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Abmahnung Compliance Kündigung, verhaltensbedingt

Verstoß gegen Compliance richtig sanktionieren – immer durch Kündigung?

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Compliance

Bestandteil eines effektiven Compliance-Management-Systems (CMS) ist die konsequente Sanktionierung festgestellter Verstöße gegen Compliance–Richtlinien. Als Reaktionsmöglichkeit stehen dem Arbeitgeber u. a. die Anordnung der Teilnahme an Schulungsmaßnahmen, eine negative Mitarbeiterbeurteilung oder auch die Verweigerung einer anstehenden Beförderung zur Verfügung. Bei grobem Fehlverhalten ist auch an eine Kündigung zu denken. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz klärte in einem instruktiven Fall, wann zuvor jedoch eine Abmahnung erteilt werden sollte (Urteil vom 26.02.2016 – 1 Sa 358/15).

Was war geschehen?

Der Arbeitnehmer war seit 1985 als Koordinator für Bautechnik/Meister Schrottverwertung in der Demontage beim Arbeitgeber C tätig. Er war mit „Einkäuferrechten“ ausgestattet und hatte so Einblick in die interne Preisstruktur sowie laufende Ausschreibungsprozesse.

Bei C bestanden Compliance-Regelungen, die jegliche Form von Bestechung verboten und die Mitarbeiter verpflichteten, Bestechungsversuche von Geschäftspartnern zu melden. Der Arbeitnehmer wurde über Facebook von der Mitarbeiterin einer Detektei („Kati“) kontaktiert, woraus sich ein mehrmonatiger privater Chat entwickelte. Als es schließlich zu zwei Treffen zwischen „Kati“ und dem Arbeitnehmer kam, gesellte sich ein weiterer Mitarbeiter der Detektei dazu. Dieser gab sich als Geschäftsmann G aus und fragte, ob der Arbeitnehmer ihm Aufträge von C verschaffen könne; G würde sich hierfür erkenntlich zeigen.

Der Arbeitnehmer gab zu verstehen, dass er hierzu grundsätzlich bereit sei, solange sein Arbeitsplatz nicht gefährdet würde; über die Bezahlung könne man später sprechen. Zu konkreten Absprachen kam es nicht. Im Anschluss kontaktierte die Detektei den Chief Compliance Officer von C. Im Rahmen interner Ermittlungen gab der Arbeitnehmer an, er habe „Kati“ lediglich imponieren wollen, tatsächlich aber nie vorgehabt, G einen Vorteil zu verschaffen. Außerdem würden derartige „Anliegen“ öfter an ihn herangetragen; Namen oder Informationen hierüber wollte er aber nicht herausgeben.

Schließlich kündigte C dem Arbeitnehmer außerordentlich, hilfsweise ordentlich wegen Verstoßes gegen die Compliance-Richtlinie.

Verstoß gegen internen Compliance-Vorschriften als Kündigungsgrund?

Nachdem der Klage des Arbeitnehmers bereits in erster Instanz stattgegeben wurde, wurde die von C hiergegen eingelegte Berufung bezüglich der außerordentlichen Kündigung bereits als unzulässig, bezüglich der ordentlichen Kündigung als unbegründet zurückgewiesen.


Nach Auffassung des LAG hatte der Arbeitnehmer zwar mehrere Pflichtverletzungen begangen:

  • Der Arbeitnehmer hat zum einen gegen die Compliance-Richtlinien verstoßen, indem er seinen Vorgesetzten nicht über den Versuch des G informiert hatte, ihn zu einem vertragswidrigen Verhalten in Form eines Verstoßes gegen das Schmiergeldverbot zu bewegen.
  • Unabhängig davon wäre der Arbeitnehmer schon gemäß § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet gewesen, C über das Verhalten des G zu unterrichten. Denn jeden Arbeitnehmer trifft als vertragliche Nebenleistungspflicht eine Schadensabwendungspflicht. Unter dem Gesichtspunkt eines drohenden Schadens muss der Arbeitnehmer daher bereits unabhängig von Compliance-Regelungen seinen Arbeitgeber über eine eventuelle Gefährdungslage in Kenntnis setzen.
  • Ebenfalls pflichtwidrig verhielt sich der Arbeitnehmer, indem er auf Nachfragen die Namen derjenigen Ansprechpartner von (potentiellen) Geschäftspartnern nicht preisgegeben hat, die ebenfalls an ihn mit dem „Ansinnen“ der Verschaffung von Vorteilen bei der Auftragserlangung herangetreten waren.

