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Betriebsrat Zwangsvollstreckung

Betriebsrat – Rechtsfähigkeit und Zwangsvollstreckung: ja, nein, vielleicht?

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„Es kommt darauf an.“ Eine beliebte Antwort von Anwälten auf Fragen ihrer Mandanten, bei letzteren weniger beliebt. Heute zeigen wir an drei Fällen aus der Rechtsprechung, dass es zum Beispiel bei der Frage, ob der Betriebsrat rechtsfähig oder eine Zwangsvollstreckung gegen den Betriebsrat zulässig ist, eben genau darauf ankommen kann. Der „Aufhänger“ soll dabei die aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg sein, welches – druckfrisch – am 17.01.2018 – 17 TaBV 1299/17 – entschieden hat, dass die Zwangsvollstreckung – man höre und staune! – zulässig ist.

Doch der Reihe nach: Sehen wir uns die rechtliche Ausgangslage an und anschließend das, was für unsere Beispiele daraus folgt.

Grundsätze des Bundesarbeitsgerichts

Der Betriebsrat ist ein sogenanntes Organ der Betriebsverfassung (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 19.07.1977 – 1 AZR 483/74). Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob der Betriebsrat Träger von Rechten und Pflichten sein kann oder gar vermögensfähig ist. In der Rechtsprechung und im juristischen Schrifttum allerdings besteht Einigkeit darüber, dass der Betriebsrat weder rechts-noch vermögensfähig ist (BAG, Beschluss vom 09.09.1975 – 1 ABR 21/74). In dieser Entscheidung hat das BAG auch festgehalten, dass der Betriebsrat allenfalls im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben berechtigt und verpflichtet werden kann, nicht aber als sogenanntes „Rechtssubjekt“ außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises Gläubiger und Schuldner privatrechtlicher Forderungen sein kann, was auch Schadensersatzansprüche einschließt.

Hier fragt sich der Arbeitgeber: Bleibe ich nun auf den Schäden sitzen, die der Betriebsrat angerichtet hat? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Das BAG hat in einer Entscheidung vom 24.04.1986 – 6 AZR 607/83 den Ausweg aufgezeigt: Wenn Betriebsratsmitglieder aufgrund eines eigenen Entschlusses oder auch eines Beschlusses des Betriebsrates Rechtsgeschäfte außerhalb der ihnen gesetzlich zugewiesenen Einzelfälle durchführen, haben sie für die daraus entstehenden Verbindlichkeiten oder Schäden persönlich einzustehen. In jenem Fall ging es um den defizitären Betrieb einer Betriebskantine. Der Arbeitgeber wollte nun die aus dem Betrieb der Kantine resultierenden Schulden vom Betriebsratsvorsitzenden erstattet verlangen, der die Kantine geführt hatte. Da der Betrieb der Kantine aber derjenige einer Sozialeinrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG war, haftete der Betriebsratsvorsitzende hierfür nicht persönlich.


Was bedeutet dies nun für Rechtsfähigkeit und eine mögliche Zwangsvollstreckung?

Beispiel 1: Verkauf von Job-Tickets durch den Betriebsrat

„Wenn der Arbeitgeber nicht will, dann mache ich es eben selber!“ Ähnliches muss sich der Betriebsrat gedacht haben, als er den vom Arbeitgeber abgelehnten Job–Ticket-Verkauf selber in die Hand nahm. Die daraus entstehenden Probleme waren dann nicht Gegenstand einer arbeitsgerichtlichen, sondern einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung. Unter Bezugnahme auf die oben geschilderten Grundsätze des BAG hatte das Amtsgericht Dortmund am 10.04.2018 – 425 C 7881/17 darüber zu entscheiden. Zutreffend entschied das Amtsgericht, dass der Vertrag zwischen Betriebsrat und einem Arbeitnehmer über den Bezug des Job-Tickets und einer damit verbundenen Zahlungspflicht des Arbeitnehmers an den Betriebsrat bzw. einen beauftragten Dritten nichtig ist. Der Betriebsrat war insoweit außerhalb der ihm zugewiesenen Rechte des Betriebsverfassungsgesetzes tätig geworden. „Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass es nicht zu den Aufgaben eines Betriebsrates gehört, Fahrkarten zu verkaufen“, so das Amtsgericht zutreffend. In dieser Entscheidung wird sehr schön die Differenzierung zwischen Tätigwerden innerhalb und außerhalb des Aufgabenbereiches deutlich: Die Frage, ob Job-Tickets eingeführt werden und wie dies durchgeführt werden soll, ist gemäß § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Sämtliche Verträge jedoch, mit denen Job-Tickets bezogen werden, können nicht vom Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung abgeschlossen werden.

