Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen steht politisch unter Beschuss. Neue Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 könnten für Arbeitgeber schmerzhafte Einschränkungen oder gar den Wegfall dieser wichtigen Möglichkeit zum flexiblen Personaleinsatz bedeuten. Da liegt es nahe, womöglich schon jetzt zu disponieren und z.B. auf Befristungen auf Wunsch des Arbeitnehmers auszuweichen, immerhin sollen diese nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ja zulässig sein. Warum ist dabei jedoch große Vorsicht geboten?
Einleitung
Befristete Arbeitsverträge sind, zumal in wirtschaftlich volatilen Zeiten, ein wichtiges Instrument des flexiblen Personaleinsatzes. Indes sieht sich der Arbeitgeber an dieser Stelle in ein enges Korsett von formalen wie inhaltlichen Voraussetzungen gezwängt, die sich insbesondere in § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) wiederfinden. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG bedarf nämlich jede Befristung eines sachlichen Grundes, von denen das Gesetz in Satz 2 sogleich einige aufzählt (aber nicht abschließend!). Steht dem Arbeitgeber ein Sachgrund nicht zur Verfügung, kann gem. § 14 Abs. 2 TzBfG auch sachgrundlos befristet werden. Dies ist lediglich bis zur Dauer von zwei Jahren und auch nur dann zulässig, wenn bisher bzw. zumindest in den letzten drei Jahren kein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber (gemeint ist die juristische Person) bestanden hat. Genau dieses Licht am Ende des regulatorischen Tunnels könnte nach der Bundestagswahl 2017 gedimmt oder u.U. sogar gelöscht werden.
Deswegen mag der Blick des umsichtigen Arbeitgebers u.a. auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG fallen. Nach dieser Vorschrift liegt ein sachlicher Grund vor, wenn in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen. Hierzu zählt anerkanntermaßen auch der Wunsch des Arbeitnehmers nach einer Befristung. Und ist dieser nicht bereits anzunehmen, wenn dem Arbeitnehmer ein befristeter Vertrag vorgelegt und von ihm unterzeichnet wird? Schließlich steht doch die Unterschrift unzweifelhaft für seinen „Wunsch“ nach dem Vertrag, oder etwa nicht? Liegt hier nicht ein erhebliches Potential für den Einsatz befristeter Verträge? Warum beim Arbeitgeber mit dieser Argumentation keine vorschnelle Begeisterung über eine wirksame Sachgrundbefristung aufkommen sollte, belegt eindrucksvoll eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.01.2017 ( 7 AZR 236/15), die zugleich wichtige Hinweise für die Praxis enthält.
Worum ging es in der Entscheidung?
Grundlage der Entscheidung des BAG vom 13.01.2017 (a.a.O.) war eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Umstellung der Altersgrenzenregelung in den Arbeitsverträgen der bereits beschäftigten und neu eingestellten Führungskräfte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war ursprünglich auf den Ablauf des Monats befristet, in dem das 65. Lebensjahr erreicht wird. Nunmehr bot der Arbeitgeber ihr Mitte 2003 eine Änderung des Arbeitsvertrages dahingehend an, dass diese Altersgrenze auf das Erreichen des 60. Lebensjahres abgesenkt werden sollte. Zugleich offerierte er eine Einmalzahlung zur Überbrückung der Zeit bis zum Beginn der gesetzlichen Rente. Der Klägerin wurde dann eine mehr als zweijährige Bedenkzeit bzw. Annahmefrist bis zum 31.12.2005 eingeräumt. Nach einer Erinnerung im September 2005 unterzeichnete sie kurz vor Ablauf der Frist am 12.12.2005 den Änderungsvertrag. Die damit verbundene Herabsetzung der Altersgrenze entsprach im Fall der Klägerin einer Befristung des Arbeitsvertrages bis zum 30.09.2013.
