Eine zunehmende Anzahl an Unternehmen etabliert moderne Führungs- und Beteiligungsstrukturen, um sich auf diesem Wege „agiler“ zu machen. Der Begriff der Agilität entstammt der Software-Entwicklungsbranche und bezeichnet gemeinhin eine besondere Form der Zusammenarbeit und Führungskultur. Sollen diese Strukturen erstmalig in einem Unternehmen verankert werden (die oft genannte „Agile Transformation„), wird aber häufig verkannt, welche Hürden bei einem solchen Projekt – gerade auch arbeitsrechtlich – zu meistern sind. Wir führen zunächst ins Thema ein und skizzieren die Problematik; weitere Posts werden sich sodann den konkreten Umsetzungsherausforderungen widmen.
Bist Du schon agil, oder arbeitest Du noch?
Unter dem Oberbegriff der „Agilität“ werden viele unterschiedliche Formen einer flexiblen Zusammenarbeit verstanden, ohne dass der Begriff einen zwingenden Bedeutungsgehalt hätte. Allen Ansätzen ist aber jeweils eines gemein: Es sollen eingefahrene und feststehende Organisationsformen, insbesondere ein Arbeiten in hierarchisch streng gegliederten Berichtsketten und feststehenden Fachabteilungen, vermieden werden. Wissen und Qualifikation der Mitarbeiter sollen in einer durchlässigen und flexiblen Organisationsform und häufig mit Unterstützung digitaler Arbeitswelten vernetzt und bestmöglich zusammengeführt werden.
Die Neuerungen betreffen daher sowohl die Kultur des jeweiligen Unternehmens als auch die konkreten Arbeitsprozesse und hierarchischen und fachlichen Gliederungen. Von den Mitarbeitern werden insofern technische, organisatorische und soziale Fähigkeiten – insbesondere aber auch das sog. richtige „Mindset“ – gefordert, um sich in der neuen Organisationsform effektiv einbringen zu können. So sollen agile Strukturen vor allem auch Eigeninitiativen der Mitarbeiter fördern und Freiräume für Verbesserungen und Veränderungen schaffen.
Gerne werden dabei die organisatorischen und technischen Veränderungen mit Büro- und Raumwelten verknüpft, die ein flexibles und innovatives Arbeiten verstärken sollen. Hierzu zählen etwa
- klassische „Open Space“-Konzepte,
- „Hotelling“ und vergleichbare Ansätze sowie
- offene, anpassbare Räume, die nach Möbelkonzept und Ausstattung jederzeitige Meetings, Abstimmungen und Kommunikation ermöglichen.
Letztlich soll eine agile Arbeitsumgebung und Organisationsform die Grundlage dafür schaffen, dass Unternehmen mit ihrem Team schnell und flexibel auf die sich rasant ändernden Kunden- und Marktanforderungen reagieren können.
„Buzzwords“ aus der Agilen Transformation
Wollte man die jeweiligen arbeitsrechtlich relevanten Veränderungsprozesse thematisch zusammenfassen, kann dies z.B. nach folgenden Schwerpunkten erfolgen:
- Unternehmenskultur: Offener vertrauensvoller Umgang, Mitmachkultur, Beteiligung von Arbeitnehmern auf allen Ebenen
- Hierarchieformen: „Shared Leadership“; Führungskraft versteht sich stärker als Mentor, Koordinator und Moderator
- Arbeitszeit / Arbeitsort: Aktivitätsorientiertes Arbeiten mit hohem Vertrauensgrad von zu Hause aus, unterwegs oder im Office
- Raum- und Bürokonzepte: Open Space, Hotelling, Ruhe- und Team-Plätze, Sozialräume etc.
- Organisationsdesign: Kanban, Scrum, Lean, Waterfall etc.
- Strukturen der Zusammenarbeit: Aufbrechen klassischer Abteilungsstrukturen zugunsten von themenbezogenen Einheiten, die ggf. nur bedarfsorientiert zusammentreten; Selbstorganisation vs. Vorgesetztenführung
- Stellenkonzepte: Zusammenfassung von Funktionen, Job Architecture/Families, Verlagerung von Fähigkeitsprofilen
- Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat: Flexibilität vs. „althergebrachtes“ BetrVG?
- Zusammenarbeit mit Externen: Integration in die agile Struktur oder Parallelwelten?
Zu allen diesen Strukturformen bedarf es letztlich einer Klärung, in welchem Umfang der Arbeitgeber einseitig Veränderungen umsetzen kann oder ob individual- oder kollektivvertragliche Gestaltungsgrenzen erreicht werden.
Weitere Herausforderungen liegen im Umgang mit dem Betriebsrat und ggf. sonstigen kollektiven Mitbestimmungsfragen, der kommunikativen Begleitung der Transformationsphase sowie der Projektplanung und -steuerung – diese werden wir in Folgebeiträgen jeweils beleuchten.