Mit dem Gesetz zur Neuerung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) treten umfangreiche strukturelle und inhaltliche Änderungen in Kraft. Zusätzlich zu zwei Regelungen, die bereits seit Verkündung des Gesetzes am 30. Mai 2017 in Kraft getreten sind, kommen ab dem 1. Januar 2018 u.a. die Erweiterung des Anwendungsbereichs, Neuerungen bei Nacht- und Mehrarbeit sowie bei Schutzmaßnahmen und das Verbot von Vorbereitungsmaßnahmen während des Sonderkündigungsschutzes. Wir geben einen Überblick und systematisieren, was unter „Vorbereitungsmaßnahmen“ zu verstehen ist.
Und was bedeutet das im Einzelnen?
Bereits seit 30. Mai 2017 haben Arbeitgeber folgende Regelungen zu beachten:
- Verlängerung der Mutterschutzfrist auf zwölf Wochen nach der Geburt eines Kindes mit Behinderung, wenn innerhalb von acht Wochen ärztlich festgestellt, und die Frau dies beantragt.
- Geltung des „nachgeburtlichen“ Sonderkündigungsschutz (vier Monate) auch für Frauen, die nach der 12. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt erlitten haben. Damit entfällt die bisherige Unterscheidung zwischen Tod- und Fehlgeburt.
Ab dem 1. Januar 2018 wird zusätzlich gelten:
Erweiterung des Anwendungsbereichs
Das MuSchG erfasst künftig alle Frauen in einer sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung. Es gilt damit künftig u.a. für Geschäftsführerinnen und freie Mitarbeiterinnen mit nur einem Auftraggeber, jedoch ohne Anspruch auf Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Ferner gilt es nunmehr explizit für Auszubildende und Praktikantinnen nach §26 BBiG sowie für Schülerinnen und Studentinnen im Rahmen von verpflichtenden Ausbildungsveranstaltungen, ebenfalls mit Ausnahmen. Alle diese Frauen können mit ihrer Zustimmung in der „nachgeburtlichen“ Mutterschutzfrist beschäftigt werden.
Neuregelungen zu Nachtarbeit und Mehrarbeit
Es bleibt bei dem absoluten Nachtarbeitsverbot für Schwangere von 22:00 bis 6:00 Uhr. Von 20:00 bis 22:00 Uhr darf eine Schwangere unter der Voraussetzung ihrer Zustimmung einer ärztlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung und der Genehmigung der Aufsichtsbehörde beschäftigt werden.
Mehrarbeit ist zulässig, sofern sie die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit auch im Monatsdurchschnitt nicht überschreitet, somit im Kalendermonat ein Ausgleich durch Freizeit erfolgt. Dies gilt für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gleichermaßen.
Regelungen zu Schutzmaßnahmen für Schwangere und Stillende
Die Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung sind nunmehr in das MuSchG überführt worden. Ferner hat der Arbeitgeber zur Verbesserung des Verbleibs von Frauen im Erwerbsleben nunmehr in folgender Rangfolge Schutzmaßnahmen zu prüfen:
Umgestaltung der Arbeitsbedingungen → Beschäftigung auf einem andere Arbeitsplatz → (teilweises) Beschäftigungsverbot.
Neu: Das Verbot von Vorbereitungshandlungen während des Sonderkündigungsschutzes
Das Kündigungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt erstreckt sich nach wie vor auf den Zeitraum der Schwangerschaft und die auf die der Entbindung/Fehlgeburt nach der 12. Woche folgenden vier Monate.
Bisher bezog sich dieses Kündigungsverbot auf den Ausspruch einer Kündigung, d. h. unzulässig war die rechtsgeschäftliche Erklärung einer Kündigung. Ab dem 1. Januar 2018 werden darüber hinaus ausdrücklich auch „Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers“ während des Sonderkündigungsschutzes untersagt. In der Folge ist eine Kündigung, die zwar erst nach diesem Zeitraum ausgesprochen wird, jedoch bereits innerhalb dieses Zeitraums „vorbereitet“ wurde, unwirksam.
Ziel des Gesetzgebers war, die Rechtsprechung des EuGH umzusetzen. Im Urteil vom 11. Oktober 2007, Az. C-460/06 sah der EuGH bereits in Maßnahmen zur Suche einer Ersatzkraft einen Verstoß gegen die Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG). Zweck des Kündigungsverbots sei die Verhinderung von physischen und psychischen Belastungen; dies erfordere auch den Schutz vor Vorbereitungsmaßnahmen in der Verbotsfrist. Was unter „Vorbereitungsmaßnahmen“ genau zu verstehen ist, ist unklar und wird die Rechtsprechung zu klären haben:
- Grundsätzlich wird man zunächst von einem weiten Begriff ausgehen müssen. Allerdings legt der Zweck des Kündigungsschutzes nahe, dass sich das Verbot auf außen gerichtete Vorbereitungsmaßnahmen beschränkt. Hierzu zählen sicher die Einreichung der Betriebsratsanhörung und des Antrags beim Integrationsamt sowie interne und externe Stellenausschreibungen.
- Die rein unternehmerische Entscheidung dürfte nicht erfasst sein, jedenfalls solange sie nicht nach außen kommuniziert wird.
- Zu klären werden Fälle sein, in denen die Frau nicht gezielt, sondern „kollektiv“ zum Beispiel im Rahmen einer Umstrukturierung betroffen ist. Insoweit könnten gegebenenfalls auch der Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste oder die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen.
- Vorbereitungsmaßnahmen zu Erlangung einer behördlichen Genehmigung zur Kündigung müssen nach dem Sinn und Zweck weiterhin erlaubt sein.
Praxishinweis
Bis zu einer weiteren Klärung durch die Rechtsprechung empfiehlt es sich, während des Sonderkündigungsschutzes potentiell vorbereitende Maßnahmen im „Graubereich“ nicht außerhalb der Vertraulichkeit der Geschäfts-/Fachleitung und der Personalabteilung einschließlich ihrer Berater zu kommunizieren und das gesetzlich vorgegebene Verfahren einzuhalten.