In unserem Blog vom 5. Dezember 2016 hatten wir uns mit der Vergütung von Fahrtzeiten von Betriebsratsmitgliedern befasst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in einer Entscheidung vom 27.7.2016 unter Hinweis auf das Lohnausfallprinzip und die Grundsätze des § 37 BetrVG entschieden, dass Fahrtzeiten des Betriebsratsmitglieds von zu Hause in den Betrieb außerhalb der Arbeitszeit nicht vergütungspflichtig sind. Nun hatte das BAG erneut über Vergütungsfragen von Betriebsratsmitgliedern zu entscheiden, dieses Mal allerdings – deutlich umfangreicher – zum Urlaubsentgelt, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, zum Begünstigungsverbot von Betriebsratsmitgliedern und zu den Voraussetzungen einer Rückforderung von rechtsirrtümlich an ein Betriebsratsmitglied geleisteten Zahlungen (Urteil vom 8.11.2017 – 5 AZR 11/17).
Worum ging es genau?
Das Betriebsratsmitglied, ein Zeitungszusteller mit Stücklohnvergütung, war in einer Sechs-Tage-Woche und einer wöchentlichen Arbeitszeit von sechs Stunden für den Arbeitgeber tätig. Da die Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds bis morgens 6:00 Uhr zu erbringen war, erfolgte dessen gesamte Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit. Deshalb war das Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG entsprechend von der Arbeit zu befreien. Da die Betriebsratstätigkeit sehr umfangreich war, führte die dafür zu gewährende Arbeitsbefreiung dazu, dass tatsächlich seit einiger Zeit keinerlei Zustelltätigkeiten mehr durch das Betriebsratsmitglied erfolgten.
Für den auch streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2015 erbrachte der Arbeitgeber Aufstockungszahlungen zur Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs, der aufgrund der Stücklohnvereinbarung ansonsten nicht erreicht worden wäre. Soweit außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratsarbeit nicht in Freizeit ausgeglichen werden konnte, zahlte der Arbeitgeber an das Betriebsratsmitglied pauschal 18,07 Euro brutto je Stunde. Da diese Zahlungen bei der Berechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung nicht berücksichtigt wurden, erhob das Betriebsratsmitglied Klage.
Nun wird es noch komplizierter: Im Verlauf des Rechtsstreites hatte der Arbeitgeber Nachberechnungen vorgenommen und aufgrund dessen Nachzahlungen geleistet. Nach erneuter Überprüfung war der Arbeitgeber der Ansicht, dass die Nachberechnungen unzutreffend waren und forderte die Nachzahlungen per Widerklage zurück.
Wer hatte nun recht? Einer oder doch keiner?
Zwar hat das BAG auf die Revision des Arbeitgebers die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, es kann in der Sache aber nicht selbst entscheiden, sodass es dem LAG umfangreiche rechtliche Hinweise erteilen musste.
Höhe des Urlaubsentgelts
Das Urlaubsentgelt bemisst sich bei jedem Arbeitnehmer nach dem Zeitfaktor gemäß § 1 BUrlG und nach dem Geldfaktor gemäß § 11 BUrlG. Für den Zeitfaktor ist entscheidend, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich angefallen wären, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs gearbeitet hätte. Hierzu zählen auch die im Freistellungszeitraum anfallenden Überstunden. Dagegen ist für den Geldfaktor entscheidend, welchen Arbeitsverdienst der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG. Bei Betriebsratsmitgliedern allerdings kommt § 37 Abs. 3 BetrVG hinzu. Da diese zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegenden Aufgaben verpflichtet sind, müssen nach Auffassung des BAG die Zeiten der Betriebsratstätigkeit wie Arbeitszeit im Sinne von § 1 BUrlG behandelt werden und sind daher beim Zeitfaktor im Rahmen der Berechnung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen. Dies gelte auch, wenn es sich hierbei um Überstunden handelt. Die Abgeltung im Sinne von § 37 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BetrVG sei jedenfalls dann beim Geldfaktor zu berücksichtigen, wenn keine Überstundenzuschläge gezahlt würden.
