Seit einigen Jahren taucht der Begriff des Fachkräftemangels immer wieder in der deutschen Medienlandschaft auf. Was sich in der Praxis für die Bewerber durchaus als Vorteil darstellen kann, ist für diejenigen, die auf der Suche nach guten Arbeitskräften sind, eine Herausforderung. Hinzukommt, dass es nicht alle Bewerber mit der Wahrheit so genau nehmen, wenn es um ihre berufliche Qualifikation geht. Welche straf- oder arbeitsrechtlichen Möglichkeiten stehen einem Arbeitgeber offen, wenn ein Bewerber im Rahmen seiner Bewerbung „manipulierte“ oder „geschönte“ Unterlagen verwendet?
Schriftliche Lüge = Urkundenfälschung?
Im Jahr 2016 ging der Fall einer Bundestagsabgeordneten durch die Presse. Diese hatte sowohl ihr Abiturzeugnis, als auch die Zeugnisse zweier juristischer Staatsexamina gefälscht und in ihrem Lebenslauf falsche Angaben zu ihrer beruflichen Laufbahn gemacht. Als dieses Vorgehen bekannt wurde, legte sie ihre Parteiämter und ihr Bundestagsmandat nieder. Zu einem Strafverfahren kam es nicht.
Ein solches Ausmaß an Falschangaben ist sicherlich ein Sonderfall. Dennoch zeigt die arbeitsrechtliche Praxis, dass gefälschte Zeugnisse und falsche Angaben im Lebenslauf immer wieder vorkommen.
Hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen manipulierter Bewerbungsunterlagen ist zwischen der Manipulation eines Abschluss- oder Arbeitszeugnisses und einer Lüge im Lebenslauf zu unterscheiden:
Wenn ein Bewerber beispielsweise die Tätigkeit oder die Beurteilung seiner Leistung bei seinem vorherigen Arbeitgeber durch Manipulation des Arbeitszeugnisses verfälscht, so begeht er eine Urkundenfälschung. Gemäß § 267 StGB liegt eine Urkundenfälschung vor, wenn jemand zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht. Dabei kommt es darauf an, dass durch die Herstellung oder Verfälschung der Urkunde bei Dritten der Eindruck erweckt wird, der aus der Urkunde hervorgehende Aussteller habe die in der Urkunde enthaltene Erklärung in dieser Form abgegeben. Hinzu kommt eine mögliche Strafbarkeit wegen (versuchten) Betrugs gemäß § 263 StGB. Sowohl die Urkundenfälschung als auch der Betrug werden jeweils mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Hingegen handelt es sich bei unwahren Angaben im Lebenslauf zunächst lediglich um eine – im strafrechtlichen Sinne – straflose schriftliche Lüge. Kommt es aufgrund der unwahren Tatsachenbehauptung indes zu einer Einstellung, so kann auch in diesem Fall eine Strafbarkeit wegen Betrugs vorliegen.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen gefälschter Bewerbungsunterlagen
Neben der Möglichkeit, Strafanzeige gegen den Bewerber oder Arbeitnehmer zu stellen, stellt sich für den Arbeitgeber die Frage, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen die Verwendung manipulierter Bewerbungsunterlagen haben kann.
Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrages
Das LAG Baden-Württemberg hat im Jahr 2006 entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung auch noch nach mehrjähriger Tätigkeit des Arbeitnehmers anfechten kann, wenn der Arbeitnehmer gefälschte Zeugnisse vorgelegt hat und diese Grundlage für die Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers waren (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 13. Oktober 2006 – 5 Sa 25/06).
Der klagende Arbeitnehmer hatte sich im Jahr 1997 mit Ausbildungszeugnissen bei der Beklagten beworben, in denen er die Abschlussnoten von „ausreichend“ und „befriedigend“ auf „befriedigend“ und „gut“ geändert hatte. Die beklagte Arbeitgeberin war im November 2005 – somit acht Jahre nach der Einstellung – auf die Fälschung aufmerksam geworden. Daraufhin focht sie das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB an und sprach gegenüber dem Kläger sowohl eine außerordentliche als auch hilfsweise eine ordentliche Kündigung aus. Das LAG führte aus, der Kläger habe die Beklagte durch Vorlage des gefälschten Zeugnisses getäuscht und wahrheitswidrig bessere theoretische und praktische Berufskenntnisse vorgespiegelt. Er habe auch arglistig gehandelt. Dies ist der Fall, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit seiner Angaben kennt und zumindest billigend in Kauf nimmt, der Erklärungsempfänger könnte durch die Täuschung beeinflusst werden. Zudem sei die Vorlage des Zeugnisses auch kausal für den Abschluss des Arbeitsvertrags gewesen, wobei Mitursächlichkeit ausreiche. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass sie täglich eine Vielzahl von Bewerbungen erhalte und zunächst auf Grundlage der Bewerbungsunterlagen eine Vorauswahl treffe. Anschließend lade sie die besten Bewerber zu Gesprächen ein. Somit sei die falsche Notenangabe jedenfalls mitursächlich für die Einstellung des Klägers gewesen.
