Zum Referentenentwurf des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) hatten wir bereits auf diesem Blog berichtet (siehe Beiträge von Theres Kirschner und Dr. Sven Lohse). Nun ist das hoch umstrittene EntgTranspG am 6. Juli 2017 in Kraft getreten. Herzstück des Gesetzes ist weiterhin der individuelle Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer auf Mitteilung der der Bruttovergütung vergleichbarer Arbeitnehmer des anderen Geschlechts aus § 10 EntgTranspG. Nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist können erste Auskunftsansprüche ab dem 6. Januar 2018 erwartet werden. Zur Vorbereitung lohnt sich ein Blick auf die Regelungen zum neuen Anspruch.
Eckpunkte des Auskunftsverfahrens
- Der Auskunftsanspruch besteht nur in Betrieben mit mehr als 200 „bei demselben Arbeitgeber“ Beschäftigten. Welche Arbeitnehmergruppen mitzählen, könnte im Einzelnen jedoch streitig werden, wie z. B. bei Leiharbeitnehmern. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), auf das die Gesetzesbegründung verweist, wären diese mitzuzählen. Nach dem Wortlaut des EntgTranspG nicht.
- Die Anfrage ist in Textform zu stellen. E-Mail oder Telefax sind ausreichend.
- Das EntgTranspG sieht eine „Schonfrist“ von drei Jahren vor, innerhalb derer Arbeitnehmer zunächst nur alle drei Jahre eine Anfrage stellen können. Danach sind Anfragen im Zwei-Jahres-Rhythmus möglich. Früher kann nur angefragt werden, wenn sich die Anspruchsvoraussetzungen erheblich geändert haben, z. B. nach einem Stellenwechsel.
- Soweit ein Betriebsrat besteht, gehen Auskunftsverlangen an diesen. Anders ist dies, falls der Arbeitgeber die Zuständigkeit im Einzelfall oder generell an sich gezogen bzw. der Betriebsrat diese an den Arbeitgeber abgegeben hat.
- Tariffreie Arbeitgeber, die also weder tarifgebunden sind noch sonst Entgelttarife anwenden, müssen die begehrte Auskunft binnen drei Monaten erteilen. Für tarifgebundene bzw. Entgelttarifverträge anwendende Arbeitgeber sieht das Gesetz keine ausdrückliche Auskunftsfrist vor.
Reichweite des Auskunftsanspruchs
Neben den betrieblichen Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung erstreckt sich der Anspruch auf Auskunft vor allem auf das Bruttoentgelt für eine vom Arbeitnehmer zu benennende gleiche oder gleichwertige Arbeit.
Zentral für den Anspruch ist daher die Bestimmung, welche Arbeit im Vergleich zu der des anfragenden Arbeitnehmers gleich oder gleichwertig ist. Das EntgTranspG liefert zu diesen Begriffen zwar eine Definition, die aber insbesondere bezüglich des Terminus „gleichwertige Arbeit“ erheblichen Diskussionsspielraum lässt. Nach dem Gesetz ist eine Gesamtschau aller Umstände vorzunehmen. Maßgebliche Faktoren sollen u. a. die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen sein. Hier sollte man sich vor Augen führen, dass nicht nur inhaltlich gleiche Arbeiten gleichwertig im Sinne des EntgTranspG sind. Auch Tätigkeiten aus inhaltlich vollkommen unterschiedlichen Bereichen, können gleichwertig sein und daher für den Vergleich heranzuziehen sein.
Arbeitgeber, die nach Entgelttarifverträgen vergüten, können das Vergleichsentgelt der Beschäftigten des anderen Geschlechts angeben, die in der gleichen Entgeltgruppe eingruppiert sind wie der anfragende Arbeitnehmer. Bei tariffreien Arbeitgebern dürfte sich die Bestimmung der Vergleichsgruppe um Einiges aufwendiger gestalten. Hier kann nicht pauschal auf beim Arbeitgeber gebildete Entgeltgruppen abgestellt werden. Der Arbeitgeber hat selbst zu prüfen und – mit entsprechender Begründung – zu bestimmen, welche Arbeit gleichwertig ist.