Beispiel 2: Einigungsstelle – Unterlassung der Benennung bestimmter Beisitzer

Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat über bestimmte mitbestimmungsrechtliche Fragen nicht einigen können, kann es zur Einsetzung einer Einigungsstelle kommen, die dann die Einigung herbeiführt. Neben einem unparteiischen Vorsitzenden benennt jede Seite Beisitzer. Diese können zwar von der jeweiligen Partei grundsätzlich frei bestimmt werden, auch hier gibt es aber Grenzen, weshalb das BAG hierüber am 28.05.2014 – 7 ABR 36/12 entscheiden musste. Ein vom Betriebsrat benannter Beisitzer war offenbar ungeeignet, über die der Einigungsstelle obliegende Materie zu entscheiden. Auch das BAG war der Ansicht, dass bei der Benennung von Beisitzern der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 BetrVG zu berücksichtigen ist. Im konkreten Fall ergab sich daraus die Ungeeignetheit des benannten Beisitzers, der Arbeitgeber konnte allerdings mit seinem Antrag nicht durchdringen, dass der Betriebsrat die Benennung des Beisitzers zu unterlassen habe. Das BAG bestätigte zwar, dass der Betriebsrat im Rahmen seines Wirkungskreises rechtsfähig ist, gegen ihn ergehende gerichtliche Entscheidungen seien aber nicht vollstreckbar. Denn die Mitglieder des Betriebsrates seien anders als Organmitglieder juristischer Personen nicht in der Lage, die Handlungen des Betriebsrates so zu steuern, dass die Zwangsvollstreckung rechtlich für die Erfüllung titulierter Verpflichtungen gegen den Betriebsrat in Anspruch genommen werden könnten.

Das BAG verweist den Arbeitgeber auf die Möglichkeit eines Feststellungsantrages und im Extremfall den Antrag auf Auflösung des Betriebsrates gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Wenn aber Unterlassungsansprüche nicht bestehen, kommt auch keine einstweilige Verfügung darauf in Betracht, sodass die Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitgebers insbesondere in Eilfällen äußerst begrenzt sind.

Beispiel 3: Verpflichtung zur Nutzung eines E-Mail-Kontos

Die Mitglieder des Betriebsrates waren sich untereinander nicht grün. Einige verlangten von anderen gerichtlich, die jederzeitige Einsichtnahmemöglichkeit in die gesamte Betriebsratskorrespondenz. In einem gerichtlichen Vergleich gehörte hierzu unter anderem die Einrichtung eines zentralen E-Mail-Kontos, von dem aus jede Korrespondenz zu führen war und welches für sämtliche Betriebsratsmitglieder einzusehen war. Außerdem enthielt der gerichtliche Vergleich die Verpflichtung der einzelnen Betriebsratsmitglieder, an sie adressierte, aber für den Betriebsrat bestimmte E-Mails an den zentralen Betriebsrats-Account weiterzuleiten. Das LAG Berlin-Brandenburg entschied hierzu, dass die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich gegen die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums bzw. der Ausschüsse des Betriebsrats hinsichtlich der Weiterleitung der E-Mails an den zentralen Account möglich ist. Denn diese führten die Geschäfte dieser Gremien im Sinne der §§ 26 Abs. 2, 27 Abs. 2 und 28 Abs. 1 BetrVG. Ihre Funktionen hätten sie in der Weise vorzunehmen, zu der sich der Betriebsrat im gerichtlichen Vergleich verpflichtet hat. Dabei hat das LAG nicht etwa die soeben zitierte Rechtsprechung des BAG übersehen, das LAG bedient sich hier aber eines speziellen „Zwangsvollstreckungskniffs“, gleichsam die juristisch komplizierte Pointe des Falls: Es meint, der sich aus dem gerichtlichen Vergleich ergebende Titel gegen den Betriebsrat als solchen müsse gemäß § 731 ZPO auf die einzelnen Betriebsratsmitglieder umgeschrieben werden, woraus dann die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung folge. Dazu habe sich das BAG bislang aber nicht geäußert.

Und nun?

Das BAG hat zwar den Arbeitgeber auf die Möglichkeit des Feststellungsantrages und die Auflösung des Betriebsrats verwiesen, mit diesen Gründen aber können einzelne Mitglieder des Betriebsrates gegen andere Mitglieder des Betriebsrates keinen effektiven Rechtsschutz erhalten, so wie es in der Entscheidung zum E-Mail-Konto nötig war. Das Bundesarbeitsgericht wird hierüber befinden, Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg wurde eingelegt. Wir werden berichten. Möglicherweise „kommt es wieder darauf an“.

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