Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten des Betriebsrats. Hierzu zählen regelmäßig auch die Kosten, die der gerichtlichen Verfolgung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats dienen. So weit, so gut. Aber muss der Arbeitgeber auch die Anwaltsgebühren für ein Rechtsmittel des Betriebsrats bezahlen, das trotz offensichtlicher Erfolgslosigkeit ausschließlich aus taktischen Erwägungen eingelegt wird? Das BAG hat diese Frage in einer aktuellen Entscheidung verneint (Beschluss v. 22.11.2017 – 7 ABR 34/16). Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor.
Worum ging es?
Im März 2013 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin ein Betriebsrat neu gewählt. Die Wahl wurde arbeitsgerichtlich angefochten. Das Arbeitsgericht erklärte die Wahl für unwirksam. Das Landesarbeitsgericht wies die hiergegen eingelegte Beschwerde zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nicht zu.
Hiergegen legte der vom Betriebsrat für die Vertretung im Wahlanfechtungsverfahren beauftragte Rechtsanwalt die Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG ein. Allerdings: Bereits bei Einlegung des Rechtsmittels stand fest, dass der Betriebsrat zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG kein Rechtsschutzinteresse haben würde; die Nichtzulassungsbeschwerde war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn parallel hierzu hatte der Betriebsrat bereits die Bildung eines Wahlvorstands zur Durchführung von Neuwahlen beschlossen. Daraufhin war schon während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ein neuer Betriebsrat gewählt worden, dessen Wahl nicht angefochten wurde. Demzufolge verwarf das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde erwartungsgemäß als unzulässig.
Ablehnung der Kostenerstattung für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
Die Arbeitgeberin erstattete die Kosten für die anwaltliche Vertretung des Betriebsrats in der ersten und zweiten Instanz, lehnte aber die Begleichung der Kostenrechnung des Rechtsanwalts für die Einlegung der offensichtlich aussichtslosen Nichtzulassungsbeschwerde ab. Dem Rechtsanwalt sei es in Ansehung der unmittelbar bevorstehenden Neuwahl des Betriebsrats nur noch um die Verwirklichung eines Gebührentatbestandes gegangen.
Der Rechtsanwalt des Betriebsrats verfolgte den Gebührenanspruch in einem anschließenden Beschlussverfahren gegen die Arbeitgeberin weiter. Er rechtfertigte die Einlegung der aussichtslosen Nichtzulassungsbeschwerde mit der beabsichtigten Hemmung der Rechtskraft infolge der Rechtsmitteleinlegung. Hätte er die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eingelegt, wäre die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom März 2013 in Rechtskraft erwachsen. Deshalb sei es dem Betriebsrat darum gegangen, mit der Einlegung des Rechtsmittels zumindest eine betriebsratslose Zeit bis zur bevorstehenden Neuwahl des Betriebsrats zu verhindern.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen den Antrag des Rechtsanwalts auf Begleichung seiner Kostenrechnung zurück. Nunmehr hat auch das BAG dem Begehren des Rechtsanwalts eine Absage erteilt.
Grundsatz: Die Kosten des Betriebsrats trägt der Arbeitgeber
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören nach ständiger Rechtsprechung des BAG (BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 95/07) auch die Honorarkosten eines Rechtsanwalts, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht nicht missachten (BAG v. 16. 4.2003 – 7 ABR 29/02). Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er gegebenenfalls bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten.
Aber: Keine Kostentragungspflicht bei Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit
Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt bei einer offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsverfolgung des Betriebsrats (BAG v. 19.3.2003 – 7 ABR 15/02). Offensichtlich aussichtslos ist die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats führen muss. Mutwilligkeit liegt vor, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht missachtet wird. Der Betriebsrat darf bei der Wahl der Rechtsdurchsetzung unter mehreren gleich geeigneten Möglichkeiten nur die für den Arbeitgeber kostengünstigere Lösung für erforderlich halten.
BAG: Keine Erstattung von Anwaltskosten für bloß taktisch motivierte Rechtsmittel
Vor diesem Hintergrund ging es beim BAG um die Frage, ob die Arbeitgeberin auch verpflichtet ist, die Honorarkosten des Rechtsanwalts eines Betriebsrats für die Einlegung eines Rechtsmittels zu übernehmen, wenn die Rechtsmitteleinlegung ausschließlich auf taktischen Erwägungen (nämlich Zeitgewinn) beruht. Die Vorinstanzen hatten diese Frage mit zutreffender Begründung verneint. Danach hätte der Betriebsrat zur Vermeidung unnötiger Kosten die Nichtzulassungsbeschwerde selbst einlegen können. Zwar wäre die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wegen des Anwaltszwangs unzulässig gewesen. Das alleinige taktische Ziel – Hemmung der Rechtskraft bis zur Durchführung der Neuwahl des Betriebsrats – hätte der Betriebsrat aber auch mit einer unzulässigen Nichtzulassungsbeschwerde ohne Anwaltsbeauftragung erreicht (LAG Düsseldorf v. 25.9.2015 – 6 TaBV 62/15). Dem hat sich das BAG nunmehr im Ergebnis angeschlossen und damit einer Kostentragungspflicht bei rein taktisch motivierten Rechtsmitteln eine Absage erteilt.
Folgen für die Arbeitgeberseite
Für die Arbeitgeberseite erhöht sich bereits mit diesem Ergebnis (die Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor) die Rechtssicherheit im oftmals schwer zu durchschauenden Dickicht der Kostenerstattung des Betriebsrats. Auch wenn in der Praxis die Honorarkosten des Rechtsanwalts eines Betriebsrats zur Vermeidung weiterer unnötiger Eskalationen gegebenenfalls großzügig „durchgewunken“ werden: Das Honorar eines Betriebsratsanwalts, der ein von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Rechtsmittel einlegt, ist vom Arbeitgeber auch dann nicht zu erstatten, wenn das Rechtsmittel auf taktischen Erwägungen des Betriebsrats beruht. Nicht anderes dürfte für die Anwaltskosten eines von Anfang an zum Scheitern verurteilten Beschlussverfahrens gelten, das ausschließlich aus taktischen Gründen (ggf. zur bloßen Druckerhöhung) gegen den Arbeitgeber eingelegt wird.
Zugleich bestätigt die Entscheidung des BAG die rote Linie der Kostenerstattung. Offensichtlich aussichtslos ist und bleibt die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats führen muss. Nunmehr steht fest: Daran ändern auch taktische Erwägungen des Betriebsrats nicht das Geringste.
Letztlich bekräftigt die aktuelle Entscheidung die gebotene Abwägung zwischen den Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und den berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits. Diese Abwägung sollten Betriebsräte bei ihrer Amtsausübung stets bedenken. Sie dürfen auf Kosten eines anderen handeln und haben deshalb die Maßstäbe einzuhalten, die sie gegebenenfalls bei eigener Kostentragung anwenden würden, wenn sie selbst bzw. ihre beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten.
Zu den „Kosten der Betriebsratsarbeit“ siehe außerdem den Beitrag in diesem Blog vom 5. Dezember 2016 von Stephanie Koch. Näheres zum „Stundenhonorar für den Rechtsanwalt des Betriebsrats“ finden Sie im Blogbeitrag vom 17. Mai 2017 von Maren Jantz LLM.