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High Potential: Individueller Bonus in der Entgelttransparenz

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Möhre Bonus

Das Entgelttransparenzgesetz („EntgTranspG“) ist seit dem 6. Januar 2018 scharf gestellt. Arbeitnehmer dürfen seitdem Auskunft darüber verlangen, was Kollegen des anderen Geschlechts verdienen. Unternehmen sind gut gerüstet. Sie suchen und finden gleichwertige Tätigkeiten, rechnen Teilzeit auf Vollzeit hoch und wissen, wie man Mediane ermittelt. Probleme bereiten allenfalls einzelne Vergütungsbestandteile, noch dazu, wenn diese variabel sind: Zählt die maximal erreichbare oder die tatsächlich erreichte Verkaufsprovision? Was ist ein „fairer“ Vergleich zwischen Vollzeit- und Teilzeitmitarbeiter?

Auf das Potential kommt es an – oder?

Um eine Auskunftsanfrage nach dem EntgTranspG zu beantworten, muss der Arbeitgeber drei Dinge tun:

  1. die Mitarbeiter des anderen Geschlechts identifizieren, die einer gleichwertigen Tätigkeit nachgehen;
  2. das Durchschnittsentgelt dieser Mitarbeiter in den letzten 12 Monaten ermitteln und ggf. auf das Vollzeitentgelt hochrechnen;
  3. aus diesen Durchschnittsentgelten den Median ermitteln.

Bei Schritt zwei gilt: Als Entgelt wird gezählt, was auf der Gehaltsabrechnung erscheint und der Lohnsteuer unterliegt. Schwieriger wird es bei variabler Vergütung. Es ist denkbar, dass ein Teilzeit-Vertriebsmitarbeiter und eine Vollzeit-Vertriebsmitarbeiterin vertraglich ein „chancengleiches Provisionspotential“ vereinbart haben. Trotzdem erwirtschaftet vielleicht der Teilzeit-Vertriebler verhältnismäßig weniger Provision als die Vollzeit-Vertrieblerin – zum Beispiel, weil er in der verkürzten Arbeitszeit nur eine kleinere Anzahl Kunden abdecken kann und sich somit auch das Vertriebspotential verringert. Die Versuchung ist groß, die Situation zu bereinigen und nur das „chancengleiche Provisionspotential“ bei der Durchschnittsberechnung zu berücksichtigen. Technisch ist das falsch. Es darf stattdessen allein das Ist-Gehalt in den Durchschnitt einfließen. Beklagt der Mitarbeiter eine Ungleichbehandlung, ist es erst eine Frage der Rechtfertigung, ob sachliche Gründe (z.B. kleinere Kundenanzahl) eine möglicherweise unterschiedliche Vergütung rechtfertigen.


Der Median – wie weniger auch mehr sein kann

Aus dem ungleichen Durchschnittsentgelt folgt noch lange keine Ungleichbehandlung, gegen die sich ein Mitarbeiter wenden könnte. Vielmehr stehen die Chancen gut, dass sich ungleiche Durchschnittswerte hinter dem „Median“ verstecken können. Nur diesen Median, den „um Ausreißer bereinigten“ mittleren Wert, müssen Unternehmen nach dem EntgTranspG mitteilen. Die Auskunft ist damit relativ kraftlos: Entweder liegt das eigene Gehalt unter dem statistischen Median der Vergleichsgruppe oder nicht. In beiden Fällen fehlt aber eine Angabe darüber, wie die Gehälter innerhalb der Geschlechtergruppe verteilt sind, wo der Durchschnitt liegt und ob sich daraus tatsächlich eine Ungleichbehandlung ergibt. Unternehmen können und sollten – je nach Ergebnis der Berechnungen – freiwillig zusätzliche Angaben machen, zum Beispiel über das Durchschnittsentgelt oder die Gehaltsbandbreite innerhalb der Vergleichsgruppe. So lässt sich vermeiden, dass Mitarbeiter aufgrund einer nur scheinbaren Diskriminierung rechtliche Schritte gegen den Arbeitgeber einleiten oder für Unruhe innerhalb der Belegschaft sorgen.

Was passiert nach einer „kritischen“ Auskunft?

Mitarbeiter, die die „kritische“ Auskunft erhalten, dass ihr Gehalt unter dem Median der Vergleichsgruppe liegt, suchen im EntgTranspG vergeblich nach Hilfe.  Es findet sich dort keine Anspruchsgrundlage, nach welcher der Mitarbeiter Schadensersatz, Lohnanpassung oder ähnliches verlangen könnte. Er muss – ab diesem Punkt wohl nur noch mit Hilfe eines Anwalts – auf allgemeine Grundsätze des Diskriminierungsrechts zurückgreifen. Der Mitarbeiter kann sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beziehen und seine Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend machen. In diesem Prozess wird der Mitarbeiter behaupten, er wurde aufgrund seines Geschlechts bei der Gehaltszahlung benachteiligt. Hierfür muss er allerdings Indizien beweisen und darf – hier kommt die Krux – nicht allein auf den mitgeteilten Median zurückgreifen. Es müssen vielmehr noch ergänzende Umstände, wie zum Beispiel ein gänzlich intransparentes Vergütungssystem vorliegen.

Rechtfertigung ist möglich!

Für den Fall, dass dem Mitarbeiter der Indiziennachweis gelingt, ist das Unternehmen an der Reihe: Es muss darlegen und beweisen, dass es zwischen dem Geschlecht und den unterschiedlichen Gehältern keinen Zusammenhang gibt. Das gelingt, wenn das Unternehmen im Einzelfall begründen kann, warum A mehr Gehalt als B bekommt. Eine erfolgreiche Rechtfertigung kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass bei der Vergütung die Betriebszugehörigkeit, besondere Kenntnisse oder akademische Abschlüsse eine Rolle spielen. Aber auch die Gehaltsforderungen beim Einstieg oder das Verhandlungsgeschick des Mitarbeiters sind zulässige Kriterien einer ungleichen Vergütung. Auch im Fall unserer Vertriebsmitarbeiter könnte das Unternehmen jetzt das „chancengleiche Provisionspotential“ ins Feld führen und die tatsächlichen Gehaltsunterschiede mit der Anzahl der Kunden rechtfertigen.

Katja Giese, LL.M.

Rechtsanwältin
Fach­an­wäl­tin für Arbeitsrecht / Attorney-at-Law (NY)
Partner
Katja Giese berät Arbeitgeber vor allem in Zusam­men­hang mit inter­na­tio­na­len Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen, der anschlie­ßenden Integration und Umstruk­tu­rie­run­gen. Sie verfügt außerdem über umfassende Erfahrungen im inter­na­tio­na­len Projektmanagement. Katja Giese ist zugelassen als Attorney-at-Law (NY) in den Vereinigten Staaten, wo sie Teile ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn verbrachte. Besondere Branchenkenntnis besitzt sie im Technologiesektor.
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