Es kommt in der betrieblichen Praxis regelmäßig vor, dass Arbeitnehmer lediglich einen halben Urlaubstag beantragen. Einem solchen Urlaubswunsch entsprechen die Arbeitgeber auch in aller Regel. Dabei ist unter rechtlichen Gesichtspunkten unklar, ob eine solche Handhabung überhaupt zulässig ist. Es besteht das Risiko, dass die Gewährung halber Urlaubstage keine ordnungsgemäße Urlaubserfüllung darstellt und der Arbeitgeber im Ergebnis den Urlaub (nochmals) erfüllen muss. Das BAG hatte nunmehr am 27.06.2017 (9 AZR 120/16) Gelegenheit, zu diesem strittigen Problem Stellung zu nehmen.
Sachverhalt
Der schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten als Musiker im Rahmen von Musical-Aufführungen beschäftigt. Das Musical wurde täglich aufgeführt. Grundsätzlich fand eine Aufführung pro Tag statt mit Ausnahme der Wochenenden, an denen zwei Aufführungen pro Tag stattfanden. Die Beklagte gewährte dem Kläger in der Vergangenheit auf dessen Antrag für die Wochenenden jeweils einen halben Urlaubstag, sodass der Kläger an diesen Tagen nur an einer Vorstellung mitwirken musste.
Im Dezember 2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung halber Urlaubstage. Nachdem die Beklagte hierauf nicht reagierte, machte der Kläger die Urlaubsgewährung gerichtlich geltend.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Arbeitsgericht wies die Klage als unzulässig und unbegründet ab. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein.
Das LAG Hamburg änderte das Urteil des Arbeitsgerichts ab. Nach Auffassung des LAG können Urlaubsansprüche grundsätzlich auch in Form halber Urlaubstage verlangt und erfüllt werden. Die vom Arbeitsgericht vertretene gegenteilige Auffassung sei dem Wortlaut des BUrlG nicht zu entnehmen. Auch gebiete Sinn und Zweck des BUrlG keine solche Einschränkung.
Ebenso lasse sich aus dem Gebot, den Urlaub zusammenhängend zu gewähren, kein Verbot der Teilung von Urlaubstagen entnehmen. Das LAG verurteilte die Beklagte daher zur Gewährung halber Urlaubstage, sofern dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstünden, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genössen.
Entscheidung des BAG
Gegen die Entscheidung des LAG legte nunmehr die Beklagte Revision ein. Der Kläger beantragte vor dem BAG,
„die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG Erholungsurlaub bezogen auf eine Vorstellung (4 Stunden pro Tag) in Form von halben Urlaubstagen zu gewähren, es sei denn, das ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.“
Das BAG gab der Revision statt. Es hielt die Klage bereits für unzulässig, da der Klageantrag zu unbestimmt sei. Nach Auffassung der Richter sei der Antrag in unzulässiger Weise von mehreren abstrakten Bedingungen abhängig. Ohne eine möglicherweise umfangreiche Prüfung betrieblicher Belange und vorrangiger Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer sei nicht feststellbar, ob die auf die Gewährung von Erholungsurlaub gerichtete Freistellungserklärung der Beklagten nach § 894 ZPO fingiert werde oder nicht.
Zudem sei die Klage auf eine zukünftige Leistung gerichtet, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 259 ZPO vorlägen. § 259 ZPO setze voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist. Die Vorschrift ermögliche hingegen nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Genau dies sei aber vorliegend der Fall gewesen, da der Antrag auf die Gewährung von künftigen Urlaubsansprüchen abziele, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen noch nicht entstanden waren.
Bewertung
Die Ausführungen des BAG zur Unzulässigkeit der Klage sind überzeugend. Vor diesem Hintergrund verwundert es aber, dass das LAG den Antrag überhaupt für ausreichend bestimmt hielt. Mangels Zulässigkeit musste sich das BAG nicht mehr mit der materiellen Rechtsfrage auseinandersetzen, ob die Gewährung halber Urlaubstage zulässig ist. Dies ist für die Praxis unbefriedigend, da weiterhin unklar ist, ob durch die Gewährung halber Urlaubstage der Urlaubsanspruch erfüllt werden kann oder nicht.
Streitstand
Gegen die Gewährung halber Urlaubstage wird im Wesentlichen die Vorschrift des § 7 Abs. 2 BurlG herangezogen. Hiernach ist der Urlaub zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Zudem seien nach § 5 Abs. 2 BUrlG Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden. Das Gesetz lasse damit erkennen, dass der Urlaub in ganzen Tagen zu gewähren sei.
Zwingend ist diese Argumentation jedoch nicht. Denn es lässt sich ebenso argumentieren, dass die Gewährung halber Urlaubstage ihre rechtfertigenden Gründe in der Person des Arbeitnehmers haben. Schließlich entspricht der Arbeitgeber lediglich dem Urlaubswunsch des Arbeitnehmers. Zudem regelt § 5 Abs. 2 BUrlG den Umfang des Urlaubsanspruchs, nicht aber dessen Erfüllung. Darüber hinaus lässt § 5 BUrlG gerade erkennen, dass dem BUrlG anteilige Urlaubstage nicht fremd sind.
Risikobeurteilung
Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Rechtslage weiterhin unklar. Für Arbeitgeber bleibt daher das Risiko bestehen, ob sie durch die Gewährung halber Urlaubstage den Urlaubsanspruch tatsächlich erfüllen. Im Extremfall könnten sich Arbeitnehmer auf die fehlende Erfüllung des Urlaubsanspruchs berufen mit der Folge, dass sie weiterhin einen Anspruch auf ungeteilten Erholungsurlaub haben.
Ob sich dieses Risiko in der betrieblichen Praxis aber tatsächlich verwirklicht, erscheint eher zweifelhaft. In einem intakten Arbeitsverhältnis ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, dass ein Arbeitnehmer den Urlaub doppelt geltend macht. Sollte dies wider Erwarten aber dennoch der Fall sein, wird der Arbeitgeber den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben können. Denn der Arbeitnehmer verhält sich durch die erneute Geltendmachung des Urlaubs treuwidrig, wenn die Gewährung eines halben Urlaubstages zuvor auf seinem Wunsch erfolgte. Aus Beweisgründen sollte darauf geachtet werden, dass der Urlaub in nachvollziehbarer und dokumentierter Form beantragt wird.