Die folgende Situation ist in der Unternehmenswirklichkeit sicherlich kein Einzelfall: Eine Führungskraft ist mit einem Mitarbeiter sehr zufrieden und sagt ihm daher eine Gehaltserhöhung oder die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zu, ohne jedoch mit einer Vollmacht zum Abschluss von Arbeitsverträgen ausgestattet zu sein. Im Nachgang entscheidet jedoch eine übergeordnete Stelle, dass der Arbeitsvertrag nicht geändert wird. Kann sich der Mitarbeiter dennoch auf die Zusage der Führungskraft berufen?
Vollmacht kann sich auch aus Rechtsschein ergeben
Grundsätzlich gilt hinsichtlich der Änderung von Arbeitsverträgen wie auch bei ihrem Abschluss, dass das Unternehmen zur rechtsverbindlichen Verpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer ordnungsgemäß vertreten sein muss. Die Unternehmenspraxis erfordert dabei oft, dass neben den Organmitgliedern und sonstigen aus dem Handelsregister ersichtlichen Vertretern der Gesellschaft (insbesondere Prokuristen) weitere Mitarbeiter mit einer entsprechenden Vollmacht zum Abschluss bzw. zur Änderung von Arbeitsverträgen ausgestattet sind. Die Vereinbarung über die Änderung eines Arbeitsvertrags ohne entsprechende Vollmacht ist bis zu einer etwaigen Genehmigung durch das Unternehmen grundsätzlich unwirksam, sodass der Arbeitnehmer keine Rechte aus dieser herleiten kann.
Allerdings wird der Arbeitnehmer im Zweifel keine genaue Kenntnis darüber haben, ob seine Führungskraft eine Vollmacht besitzt, um das Unternehmen ihm gegenüber allein zu vertreten. Wird dann eine entsprechende Zusage gemacht und beruft sich gar die Führungskraft dabei noch ausdrücklich darauf, die versprochene Leistung zusagen zu können, kann der Eindruck (Rechtsschein) entstehen, die Führungskraft sei entsprechend bevollmächtigt. In diesem Fall kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – die Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht in Betracht kommen. Diese bindet das Unternehmen genauso wie eine „echte“ Vollmacht. Unternehmen, die von derartigem Gebaren einer Führungskraft erfahren, sind also gut beraten, dieses Verhalten zu unterbinden.
Konkrete Zusage erforderlich
Ob ein Anspruch auf die zugesagte Leistung überhaupt bestehen kann, hängt zunächst von der Qualität der Zusage ab. So muss ein Anspruch von vornherein ausscheiden, wenn die Aussage klar erkennen lässt, dass noch weitere Zustimmungserfordernisse bestehen oder die zugesagte Leistung noch näher zu konkretisieren ist, etwa wenn die Höhe einer Gehaltserhöhung oder der Zeitraum einer Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses noch offen ist. Der Arbeitnehmer trägt insoweit die volle Darlegungs- und Beweislast für die getroffene Zusage. Dies dürfte gerade bei mündlichen Zusagen eine kaum zu überwindende Hürde sein. Anders ist dies jedoch im Fall einer E-Mail oder bei Nutzung neuer Medien, etwa Whatsapp oder unternehmensinternen Messengern mit Speicherfunktion.
Kann eine Schriftformklausel einen Anspruch verhindern?
Da die Zusage der Führungskraft in der Regel mündlich, jedenfalls aber nicht in Schriftform gem. § 126 BGB erfolgt, stellt sich die Frage, ob eine im Arbeitsvertrag vereinbarte (doppelte) Schriftformklausel geeignet ist, das Entstehen eines Anspruchs des Arbeitnehmers zu verhindern. Zunächst müsste die Schriftformklausel grundsätzlich wirksam sein, d. h. insbesondere den Anforderungen an die AGB-Kontrolle genügen und ausdrücklich individuelle Abreden im Sinne des § 305b BGB ausnehmen. Doch selbst wenn dies der Fall sein sollte, dürfte viel dafür sprechen, dass eine derartige Zusage eben gerade eine individuelle Abrede darstellt und die Schriftformklausel einen Anspruch daher nicht verhindern kann.