Kein Verstoß gegen Treu und Glauben bei Anfechtung nach mehrjähriger Tätigkeit
Das LAG nahm ferner an, die Rechtslage der Beklagten sei auch zum Zeitpunkt der Anfechtung noch beeinträchtigt gewesen. Deshalb liege kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor. Die Beklagte habe ein schützenswertes Interesse daran, dass die ihr im Rahmen einer Bewerbung vorgelegten Zeugnisse, mit denen ein Arbeitnehmer seine Qualifikation nachweisen wolle, diese auch tatsächlich wiedergeben. Nur dies ermögliche ihr einen fairen Vergleich des Klägers mit anderen Bewerbern. Zudem berücksichtigte das Gericht, dass es nicht auszuschließen sei, dass Außenstehende davon erfahren könnten, dass die Beklagte Mitarbeiter weiterbeschäftigte, die sich ihre Einstellung durch gefälschte Zeugnisse erschlichen haben.
Schadensersatz wegen Betrugs
In einer Entscheidung des LAG Köln aus dem Jahr 2000 wurde ein Arbeitnehmer, der sich seine Einstellung ebenfalls durch die Vorlage eines gefälschten Zeugnisses erschlichen hatte, zur Rückzahlung der Vergütung verurteilt (LAG Köln, Urteil v. 16. Juni 2000 – 11 Sa 1511/99). Der beklagte Arbeitnehmer hatte der klagenden Arbeitgeberin im Rahmen seiner Bewerbung im Januar 1999 ein gefälschtes Arbeitszeugnis über die Tätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber vorgelegt. Anstelle der tatsächlich ausgeübten Wartungs- und Reparaturarbeiten gab er sich als ehemaliger Filialleiter aus. Nach einer nur einen Monat andauernden Tätigkeit kündigte der Arbeitnehmer selbst. Kurz darauf focht die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag an und verlangte die Rückzahlung des Gehalts. Die Leistung des Beklagten sei für die Klägerin unverwertbar gewesen. Das LAG gab der Arbeitgeberin recht. Der Beklagte musste das Gehalt zurückzahlen, da er durch die Vorlage des gefälschten Zeugnisses einen Betrug gegenüber der Klägerin begangen hatte und seiner Tätigkeit für die Klägerin bei dieser nicht zu entsprechenden Einnahmen geführt hatte (sog. Vorteilsausgleichung).
Praxishinweise
In Zeiten hochauflösender Scanner und guter Farbdrucker sind Manipulationen von Zeugnisses leicht herzustellen und häufig nicht ohne weiteres zu erkennen. Neben einer erhöhten Wachsamkeit bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen könnten Arbeitgeber ihre Bewerber auffordern, zum Bewerbungsgespräch ihre Originalzeugnisse mitzubringen. Wenn ein Arbeitgeber von der Fälschung eines Zeugnisses erfährt, kann er den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und dem Arbeitnehmer möglicherweise außerordentlichen kündigen. Hierbei sind natürlich die Fristen des § 124 Abs. 1 BGB bzw. § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB einzuhalten. Ein Arbeitgeber sollte daher zur Sicherheit kurzfristig reagieren. Zusätzlich kommt unter Umständen ein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer in Betracht.
Sowohl für die Anfechtung als auch für die Kündigung und mögliche Schadensersatzforderungen ist es erforderlich, dass dem Arbeitgeber die gefälschten Unterlagen vor der Entscheidung über die Einstellung vorlagen. Ansonsten fehlt es an der erforderlichen Kausalität.
Neben arbeitsrechtlichen Maßnahmen ist die Stellung von Strafanzeige und Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft möglich. Strafrechtliche Konsequenzen sind auch dann möglich, wenn es aufgrund der manipulierten Bewerbungsunterlagen gar nicht erst zum Abschluss eines Arbeitsvertrages kommt.