Die Befristungen von Arbeitsverhältnissen stellt Arbeitgeber immer wieder vor Herausforderungen. Sei es eine Befristung aufgrund Standortverlagerung, auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers oder die Befristung von Arbeitsverträgen mit Schauspielern – die Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zeigt, dass noch längst nicht alle Fragen im Befristungsrecht geklärt sind.
Jüngst hat sich das Bundesarbeitsgericht zu den konkreten Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Fall einer Befristung zur Vertretung geäußert (Urteil vom 12.04.2017 – 7 AZR 436/15). Maßgeblich war ähnlich wie im Fall der Befristung aufgrund Standortverlagerung letztlich die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigterweise von der Rückkehr der Stammarbeitskraft auf ihren Arbeitsplatz ausgehen konnte.
Sachverhalt
Der Kläger war aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse als Briefzusteller in Vollzeit beschäftigt. Der Kläger wurde in einem Zustellstützpunkt zur Vertretung einer Beamtin eingesetzt. Der zuvor vollzeitbeschäftigten Beamtin hatte die Arbeitgeberin eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden bis September 2013 gewährt. Im Rahmen ihrer Teilzeitbeschäftigung wurde die Beamtin nicht mehr als Briefzustellerin, sondern in der Postfachverteilung eingesetzt. Sachgrund der vorletzten Befristung des Klägers war die „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit“ der Beamtin. Nachdem die Beamtin ihre Arbeitszeitreduzierung noch einmal um ein Jahr verlängerte, wurde hierauf auch die letzte Befristung des Klägers gestützt. Den letzten Vertrag unterschrieb der Kläger mit dem Zusatz „Einverstanden unter dem Vorbehalt der rechtlichen Klärung der Wirksamkeit der letzten Befristung“.
Die Beklagte stützte sich darauf, dass ein Vertretungsbedarf auf einem Vollzeitarbeitsplatz in der Briefzustellung bestand, solange die Beamtin ihrer Teilzeitbeschäftigung in der Postfachverteilung nachgehe. Da in der Postfachverteilung keine Vollzeitarbeitsplätze vorhanden seien, würde die Beamtin bei Rückkehr in Vollzeit automatisch wieder an ihrem alten Arbeitsplatz in der Briefzustellung eingesetzt.
Der Kläger machte dagegen geltend, dass es nicht absehbar gewesen sei, dass die Beamtin nach Beendigung ihrer befristeten Teilzeitbeschäftigung in der Postfachverteilung wieder auf ihren Stammarbeitsplatz zurückkehren würde. Er erhob Klage und wollte festgestellt wissen, dass sowohl die vorletzte als auch die letzte Befristung seines Arbeitsvertrages unwirksam ist.
Überprüfung auch der vorletzten Befristung
Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst klar, dass ausnahmsweise auch die vorletzte Befristung Gegenstand der Überprüfung sein kann. Bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen unterliegt grundsätzlich nur der letzte Arbeitsvertrag der Kontrolle, ohne dass es noch auf die Wirksamkeit der Befristung des vorhergehenden Vertrages ankommt. Wenn jedoch der nächste Arbeitsvertrag ausdrücklich oder konkludent unter dem Vorbehalt abgeschlossen wird, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen, ist die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch für den vorangegangenen Vertrag eröffnet.
Zwar reiche ein vom Arbeitnehmer einseitig erklärter Vorbehalt nicht aus, vorliegend hatte die Arbeitgeberin den Kläger jedoch widerspruchslos auf Grundlage des neuen Vertrages beschäftigt. In dieser widerspruchslosen Entgegennahme der Arbeitsleistung liege die konkludente Annahme des Vorbehaltes des Klägers.
Hinweis: Will der Arbeitgeber vermeiden, dass auch die vorangegangene Befristung noch gerichtlich überprüft wird, muss er einem entsprechenden Vorbehalt des Arbeitnehmers ausdrücklich widersprechen.
Rückkehrprognose bei Abordnungsvertretung
Das Bundesarbeitsgericht erkennt an, dass der Kläger tatsächlich zur Vertretung der Beamtin eingestellt worden ist. Der Vertretungsbedarf ergab sich dabei zum Teil aus der Reduzierung der Arbeitszeit und zum anderen Teil aus der Abordnung auf anderen Arbeitsplatz. Die Prognose, dass die Beamtin wieder in Vollzeit tätig sein würde, war unproblematisch. Dagegen war hiermit noch nicht gesagt, dass sie dann auch wieder in der Briefzustellung eingesetzt werden würde. Denn anders als etwa in Fällen der Elternzeit- und Krankheitsvertretung hat es den Arbeitgeber bei der Abordnungsvertretung mit der Zuweisung des Arbeitsplatzes selbst (mit) in der Hand, ob der Vertretene auf seinen Stammarbeitsplatz zurückkommt.
Im Kern ging es also darum, welche Anforderung an die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers die Befristung wegen Vertretung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG zu stellen sind: Was gilt, wenn die Stammarbeitskraft nicht aufgrund Krankheit, Elternzeit o.ä. vertreten werden soll, sondern sich der Vertretungsbedarf aufgrund einer Versetzung durch den Arbeitgeber auf einen anderen Arbeitsplatz ergibt?
Einzelfallbetrachtung nötig
Bei der vom Arbeitgeber anzustellenden Prognoseentscheidung, ob die Stammarbeitskraft auf ihren Arbeitsplatz zurückkehrt, hat dieser alle Einzelfallumstände zu würdigen. Hierzu zählen unter anderem:
- etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten,
- Planungs- und Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers,
- Dauer und etwaige Verlängerungen der Abordnung,
- sowie die Hintergründe der Abordnung (erfolgte sie auf Wunsch oder gegen den Willen des Abgeordneten? Erfolgt die Rückkehr automatisch oder bedarf es einer einvernehmlichen Regelung?).
Die Arbeitgeberin hatte vorgetragen, dass die Beamtin bei ihrer Rückkehr in Vollzeit automatisch wieder in der Briefzustellung eingesetzt worden wäre, da in dem Bereich Postfachverteilung lediglich Teilzeitkräfte beschäftigt werden würden. Der Kläger hatte dies bestritten. Das Bundesarbeitsgericht verwies den Fall daher zurück an das LAG Frankfurt zur weiteren Sachverhaltsaufklärung. Sollte das LAG nach Zurückverweisung im Rahmen einer Beweisaufnahme zu der Feststellung gelangen, dass der Vortrag der Arbeitgeberin zutrifft, wäre die Befristung wirksam.
Praxishinweis: Die aufgestellten Anforderungen an die Rückkehrprognose des Arbeitgebers sind enorm hoch. Der Arbeitgeber hat sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, was künftige Entscheidung schwer vorhersehbar macht.
Dem Arbeitgeber ist dringend zu raten, bei Abschluss von befristeten Arbeitsverträge den Befristungsgrund zu dokumentieren. Besonders wenn der Beginn der Befristung längere Zeit zurückliegt und zwischenzeitlich der Vorgesetzte oder der Personalmitarbeiter gewechselt hat, kann sonst nur mit großer Schwierigkeit nachvollziehbar dargelegt werden, aus welchen Gründen von einer Rückkehr der vertretenen Arbeitskraft auf ihren alten Arbeitsplatz ausgegangen werden konnte.