Die einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Unternehmerentscheidung ist nur darauf gerichtlich überprüfbar, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers gelten im Kündigungsschutzprozess nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nur dann, wenn die den Kündigungsgrund bildende unternehmerische Entscheidung und der Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind. Diese Rechtsprechung zur erhöhten Darlegungslast des Arbeitgebers weitet das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung (BAG v. 2.3.2017 – 2 AZR 546/16) auf betriebsbedingte Änderungskündigungen aus, denen eine Änderung des Anforderungsprofils besetzter Arbeitsplätze zugrunde lag. Arbeitgeber, die auf neue Herausforderungen mit geänderten Anforderungsprofilen reagieren wollen, sollten die Entscheidung zur Vermeidung unzulässiger Austauschkündigungen im Blick behalten.
Worum ging es konkret?
Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Rehabilitationsklinik betreibt, seit 2005 als Chefarzt beschäftigt. Seit 2010 leitete er in dieser Funktion die internistische Abteilung der Klinik. Er führte die Bezeichnung „Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie“ und verfügte über die Zusatzqualifikation „Diabetologe DDG“.
2011 geriet die Klinik in wirtschaftliche Schieflage. Die Beklagte benannte die „internistische Abteilung“ zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt in „gastroenterologische Abteilung“ um. Sie strebte außerdem den Abschluss eines sog. Basisvertrags mit der Deutschen-Rentenversicherung (DRV) an, um durch weitere Patientenzuweisungen eine wirtschaftliche Fortführung der Klinik zu gewährleisten. Um die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen zu erfüllen, beschloss die Beklagte in diesem Zusammenhang, sowohl die Chefarztstelle als auch die Oberarztstelle der gastroenterologischen Abteilung durch Ärzte mit der Facharztbezeichnung „Gastroenterologe“ zu besetzen. Hierzu stellte sie ab April 2012 eine Chefärztin der gastroenterologischen Abteilung ein.
Vor diesem Hintergrund kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und bot ihm zugleich eine Weiterbeschäftigung als Assistenzarzt an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungsschutzklage. Er sah die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle der gastroenterologischen Abteilung nicht durch einen zwingenden äußeren arbeitsplatzbezogenen Grund gerechtfertigt.
Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG gab ihr statt. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das LAG.
Prüfungsmaßstab betriebsbedingter Änderungskündigungen
In der zugrunde liegenden Entscheidung betonte das BAG zunächst den allgemeinen Prüfungsmaßstab einer betriebsbedingten Änderungskündigung. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung i. S. v. § 2 KSchG sei nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorlägen. Dabei sei die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers sei daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sei und sich darauf beschränke, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen müsse.
Grundsatz: Keine gerichtliche Überprüfung der unternehmerischen Entscheidung
Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG könnten sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe lägen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließe, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfalle. Eine solche unternehmerische Entscheidung sei gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Auch Festlegung und Änderung der Anforderungsprofile der Arbeitsplätze unterlägen grundsätzlich der freien unternehmerischen Disposition. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten – nach Möglichkeit – von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, sei grundsätzlich zu akzeptieren.
Ausnahme: Gestaltung des Anforderungsprofils und Kündigungsentschluss sind deckungsgleich
Seien allerdings die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich – weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genüge – könne sich der Arbeitgeber nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er müsse dann vielmehr konkret darlegen, wie sich seine Entscheidung auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirke und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden sei. Berufe sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung also auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, müsse er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung müsse im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme – gegebenenfalls im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern. Es müsse sich bei einer geänderten Anforderung an die Qualifikation des Stelleninhabers nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung“ für die Ausführung der Tätigkeit, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln.
Zulässige betriebsbedingte Änderungskündigung oder unzulässige Austauschkündigung?
Damit ging es vorliegend um die Frage, ob die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle ausschließlich auf den Strukturvorgaben der DRV oder auf bloß wünschenswerten Änderungen für die neue – zuvor umbenannte – gastroenterologische Abteilung beruhte? Zumindest die zeitlich nicht konkretisierte Umbenennung der „internistischen Abteilung“ in „gastroenterologische Abteilung“ könnte nach Ansicht des BAG tendenziell dafür sprechen, dass auch allgemein der Zuschnitt der Abteilungen – unabhängig von etwaigen Vorgaben der DRV – geändert worden und der Kläger bloß ausgetauscht worden sei. Dies wiederum würde die Unwirksamkeit der Änderungskündigung nach sich ziehen. Sollte die Klinik die Stellenprofilierung ihrer Abteilung nur an die maßgeblichen Strukturanforderungen der RDV in der Indikation Gastroenterologie angepasst haben, dürfte dies tendenziell für eine zulässige Änderungskündigung sprechen.
Weder das ArbG noch das LAG hatten den Sachverhalt hierzu näher aufgeklärt. Daher hat das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Konsequenzen für die Praxis
Den Entscheidungsgründen lassen sich Orientierungspunkte entnehmen, auf die Arbeitgeber zukünftig beim Ausspruch ordentlicher betriebsbedingter Änderungskündigungen wegen geänderter Anforderungsprofile ihr besonderes Augenmerk richten sollten, um den Anscheinsverdacht einer unzulässigen Austauschkündigung zu vermeiden.
So führt das BAG beispielsweise aus, dass das Ziel der Klinik, mit der DRV zur Sicherung der Bettenbelegung einen Basisvertrag zu schließen, nachvollziehbar sei und daher schon für sich gesehen die Änderung der Qualifikationsanforderungen rechtfertigen könne. Insoweit bedarf es einer organisatorischen Maßnahme, die den Beschäftigungsbedarf auf Seiten des Arbeitgebers ändert. Diese Änderung muss sich auf belastbare arbeitsplatzbezogene Kriterien auswirken. Der geänderte Beschäftigungsbedarf sollte möglichst objektiv die Anforderungen des Stelleninhabers erfassen. Die Änderung rein subjektiver Anforderungen, die keinerlei hinreichenden Bezug zur Arbeitsaufgabe aufweisen, dürfte nicht ausreichen. Hier bestünde ansonsten die Gefahr, dass die Gerichte darin eine bloß „wünschenswerte Voraussetzung“ sehen.
Entscheidende Bedeutung kann insoweit einer „faktischen Festlegung des Anforderungsprofils durch Dritte“ zukommen. Stellt beispielsweise der Hauptkunde des Arbeitgebers (oder bei drittfinanzierten Arbeitsverträgen der Drittmittelgeber) seinerseits besondere Qualitätsvoraussetzungen auf und ändert der Arbeitgeber vor diesem Hintergrund zur Vermeidung negativer wirtschaftlicher Folgen (quasi gezwungenermaßen) das Anforderungsprofil, so dürfte es sich bei der Änderung nicht um eine nur „wünschenswerte Voraussetzung“, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine Stellenprofiliierung handeln (so schon LAG Hamm v. 15.6.2010 – 12 Sa 349/10, NZA-RR 2010, 578).
Abzuwarten bleibt, wie das LAG den Fall nunmehr entscheiden wird.
Generell zum Umgang mit Mitarbeitern, deren Potenzial den Anforderungen nicht mehr entspricht, siehe die Serie „Low Performer“ in diesem Blog von Dr. Oliver Vollstädt und Dr. Till Hoffmann-Remy.