Mit ihrer am 15.10.2013 erhobenen Klage machte die Klägerin die Unwirksamkeit dieser Befristung geltend. Insbesondere entspräche die Befristung nicht ihrem Wunsch, sondern dem Wunsch der Beklagten, die darauf hingewirkt habe, dass sie das Angebot angenommen hätte. Die Beklagte wandte ein, die Klägerin habe die freie Wahl zwischen der Umstellung des Arbeitsvertrages auf die „Altersgrenze 60“ oder der Fortführung bis zur „Altersgrenze 65“ entsprechend dem bisherigen Arbeitsvertrag gehabt. Nach über zwei Jahren Bedenkzeit habe sie sich dann für die befristete Weiterbeschäftigung bis zum 60. Lebensjahr entschieden. Den Ausgleichsbetrag zur Überbrückung der Zeit bis zum Beginn der gesetzlichen Rente in Höhe von mehr als EUR 100.000,00 hatte die Klägerin zwischenzeitlich entsprechend der Änderungsvereinbarung vom 11.12.2005 von der Beklagten erhalten. Nachdem die Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt hatte, gab das BAG der Revision der Klägerin statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der am 12.12.2005 vereinbarten Befristung geendet hätte. Diese Befristung sei nicht durch in der Person der Klägerin liegende Gründe gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt. Sie beruhe nicht auf dem Wunsch der Klägerin.
Welche für die Praxis wichtigen Feststellungen hat das BAG getroffen?
Das BAG (a.a.O.) hat eine Reihe von für die Praxis wichtigen Feststellungen getroffen, die bei der Prüfung des Sachgrunds gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG berücksichtigt werden müssen.
Wunsch des Arbeitnehmers = Befristungsrund
Zunächst stellte das BAG noch einmal klar, dass der Wunsch des Arbeitnehmers grundsätzlich geeignet sei, einen sachlichen Grund für eine Befristung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG darzustellen. Die Erfurter Richter bestätigen damit die insoweit erfreuliche Rechtssicherheit für Arbeitgeber.
Vertragsschluss alleine ≠ Wunsch
Allerdings reiche allein der Vertragsschluss zur Annahme eines entsprechenden Wunsches nicht aus, weil sonst ja bei keiner Befristung (die immer schriftlich vereinbart werden muss) eine Sachgrundkontrolle mehr notwendig wäre. Hinzukommen müssten vielmehr objektive Anhaltspunkte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aus denen ein Interesse des Arbeitnehmers gerade an einer Befristung folge, wie z.B. familiäre Verpflichtungen, eine noch nicht abgeschlossene Ausbildung oder der Heimkehrwunsch eines ausländischen Arbeitnehmers. Will sich der Arbeitgeber auf dieses Interesse berufen, ist mithin dessen Klärung und eindeutige Dokumentation dringend zu empfehlen.
Lange Bedenkzeit ≠ Wunsch
Ein Wunsch des Arbeitnehmers in diesem Sinne liege auch nicht schon dann vor, wenn er nach reiflicher Überlegung und ausführlicher Beratungsmöglichkeit das Angebot zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages annehme. Ein in erste Linie bestehendes Interesse des Arbeitgebers an der Befristung werde dadurch nicht unbeachtlich. Die bloße Einräumung von Bedenkzeit (die gleichwohl zu empfehlen ist) wird dem Arbeitgeber also nicht weiterhelfen.
Vergünstigungen ≠ Wunsch
Ein Sachgrund liege ferner auch dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer, wie hier die Klägerin, zwischen der Änderung des Arbeitsverhältnisses und damit verbundenen günstigeren Bedingungen oder der Fortsetzung zu bisherigen Konditionen wählen könne. Erst wenn die Vergünstigungen als Option auch bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen gewährt würden, beruhe die Entscheidung für die Befristung auf dem „Wunsch“ des Arbeitnehmers. Praktisch wird eine Bereitschaft des Arbeitgebers hierzu (Vergünstigungen auch ohne Befristung) in solchen Konstellationen indes nicht bestehen.
Unbefristetes Arbeitsverhältnis als echte Option = Wunsch
Entscheidend sei dagegen, ob der Arbeitnehmer auch bei Angebot eines unbefristeten Vertrages nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart hätte. Dieser Umstand muss daher durch den Arbeitgeber geklärt und dokumentiert werden, setzt aber freilich die „echte“ Bereitschaft zum Angebot eines unbefristeten Vertrages voraus. Nachdem es daran häufig gerade fehlen wird, zeigen sich an dieser Voraussetzung besonders deutlich die hohen Hürden des vermeintlich „einfachen“ Befristungsgrunds „Wunsch des Arbeitnehmers“. Er ist also stets sorgfältig und im Einzelfall zu prüfen. Der Wunsch des Arbeitgebers nach Erhalt der Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung nach der anstehenden Bundestagswahl bedarf dagegen keiner weiteren Voraussetzung und ist insbesondere vor diesem Hintergrund nur umso berechtigter.