Viele Arbeitgeber versprechen Sonderzahlungen neben dem laufenden Arbeitsentgelt. Um auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens reagieren zu können, sollen die Sonderzahlungen möglichst flexibel gewährt werden können. Mit der Frage, in welcher Form dies geschehen kann, haben sich die Arbeitsgerichte regelmäßig zu beschäftigen. Jüngst urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 23.08.2017 – 10 AZR 97/17) über eine Weihnachtsgratifikation, die sowohl als „freiwillig“ bezeichnet wurde als auch ein Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin vorsah.
Was war passiert?
Die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin stritten über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung gezahlt wird, die jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein Monatsgehalt nicht übersteigt.
Bis einschließlich des Jahres 2013 leistete die Arbeitgeberin an die Arbeitnehmerin jährlich die Sonderzahlung in Höhe eines ganzen Monatsgehalts. Eine Hälfte wurde als Vorschuss im Mai und die anderen Hälfte im November gezahlt. Im Mai 2014 zahlte die Arbeitgeberin noch die halbe Weihnachtsgratifikation als Vorschuss. Die zweite Hälfte wurde hingegen nicht gezahlt, da der Arbeitgeberin ansonsten ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern drohte.
Entscheidung des BAG
Das BAG entschied, dass die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf die Auszahlung des eingeklagten Betrages in Höhe eines halben Monatsgehaltes hatte.
Freiwilligkeitsvorbehalt
Dies lag allerdings nicht an der Formulierung des Arbeitsvertrages, nach der die Weihnachtsgratifikation eine „freiwillige Leistung“ sei. Denn das BAG blieb seiner Linie zum Freiwilligkeitsvorbehalt in allgemeinen Geschäftsbedingungen treu. Dementsprechend stellte es auch in dieser Entscheidung fest, dass in allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie dem Arbeitsvertrag der betroffenen Arbeitnehmerin – eine Sonderzahlung nicht zugleich versprochen und unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden könne. Durch die Wortwahl
„Zusätzlich zum Grundgehalt wird … eine Weihnachtsgratifikation gezahlt“
habe die Arbeitgeberin einen Anspruch begründet, der durch den Zusatz „freiwillige Leistung“ nicht flexibilisiert werden könne. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist in einer solchen Klausel, die einen Anspruch begründet, unwirksam, weil er widersprüchlich und intransparent ist (BAG, Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07).
Ausweg: Leistungsbestimmungsrecht
Vielmehr verhinderte das Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberin den Anspruch der Arbeitnehmerin. Indem der Arbeitsvertrag die Höhe der Weihnachtsgratifikation nicht festlegte, sondern vielmehr regelte, dass diese jährlich durch die Arbeitgeberin bekanntgegeben würde, wurde die Höhe des Anspruchs in das billige Ermessen der Arbeitgeberin gestellt, § 315 BGB. Dies ist nach der Rechtsprechung des BAG zulässig. Ob die von der Arbeitgeberin vorgenommene Leistungsbestimmung allerdings tatsächlich billigem Ermessen entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.
Der weiteren flexiblen Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts der Arbeitgeberin stand es nicht entgegen, dass die Weihnachtsgratifikation in der Vergangenheit stets in Höhe eines vollen Monatsgehalts gewährt worden war. Die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts in der Vergangenheit hatte keine Konkretisierung für die Zukunft zur Folge.
Es entstand durch die gleichmäßige Gewährung der Weihnachtsgratifikation in voller Höhe in der Vergangenheit keine betriebliche Übung, die einen entsprechenden Anspruch der Arbeitnehmerin zur Folge hatte. Denn eine betriebliche Übung kann nach der Rechtsprechung des BAG nur entstehen, wenn die Arbeitgeberin nicht erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht leistet. Erbringt die Arbeitgeberin die Leistung für die Arbeitnehmerin erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann die Arbeitnehmerin nicht davon ausgehen, ihr solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall gewährte die Arbeitgeberin die Leistung – die Weihnachtsgratifikation – eindeutig auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und die Arbeitnehmerin konnte daher nicht davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin einen von dieser arbeitsvertraglichen Klausel unabhängigen Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehaltes begründen wollte.
Das BAG kam schlussendlich zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberin bei der Reduktion der Weihnachtsgratifikation auf ein halbes Monatsgehalt billig im Sinne des § 315 BGB gehandelt hatte. Denn sie hatte im Einzelnen dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zu der Entscheidung veranlasst haben und hatte dargestellt, dass nach der prognostischen Berechnung das Betriebsergebnis vor Steuern zum Jahresende im vierstelligen Bereich unter null gelegen hätte, falls die zusätzlichen Mittel für die Auszahlung der Weihnachtsgratifikationen aufgewendet worden wären.
Fazit
Das BAG schwächt mit dieser Entscheidung weiterhin den Freiwilligkeitsvorbehalt, stärkt aber gleichzeitig den Anreiz, Sonderzahlungen in das Ermessen des Arbeitgebers zu stellen. Hierdurch kann für Arbeitgeber eine gewisse, begrüßenswerte Flexibilität gesichert werden. Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitgeber sich durch diese Gestaltung vertraglich bindet und seine Ermessensentscheidung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Eine Reduzierung der Leistung auf „Null“ wird dann nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sein.