Hohe Anforderungen an einen Rechtsschein
Zur Annahme einer das Unternehmen bindenden Anscheins- oder Duldungsvollmacht der Führungskraft ist zunächst erforderlich, dass diese gegenüber dem Mitarbeiter den Anschein erweckt, dass sie zur Vertretung, d. h. dem Abschluss einer Änderungsvereinbarung bevollmächtigt sei. Insoweit wird die bloße Zusage der Leistung, etwa der Gehaltserhöhung oder der Vertragsverlängerung für sich genommen nicht ausreichen. Allerdings ist es auch keine Seltenheit, dass die Führungskraft auf Nachfrage des Mitarbeiters oder auch ungefragt ausdrücklich darauf hinweist, die entsprechende Entscheidung treffen zu können. Doch auch eine solche Aussage zur Entscheidungsbefugnis soll nach der strengen, aber im Ergebnis überzeugenden Rechtsprechung des LAG Hamm (06.11.2003, 8 (17) Sa 605/03) noch nicht zur Annahme des Rechtsscheins einer Vertretungsmacht genügen. Vielmehr soll ein Rechtsschein erst dann in Betracht kommen, wenn dieser ausdrücklich auf den formalen Abschluss des (Änderungs-)Vertrags gerichtet ist. Nach einer Entscheidung des LAG Hamm soll das jedoch voraussetzen, dass die Führungskraft Arbeitsverträge selbst unterzeichnet und dem Arbeitnehmer dies bekannt sei. Sofern sich die Führungskraft nur darauf beruft, die Entscheidung über die zugesagte Leistung treffen zu können, beziehe sich dies erkennbar allein auf die Entscheidung im Innenverhältnis des Unternehmens. Die Zusage bedarf dann zur Wirksamkeit gegenüber dem Arbeitnehmer noch einer ordnungsgemäßen Umsetzung im Außenverhältnis durch Abschluss einer entsprechenden Vertragsänderung.
Auch wenn das LAG Hamm mit der Differenzierung zwischen Innen- und Außenverhältnis sicherlich viel von einem juristisch nicht vorgebildeten Arbeitnehmer verlangt, ist die Entscheidung dogmatisch nicht zu beanstanden und im Ergebnis überzeugend. So ist für eine verbindliche Zusage der Rechtsschein zu verlangen, die Führungskraft sei zur Vertretung des Unternehmens berechtigt. Darüber hinaus müsste das Unternehmen zur Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht entweder Kenntnis von dem Verhalten der Führungskraft haben oder zumindest bei gebotener Sorgfalt entsprechende Kenntnis erlangen können. Auch dies wird im Einzelfall schwerlich nachzuweisen sein. Sollte ein Unternehmen jedoch Kenntnis davon erlangen, dass durch vollmachtslose Führungskräfte entsprechende Zusagen getroffen werden, ist zu empfehlen, dieses Verhalten umgehend zu unterbinden.
Mögliche Folgen für die Führungskraft
Neben einem möglichen Anspruch des Mitarbeiters auf die versprochene Leistung kann die ohne Vertretungsmacht abgegebene Zusage der Führungskraft auch für diese unangenehme Folgen haben: Sofern die Zusage die Qualität einer Vertragsänderung hat und auch der Mangel der Vertretungsmacht für den Mitarbeiter nicht erkennbar war, erscheint eine Haftung als sog „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ nach § 179 BGB konsequent. Da die Erfüllung der Zusage regelmäßig nicht in Betracht kommen wird, wäre insoweit Schadensersatz zu leisten. Und damit nicht genug: Im Einzelfall dürften auch arbeitsrechtliche Maßnahmen des Unternehmens gegenüber der Führungskraft in Betracht kommen, insbesondere etwa der Auspruch einer Abmahnung.