Sind die Vorbereitungen abgeschlossen (siehe Teil 1) und das Kick-off mit dem Betriebsrat erledigt (siehe Teil 2) starten bestenfalls kurzfristig die Interessenausgleichsverhandlungen. Arbeitgeber wollen die Verhandlungen meist schnell abschließen, damit sie die Restrukturierungsmaßnahmen umso früher umsetzen können. Betriebsräte hingegen zögern die Verhandlungen üblicherweise gerne hinaus. Sie wollen für „ihre Leute“ möglichst viel rausholen und fordern etwa, dass weniger Stellen als ursprünglich geplant abgebaut werden und den ausscheidenden Mitarbeitern hohe Abfindungen gezahlt werden. Wie kommt man da zusammen?
Einigung über Gesamtpaket?
Interessenausgleichsverhandlungen werden – obschon das Gesetz klar trennt – mit Sozialplanverhandlungen verbunden. Zugeständnisse des Betriebsrats hinsichtlich der geplanten Restrukturierungsmaßnahme werden häufig mit Forderungen nach einem höheren Sozialplanbudget verbunden – und umgekehrt. Manchmal gelingt den Betriebsparteien eine Einigung über ein Gesamtpaket. Häufig scheitert dies an zu hohen Forderungen der Betriebsräte.
Dabei können Arbeitgeber jedenfalls die Forderungen nach einer Anpassung der Restrukturierungsmaßnahmen gut parieren. Sie können die Interessenausgleichsverhandlungen nämlich für gescheitert erklären, zunächst in den freien Verhandlungen und sodann in der Einigungsstelle. Ab dem Scheitern in der Einigungsstelle können sie bereits mit der Restrukturierungsmaßnahme beginnen, während die Verhandlungen über den Sozialplan dann noch weiterlaufen. Aber der Reihe nach:
Wie können Arbeitgeber die Verhandlungen grundsätzlich beschleunigen?
Die Verhandlungen können sich über mehrere Monate ziehen oder auch nur wenige Wochen dauern. Dies ist für Arbeitgeber umso ärgerlicher, als die zu besprechenden Themen bei guter Vorbereitung und effizienter Umsetzung eigentlich in wenigen Tagen abzuhandeln wären. Mitbestimmungsfolklore, unnütze Fensterreden und theatralische Verhandlungsabbrüche verlängern jedoch den Prozess erheblich, was bisweilen insbesondere international agierenden Arbeitgebern schwer vermittelbar ist. Das System lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Zeit gegen Geld. Daraus kann gerade für Unternehmen im Dauerrestrukturierungsmodus (z.B. in Matrixstrukturen) ein Teufelskreislauf entstehen. Es werden hohe finanzielle Zugeständnisse gemacht, um die Umsetzung z.B. an die ausländische Konzernzerntrale zu reporten. Der Preis für ein solches Vorgehen ist – trotz internationaler Accountingstandards mit undurchschaubaren Restrukturierungsbudgets – sehr hoch: Dauersozialpläne mit Faktoren weit jenseits von 0,5/hohe Abfindungen, selbstbewusste Betriebsräte mit hohen zusätzlichen Forderungen bei Einzelmaßnahmen, nicht mitbestimmungspflichtige Extras wie Zustimmung des Betriebsrats bei jeder betriebsbedingten Kündigung. Sind Unternehmen einmal in einem solchen System gefangen, dauert es zumeist Jahre, um wieder in einen Modus zu gelangen, der schnelle, kooperative und hinsichtlich der Kosten realistische Pakete zu vereinbaren. Hierzu gehören viele Einzelschritte wie z.B.
- Konsequent nicht jeder Forderung des Betriebsrat auch im Tagesgeschäft nachgeben
- Signale setzen z.B. durch Anrufung der Einigungsstelle auch abseits von Restrukturierungen
- Just-do-it im vertretbaren Rahmen und sorgfältiger Abwägung der tatsächlichen und rechtlichen Risiken
- Optimierung der Betriebsratsstruktur
Solche Maßnahmen bringen Arbeitgeber langfristig in eine stärkere Verhandlungsposition und schaffen gerade bei unrealistisch agierenden Betriebsräten erst eine konstruktive Verhandlungsatmosphäre, die eine schnelle oder jedenfalls schnellere Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen ermöglicht, wenn sie benötigt werden.
Die Hausaufgaben müssen gemacht werden
Aber auch kleine Schritte können helfen und zu einem schnellen Abschluss beitragen. Hierzu gehört, dass Arbeitgeber dem Betriebsrat viele Verhandlungstermine innerhalb kurzer Zeit anbieten und insofern eine entsprechende Verfügbarkeit der Unternehmensvertreter sicherstellen. Zudem sollte jede Verhandlungsrunde intensiv vorbereitet und ein effizientes Projektmanagement aufgesetzt werden. Fragen der Arbeitnehmervertreter sollten antizipiert werden, damit Antworten direkt gegeben werden können. Je schneller die Informationsphase über die Hintergründe der Betriebsänderung abgeschlossen ist, desto früher können die Verhandlungen über die Details beginnen.
Kann der Arbeitgeber das Scheitern der Verhandlungen jederzeit erklären?
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen erklären, wenn er für sich – subjektiv – feststellt, dass eine Einigung nicht mehr in Betracht kommt. Der Betriebsrat kann die Erklärung des Scheiterns also nicht verhindern, wenn zuvor Verhandlungen stattgefunden haben.
Ganz risikolos ist die Erklärung des Scheiterns aus Sicht des Arbeitgebers allerdings nicht. Zwar kann er danach mit der Betriebsänderung beginnen. Wenn aber objektiv gar kein Scheitern vorlag, können Arbeitnehmer, die infolge der Umsetzung der Betriebsänderung wirtschaftliche Nachteile erlitten haben, diese gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Um derartige Nachteilsausgleichsansprüche zu vermeiden, sollten Arbeitgeber die Interessenausgleichsverhandlungen intensiv dokumentieren. So gelingt ihnen später der Nachweis, dass auch objektiv ein Scheitern der Verhandlungen vorlag und Nachteilsausgleichsansprüche nicht bestehen.
Macht eine Einigungsstelle Sinn?
Wenn sich abzeichnet, dass eine schnelle Einigung über Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat nicht zu erzielen ist, sollte der Arbeitgeber frühzeitig den Gang in die Einigungsstelle anstreben. Lange freie Verhandlungen vor der Einsetzung der Einigungsstelle sind selten hilfreich und verlängern den Gesamtprozess meist unnötig.
Die Einsetzung der Einigungsstelle sollte zunächst einvernehmlich versucht werden, indem mit dem Betriebsrat eine (Regelungs-)Abrede getroffen wird, in der bereits Kandidaten für den Vorsitz festgelegt werden. Misslingt die Einigung mit dem Betriebsrat, muss beim Arbeitsgericht ein Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle gestellt werden. Hierbei sollte der Arbeitgeber einen genauen Plan haben, welche Kandidaten er für den Einigungsstellenvorsitz favorisiert und wie er diese durchsetzt. Der Einigungsstellenvorsitzende kann den Verlauf und das Ergebnis der Einigungsstelle nämlich maßgeblich beeinflussen (siehe hierzu unseren Beitrag: „Zankapfel Einigungsstellenvorsitz: Wer wird’s denn?“).
… to be continued …