Das sogenannte „Vergleichsentgelt“
Arbeitnehmer können auf Grundlage des EntgTranspG nicht etwa das konkrete Einkommen eines bestimmten Beschäftigten abfragen, sondern nur das sog. „Vergleichsentgelt“ einer vergleichbaren Gruppe von Arbeitnehmer. Aus Datenschutzgründen muss diese Gruppe aus mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts bestehen. Andernfalls ist nur über Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung zu informieren.
Konkret erstreckt sich der Auskunftsanspruch auf den sog. statistischen Median (Achtung: nicht Durchschnitt) des Bruttoentgelts der vergleichbaren Arbeitnehmer des jeweils anderen Geschlechts. Zusätzlich kann der Arbeitnehmer die Mitteilung des statistischen Medians von bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen, z. B. Bonus oder Dienstwagen, dieser Gruppe verlangen.
Der anzugebende statistische Median bezeichnet den Wert, der in der abgefragten Vergleichsgruppe an mittlerer Stelle steht. Ein Beispiel: Die maßgebliche Vergleichsgruppe besteht aus den Arbeitnehmern A bis G. A verdient monatlich 1000 €, B 2000 €, C 3000 €, D 4000 €, E 5000 €, F 6000 € und G 7000 €. Dem anfragenden Arbeitnehmer wäre nun der Wert von 4000 € (= Einkommen von D) als Vergleichsentgelt zu benennen. Dieser Wert wäre auch im Hinblick auf die abgefragten Entgeltbestandteile zu ermitteln.
Welche Sanktionen drohen bei Missachtung?
Für tariffreie Arbeitgeber sanktioniert das Gesetz die nicht (rechtzeitig) erteilte Auskunft mit einer Beweislastumkehr. Im Streitfall würde eine Entgeltungleichbehandlung wegen des Geschlechts vermutet. Der Arbeitgeber hätte im Prozess das Gegenteil darzulegen und zu beweisen. Dies kann unter Umständen zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen. Ungeachtet dessen, wird auch die mediale Aufmerksamkeit solcher „Entgeltungleichbehandlungs-Prozesse“ schon Schaden genug sein, was vor allem für die ersten Verfahren dieser Art nach Inkrafttreten des EntgTranspG gelten dürfte. Daher sollten zumindest tariffreie Arbeitgeber, auch wenn keine unmittelbaren Sanktionen drohen, sorgfältig abwägen, wie auf das Auskunftsverlangen reagiert wird.
Die Sanktion der Beweislastumkehr gilt laut Gesetz nur bei unterlassener Auskunft. Für eine unrichtige oder unvollständige Auskunft sind keine Sanktionen vorgesehen. Ebenso wie für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber. Auch für diese sieht das Gesetz keine ausdrückliche Sanktion vor.
Fazit: viel Aufwand und wenig Nutzen
Der Gesetzgeber sorgt mit dem EntgTranspG für viel Aufwand bei Arbeitgebern und schafft wenig Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Auch Arbeitnehmern nützt das Gesetz kaum bis gar nicht, denn der statische Median ist wohl kaum ein aussagekräftiges Indiz für eine etwaige Entgeltungleichbehandlung. Das Gesetz liefert daher in Erster Linie neues Streitpotenzial. Schon jetzt tun sich– vor allem für dem Umgang mit dem Auskunftsanspruch – eine ganze Reihe an Fragen und Unklarheiten auf. Insbesondere der Begriff der gleichen oder gleichwertigen Arbeit dürfte zum Gegenstand zukünftiger Streitigkeiten werden. Erste Gerichtsverfahren sind mit Spannung zu erwarten. Bis dahin sollten sich Arbeitgeber auf kommende Auskunftsverlangen vorbereiten und diese dann sorgfältig prüfen.