum. Den rechtlichen Rahmen dafür bietet der Interessenausgleich und dort die Beschreibung der Betriebsänderung. Diese hat diverse unmittelbare und mittelbare rechtliche Folgen.
Was regelt der Interessenausgleich?
Der Interessenausgleich betrifft die Planung einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG. Kommt er zustande (zum Scheitern und taktischen Möglichkeiten siehe bereits Teil 3 und unseren Beitrag zum Windhundprinzip), regelt der Interessenausgleich das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Planung – nach Abschluss eines Interessenausgleich: der Umsetzung – der Betriebsänderung. Davon ausgehend sind bei Interessenausgleichsverhandlungen im wesentlichen folgende Szenarien denkbar:
- Szenario 1: Das Unternehmen sieht von der Betriebsänderung ab.
- Szenario 2: Die Betriebsänderung wird wie geplant umgesetzt.
- Szenario 3: Die Betriebsänderung wird angepasst an die Vorschläge des Betriebsrats umgesetzt.
Szenario 1 ist regelmäßig eine gesetzlich vorgesehene Theorie. Denn hat das Unternehmen konkrete und tragfähige Planungen aufgestellt, muss einiges passieren, damit die Betriebsänderung nicht durchgeführt wird. Regelmäßig kommt dies nur nur bei groben Planungsfehlern oder – selten – aus verhandlungstaktischen Erwägungen in Betracht. Szenario 2 entspricht dem unternehmerischen Idealbild. Es setzt gute Planungen und einen konzilianten Betriebsrat (bzw. Know-how um Konzilianz zu erzielen) voraus. Szenario 3 entspricht dem gesetzlichen Leitbild von Interessenausgleichsverhandlungen. Denn der Interessenausgleich soll die Entstehung wirtschaftlicher Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer verhindern oder abmildern. Dies wird praktisch beispielhaft durch Folgendes erreicht:
- Veränderter Zeitpunkt der Betriebsänderung (z.B. späterer Ausspruch von Kündigungen, Versetzungen etc.)
- Angepasster Zuschnitt der Planungen (z.B. Abbau einer geringeren Anzahl von Arbeitsplätzen)
Entsprechende Forderungen können Arbeitgeber abwehren und sind nicht verpflichtet den Wünschen des Betriebsrates nachzukommen. Dies gilt auch dann, wenn die Wünsche durch Sachverständigengutachten gemäß § 80 Abs. 3 bzw. § 111 Satz 2 BetrVG untermauert werden. Folge kann eine verzögerte Umsetzung der Betriebsänderung sein.
Warum ist der Inhalt des Interessenausgleichs wichtig?
Neben dieser eher verhandlungstaktischen Komponente hat der Inhalt des Interessenausgleichs unmittelbar rechtliche Relevanz für diverse Bereiche, die unmittelbar zur Unwirksamkeit von z.B. Kündigungen führen können. Hier insoweit nur eine Auswahl der Folgewirkungen des Inhalts des Interessenausgleichs:
- Einsetzung Einigungsstelle und Scheitern in Einigungsstelle
Wird die Einsetzung der Einigungsstelle einseitig betrieben, gibt der Inhalt des Interessenausgleichs regelmäßig das „Programm“ für die Einigungsstelle vor. Die Planung des Arbeitgebers hat unmittelbar Folgen dafür, wann und hinsichtlich welcher Planungen ein Scheitern in der Einigungsstelle erklärt werden kann. Dies kann insbesondere bei zeitlich über mehrere Wellen gestreckten Betriebsänderungen zu Komplikationen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht führen. Solche Komplikationen werden bestenfalls bereits in der Planungsphase (siehe dazu Teil 1) berücksichtigt und abgestellt.
- Nichtigkeit von Kündigungen: Konsultationsverfahren und Massenentlassungsanzeige
Der Inhalt des Interessenausgleichs kann unmittelbar Einfluss auf das „Ob“ und „Wie“ des Konsultationsverfahrens und der Massenentlassungsanzeige haben. Fehler bei diesen Projektschritten können unmittelbar zur Unwirksamkeit von Kündigungen und einem Scheitern des Restrukturierung führen.
- Es trifft die falschen Mitarbeiter: Sozialauswahl
Der Inhalt des Interessenausleichs, insbesondere die Beschreibung der abzubauenden Arbeitsplätze, kann die Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter determinieren. Denn ein falscher oder unbedachter Zuschnitt zu streichender Stellen kann zu unternehmerischen Einschränkungen bei der Sozialauswahl führen. Dies kann nur durch weitsichtige unternehmerische Planungen und den Vergleich diverse unternehmerischer und rechtlicher Szenarien vermieden werden. Entsprechende Vergleichsbetrachtungen werden bestenfalls bereits in der Planungsphase angestellt (siehe dazu Teil 1). Fehler in diesem Bereich können ebenfalls zur Unwirksamkeit von Kündigung führen oder Budgetsteigerungen durch wirtschaftlich unvorteilhafte Vergleichsabschlüsse führen.
- Unwirksamkeit von Kündigungen: Betriebsratsanhörungen und Kündigungsschutzverfahren
Die Beschreibung der Betriebsänderung im Interessenausgleich antizipiert bei einer perfekten Restrukturierung Folgeprozesse wie Betriebsratsanhörung gemäß 102 BetrVG und das Kündigungsschutzverfahren selbst. Insbesondere zwei Prüfungspunkten sollten Unternehmen bei der Abfassung des Interessenausgleichs besondere Aufmerksamkeit schenken: (1) „Wegfall des Beschäftigungsbedarfs“ und (2) „keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen“. Hier haben Unternehmen diverse Gestaltungsmöglichkeiten, die unmittelbar Einfluss auf Sieg oder Niederlage in einem Kündigungsschutzverfahren haben können. Abhängig von der Güte der Planung kann es sich anbieten insoweit sehr detailliert im Interessenausgleich zu formulieren oder sehr grob. Beide Wege haben im späteren Verlauf des Projekts Vorteile und Nachteile (u.a. hinsichtlich Flexibilität im Kündigungsschutzverfahren).
- Budgetüberschreitungen: Nachteilsausgleichsansprüche
Schließlich ist der Inhalt des Interessenausgleichs insbesondere für mögliche Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 Abs. 1 BetrVG relevant. Denn ein – womöglich unternehmerisch notwendiges – Abweichen von einem Interessenausgleich kann selbst bei einer niedrigen Sozialplandotierung zu ungewollten Budgetüberschreitungen führen.
… to be continued …