Rückforderung der Zahlungen – ja, nein, ja
Anders als dem LAG war dem BAG aufgefallen, dass die pauschale Abgeltung von Zeiten der Betriebsratstätigkeit i.H.v. 18,07 Euro pro Stunde aller Voraussicht nach eine unzulässige Begünstigung gemäß § 78 S. 2 BetrVG darstellt. Diese Pauschale war mehr als doppelt so hoch wie der gesetzliche Mindestlohn, zu dessen Erreichung der Arbeitgeber noch Aufstockungszahlungen an das Betriebsratsmitglied leisten musste. Die Vereinbarung über die Pauschalierung wäre dann wegen des Verstoßes gegen § 78 S. 2 BetrVG gemäß § 134 BGB nichtig. Dies hat zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied zur Rückzahlung im Sinne von § 817 S. 1 BGB verpflichtet wäre – denn mit der Annahme der Zahlung wäre gegen eine gesetzliches Verbot verstoßen worden -, der Arbeitgeber wäre mit der Rückzahlungswiderklage erfolgreich. Aber: Eine Rückforderung ist gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn dem Leistenden – hier dem Arbeitgeber – gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, also doch keine Rückforderung? Das BAG schränkt den Rückforderungsausschluss hier ein, weil ansonsten bei einem Verstoß gegen das Begünstigungsverbot das Betriebsratsmitglied stets die zu Unrecht erhaltene Zahlung behalten dürfte. Dies leuchtet ein.
Höhe der Entgeltfortzahlung
Zum fortzuzahlenden Entgelt bei Krankheit gehört gemäß § 4 Abs. 1a EFZG nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt. Überstunden in diesem Sinne liegen dann vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Zu dem zusätzlich für Überstunden gezahlten Entgelt zählen nicht nur Überstundenzuschläge, auch die Grundvergütung für die Überstunden wird in diesem Sinne zusätzlich zum normalen Entgelt gezahlt. Hiervon gibt es allerdings eine Ausnahme: Wenn ein Arbeitnehmer ständig eine Arbeitszeit leistet, die über seine individuelle Arbeitszeitdauer hinausgeht, kann nicht mehr von Überstunden gesprochen werden, sodass dann als geschuldete Arbeitszeit ein durchschnittlicher Wert zu ermitteln ist (BAG, Urt. v. 9. Juli 2003 – 5 AZR 611/01). Das BAG setzt nun hierauf auf und stellt fest, dass für ständig außerhalb der individuellen Arbeitszeit geleistete Betriebsratsarbeit diese Grundsätze entsprechend gelten und sie damit an sich dem Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1a EFZG unterliegt. Die Betriebsratstätigkeit sei jedoch dann als Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG zu behandeln, wenn aufgrund der ständigen Betriebsratstätigkeit zusätzlich zur Arbeitszeit eine bezahlte Arbeitsbefreiung im Sinn von § 37 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt werden kann, so dass auf diese Weise doch eine Berücksichtigung bei der Entgeltfortzahlung erfolgen kann.
Was müssen Arbeitgeber nun beachten?
- Abgeltung für Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit muss bei der Berechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung nicht notwendigerweise in gleicher Weise berücksichtigt werden.
- Es ist vielmehr sorgfältig zu ermitteln, ob durch Ausgleichszahlungen und den Umfang der Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 3 S. 3 BetrVG die jeweilige Entgelthöhe anzupassen ist.
- Vereinbarungen von Pauschalvergütungen zur Abgeltung von Betriebsratsarbeit außerhalb der Arbeitszeit im Sinne von § 37 Abs. 3 S. 3 Halbsatz 2 BetrVG müssen unterbleiben. Sind diese zu hoch, liegt ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot vor, sind sie zu niedrig liegt ein solcher gegen das Benachteiligungsverbot vor, beides folgt aus § 78 S. 2 BetrVG darstellt.