Bei einer Transaktion mit Betriebsübergang stehen sich – im Idealfall – zwei fair und transparent spielende Partner gegenüber. In der Praxis läuft eine Transaktion jedoch immer häufiger „viel härter“ ab: Veräußerer stehen plötzlich „aggressiven“ oder zumindest „unkooperativen“ Erwerbern gegenüber. Sie haben alle Hände voll zu tun, dennoch ihre Unterrichtungspflichten nach § 613a Abs. 5 BGB zu erfüllen und den Anlauf der Widerspruchsfrist für die übergehenden Arbeitnehmer sicherzustellen. Das gelingt, wenn der Veräußerer an einigen Schlüsselstellen klug agiert und so sicher durch den Betriebsübergang führt.
Interessenkonflikt zwischen Veräußerer und Erwerber
Der Veräußerer eines Geschäftsbereichs hat vor allem ein Interesse: Er will, dass die Belegschaft als Ganzes übergeht, da er selbst keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die „übrig bleibenden“ Mitarbeiter hat. Der Erwerber ist dem gegenüber möglicherweise nur an bestimmten „Key Playern“ interessiert und würde den „Rest“ gern beim Veräußerer belassen. Die Möglichkeiten des Erwerbers, die Transaktion unentdeckt zu seinen Gunsten zu beeinflussen, sind vielfältig. Da die Verantwortung einer ordnungsgemäßen Unterrichtung letztlich beim bisherigen Arbeitgeber liegt, kann er diese zum Beispiel nach erfolgter Unterrichtung durch widersprüchliche Informationen torpedieren. Auch gezielte Briefe an „Key Player“ senden ein klares Signal an die Belegschaft, und treibt diese möglicherweise ein Stück näher an den Widerspruch gegen den Betriebsübergang.
Strenges Informationsmanagement
Der wichtigste Meilenstein einer gelungenen Transaktion ist die ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 27. Juli 2017). Da das nur in Zusammenarbeit mit dem Erwerber gelingen kann, setzt der vorausschauende Verkäufer von Beginn an ein strenges Informationsmanagement auf. Die Kommunikation mit dem Erwerber erfolgt immer (auch) schriftlich, um widersprüchliche Aussagen zu verhindern oder um für einen späteren Haftungsstreit gewappnet zu sein. Auch der Einsatz sogenannter „Clean Teams“ mit Vertretern von beiden Seiten bietet sich an.
Vertragliche Risikoverteilung
Das Gesetz sieht Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner einer ordnungsgemäßen Unterrichtung, ohne eine konkrete Aufgabenverteilung festzulegen. Zusätzliche vertragliche Regelungen sind deshalb üblich. Darin werden die gegenseitigen Pflichten, aber auch klare Haftungsregelungen definiert. Sofern dann dem Erwerber fehlerhafte Informationen nachgewiesen werden können (Stichwort Dokumentation!), die zu einer nicht ordnungsgemäßen Information und entsprechenden Widersprüchen gegen den Betriebsübergang führen, muss auch der Erwerber für die Schäden aufkommen. Im Unternehmenskaufvertrag ist diese Klausel häufig unbeliebt, da die wirtschaftlichen Folgen kaum abzusehen sind. Aus Veräußerersicht ist es jedoch überaus ratsam, die Klausel aufzunehmen, gerade wenn sich ein eher „unkooperativer“ Erwerber ankündigt.
Was hilft bei „Rosinenpicken“ des Erwerbers?
Die „Key Player“ eines Geschäfts sind in der Regel schnell identifiziert. Sie sind die Leistungsträger, halten Know-how und Kollegen zusammen und bestimmen als „Meinungsführer“, in welche Richtung sich die Belegschaft bewegt. Der Veräußerer umwirbt solche Mitarbeiter gern mit sogenannten „Offer Letters“ und verspricht ihm bei erfolgreichem Wechsel Geld, Titel, Dienstwagen und andere Herrlichkeiten. Für den Erwerber ist dieses Vorgehen gefährlich. Zum einen fühlen sich die nicht umworbenen Mitarbeiter nun einem Wechsel weniger zugeneigt, zum anderen stellen die Versprechen gegebenenfalls schon künftige Maßnahmen im Sinne des § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB dar, über die zu informieren wäre. Der Veräußerer muss die „Offer Letter“ also zwingend adressieren, Mitarbeiter aufklären und eventuell eine Nachinformation aufsetzen. Bestreitet der Erwerber, hilf die Dokumentation in einem späteren Haftungsfall.
Kommunikation bis zum Closing
Besonders wichtig ist die richtige Kommunikation bis zum tatsächlichen Vollzug der Transaktion. Jede Stellungnahme oder Bemerkung muss im Einklang stehen mit der Unterrichtung über den Betriebsübergang, wenn die Unterrichtung nicht gefährdet werden soll. Jeder „flapsige Kommentar“ wäre ein gefundenes Fressen für Arbeitnehmeranwälte, die ein Widerspruchsrecht gern auch noch Jahre später geltend machen (zu den Folgen der fehlerhaften Information siehe unseren Blogbeitrag vom 26. Februar 2018).
Im Zweifel: Erneute Unterrichtung
Reißen alle Stricke, sollte der Veräußerer eine erneute Unterrichtung in Erwägung ziehen, statt eine objektiv fehlerhafte Unterrichtung hinzunehmen. Das ist immer dann erforderlich, wenn sich die Gegebenheiten in tatsächlicher Hinsicht geändert haben (z.B. auch die gesellschaftsrechtlichen Strukturen im Konzern). Entscheidend ist, ob diese Tatsachen aus Sicht des Arbeitnehmers zu einem anderen Wissensstand und damit möglicherweise zu einer anderen Bewertung des Betriebsübergangs bzw. des Widerspruchsrechts führen könnten.
Fazit
Der Veräußerer ist gut beraten, in einer Transaktion planvoll und flexibel mit einem bevorstehenden Betriebsübergang umzugehen. Vor allem wenn ein Betriebsübergang unter Beteiligung eines „unkooperativen“ Bewerbers reibungslos abgewickelt werden soll, empfehlen sich folgende Maßnahmen:
- saubere Sammlung, Aufbereitung und Dokumentation aller Austausche mit dem Erwerber zum Betriebsübergang
- gemeinsame Kommunikation mit dem Erwerber
- Haftungsregelung im Kaufvertrag
- Prüfen etwaiger Änderungen nach Unterrichtung
- Überprüfen von etwaigen „Offer Letters“
- ggf. Nachinformation
Im „worst case“ Szenario sitzt der aggressive Erwerber dann jedenfalls selbst mit im Haftungsboot und kann sich gegen die dokumentierten Informationsaustausche auch nicht herauswinden.