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Allgemein Arbeitsrecht 4.0

Populäre Rechtsirrtümer im Arbeitsrecht – Teil 1

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Populäre Irrtümer

Für das Arbeitsrecht fehlt in Deutschland ein Arbeitsgesetzbuch, in dem alle arbeitsrechtlichen Gesetze gebündelt sind. Stattdessen sind die für das Arbeitsverhältnis relevanten Regelungen in einer Vielzahl von Gesetzen vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz über das Bundesurlaubsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch bis hin zum Tarifvertragsgesetz verstreut. Außerdem hat die Arbeitsgerichtsbarkeit angesichts der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und der fehlenden Kodifikation wichtiger Teile des Arbeitsrechts zum Teil eigene Rechtsregeln und Rechtsinstitute entwickelt. Aus diesen Gründen bestehen im deutschen Arbeitsrecht eine Vielzahl von Rechtsirrtümern, die per „Mund-zu-Mund-Propaganda“ weitergegeben, statt kritisch geprüft werden. Diese Blog-Serie soll populäre Rechtsirrtümer unter die Lupe nehmen und aufdecken.

Arbeitsrechtliche Vorschriften sind für den Laien schwer auffindbar und schwer zu durchschauen. Dies führt in nahezu allen Bereichen zu populären Rechtsirrtümern. Diese betreffen den vermeintlichen Abfindungsanspruch eines gekündigten Arbeitnehmers, die Wahrheitspflicht im Vorstellungsgespräch, die Anzahl erforderlicher Abmahnungen vor Ausspruch einer Kündigung, Formerfordernisse beim Abschluss eines Arbeitsvertrags und bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, Kündigungsschutz ohne Probezeit, die Bezahlung von Überstunden, die Klagefrist und die Kostentragung bei einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Die nach unserer Erfahrung 15 häufigsten Rechtsirrtümer werden wir im Rahmen einer Serie vorstellen und aufklären.


Platz 15: Nur schriftliche Arbeitsverträge sind wirksam

Falsch! Ein Arbeitsvertrag ist auch dann wirksam, wenn sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer mündlich über die wesentlichen Vertragsbestandteile geeinigt haben. Hierzu zählen neben den Vertragsparteien auch Art und Beginn der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit. Weiterhin müssen sich die Arbeitsvertragsparteien einig sein, dass die Arbeitsleistung vergütet werden soll. Legen die Arbeitsvertragsparteien die Höhe der Vergütung nicht fest, ist gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Auch Umfang und Dauer der Arbeitszeit werden üblicherweise ausdrücklich vereinbart, können sich aber auch aus den Umständen wie bspw. der betriebsüblichen Arbeitszeit ergeben. Weitere Regelungen, die etwa die Art und Weise der Leistungserbringung betreffen, kann der Arbeitgeber auch später noch über das ihm zustehende Weisungsrecht treffen.

Das Nachweisgesetz verpflichtet allerdings den Arbeitgeber dazu, den Inhalt der wesentlichen vereinbarten Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, und zwar nicht nur im Falle der erstmaligen Aufnahme des Arbeitsverhältnisses, sondern auch für alle nachfolgenden Änderungen. Hierzu zählen bspw. Angaben zum Beginn des Arbeitsverhältnisses, dem Arbeitsort, zur Zusammensetzung und der Höhe des Arbeitsentgelts, zu den Kündigungsfristen etc. Der Nachweis dient der Beweissicherung über die vereinbarten Arbeitsbedingungen. Er ist jedoch keine Voraussetzung für ein wirksames Arbeitsverhältnis.

Platz 14: Im Vorstellungsgespräch muss der Bewerber immer die Wahrheit sagen

Falsch! Nur eine Frage, die der Arbeitgeber auch stellen darf, muss der Arbeitnehmer wahrheitsgemäß beantworten. Bei unzulässigen Fragen hat der Arbeitnehmer hingegen ein Recht zur Lüge. So sind bspw. Fragen nach einer Schwangerschaft oder zur Familienplanung generell unzulässig. Unzulässig sind weiter Fragen nach Krankheiten, die nicht die Eignung für die offene Stelle betreffen. Nach anhängigen Ermittlungs- und Strafverfahren darf der öffentliche Arbeitgeber einen Bewerber um ein öffentliches Amt befragen, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann. Derartige Zweifel bestehen bspw. nach der Rechtsprechung bei einem Bewerber um die Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an einem Lehrstuhl für Strafrecht, gegen den ein Strafverfahren wegen falscher Versicherung an Eides Statt gemäß § 156 StGB anhängig ist. Einen Bewerber für eine Stelle als Kraftfahrer darf der Arbeitgeber nach einem bei Dienstantritt noch bestehendem Entzug der Fahrerlaubnis oder nach Vorstrafen wegen begangener Verkehrsstraftaten fragen. Der Bewerber müsste hierauf wahrheitsgemäß antworten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Vorstrafe in das Führungszeugnis des Bewerbers aufgenommen wurde. Dies ist bspw. bei Verurteilungen zu Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen der Fall (vgl. im Einzelnen § 32 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz). Nach Vorstrafen wegen begangener Vermögensdelikte darf der Arbeitgeber den Bewerber für eine Stelle als Kraftfahrer hingegen nicht fragen. Sollte er es dennoch tun, müsste der Bewerber nicht wahrheitsgemäß antworten.

Platz 13: Wird im Arbeitsvertrag keine Probezeit vereinbart, besteht sofort Kündigungsschutz

Falsch! In der Probezeit hat der Arbeitgeber Gelegenheit, die Eignung des Arbeitnehmers zu überprüfen. Aber auch der Arbeitnehmer kann während dieser Zeit entscheiden, ob die zu erfüllenden Aufgaben und die Verhältnisse im Betrieb seinen Erwartungen entsprechen. Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine ausdrückliche Probezeit vereinbart haben, findet das Kündigungsschutzgesetz erst Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat und außerdem in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Arbeitgeber keine Regelung zur Probezeit in den Arbeitsvertrag aufgenommen hat. Selbstverständlich können sich die Arbeitsvertragsparteien aber darauf einigen, dass das Kündigungsschutzgesetz vom ersten Tag an für das Arbeitsverhältnis gelten soll.

Ohne Auswirkungen ist es dennoch nicht, wenn im Arbeitsvertrag keine Probezeit vereinbart wurde. In diesem Fall gilt nach dem Gesetz ab dem ersten Tag eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats (vgl. § 622 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Wird hingegen eine Probezeit längstens für die Dauer von sechs Monaten vereinbart, kann das Arbeitsverhältnis nach dem Gesetz mit einer kürzeren Frist von zwei Wochen gekündigt werden (vgl. § 622 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch).

Fazit

Als Ergebnis lässt sich damit für den ersten Teil der Serie zu populären Rechtsirrtümern im Arbeitsrecht festhalten, dass auch mündliche Arbeitsverträge wirksam sind und ein Bewerber im Vorstellungsgespräch nicht immer die Wahrheit sagen muss. Kündigungsschutz besteht erst, wenn dies im Arbeitsvertrag ausdrücklich geregelt ist oder wenn der Arbeitnehmer länger als sechs Monate beschäftigt ist und dem Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer angehören.

Dr. Julia Christina König

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht
Counsel
Julia König berät Arbeitgeber sowohl zu Fragen des Arbeit­neh­mer­da­ten­schut­zes als auch im Umstruk­tu­rie­rungkontext. Besondere Expertise besitzt sie im Bereich von Unter­neh­men in kirchlicher Trä­ger­schaft sowie aus dem Gesund­heits­sek­tor.
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