Zudem lag nach Auffassung des LAG aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers auch die Annahme nahe, er könne auch zukünftig erhebliche Pflichtverletzungen begehen oder Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers beeinträchtigen. Dadurch sei seine persönliche Eignung erheblich in Frage gestellt, so dass auch eine personenbedingte Kündigung grundsätzlich in Betracht zu ziehen sei.

Erfordernis einer vorherigen Abmahnung

Die festgestellten Pflichtverletzungen waren jedoch selbst in einer Gesamtschau nicht so schwerwiegend, dass sie angesichts der 30-jährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen konnten. Denn nur, wenn bereits aus ex ante-Sicht erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach erfolgter Abmahnung nicht zu erwarten ist, ist eine Abmahnung entbehrlich. Dies war laut LAG nicht der Fall. Mit der schwierigen Abgrenzung zwischen steuerbarem und nicht steuerbarem Verhalten setzte sich das LAG nicht weiter auseinander.

In seiner Abwägung schenkte das LAG zwar den gewichtigen Interessen des Arbeitgebers (wirtschaftliche Interesse an einer sauberen Kooperation mit Vertragspartnern, Nichtbeschädigung des eigenen Rufs, abschreckende Sanktionen sowie ganz erheblicher Vertrauensverlust) durchaus Beachtung; gleichwohl kam das LAG – in Umsetzung der oft kritisierten Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 „Emmely“) – zu dem Ergebnis, dass das über 30 Jahre hinweg erworbene ungeschmälerte Vertrauen des Arbeitnehmers höher zu gewichten sei.

Zudem wurde auf den nur geringen Verschuldensgrad des Arbeitnehmers abgestellt. Es habe sich eher um ein “Augenblicksversagen” als um einen auf gezielte Vorteile gerichteten Verstoß gehandelt. Im Ergebnis war die Kündigung daher rechtswidrig.

Praxishinweise

Ein effektives CMS setzt im Falle festgestellter Compliance-Verstöße im Unternehmen neben der sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung auch das Ergreifen geeigneter und angemessener personeller Maßnahmen voraus. Andernfalls bestehen für das betroffene Unternehmen und dessen Verantwortliche Bußgeldrisiken (§§ 130, 30 OWiG) sowie das Risiko des Ausschlusses aus Vergabeverfahren (§§ 123 – 125 GWB). Darüber hinaus drohen mögliche Schadensersatzforderungen (§§ 76, 91 Abs. 2 AktG, § 43 GmbHG) oder sogar die Verurteilung wegen Beihilfe durch Unterlassen (BGH, Urt. v. 17.07.2009 – 5 StR 394/08).

Die Kündigung ist das schärfste und insofern letzte Mittel des Arbeitgebers. Er hat folglich nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände zu entscheiden, ob die Kündigung das einzig gerechtfertigte Mittel im Rahmen einer effektiven Compliance ist. Kommt eine Abmahnung als gleich effektives Mittel in Betracht, scheidet die sofortige Kündigung aus. Allerdings ist bei der Erteilung einer Abmahnung zu beachten, dass der konkrete abgemahnte Pflichtverstoß  nicht mehr als Begründung für eine Kündigung herangezogen werden kann und insofern „verbraucht“ ist.

Mehr zum Thema Compliance finden Sie auf unserem Blog unter der entsprechenden Themenkategorie – unter Anderem zur Rolle von HR, der Geschäftsführung und des Betriebsrats. Die arbeits- und strafrechtlichen Aspekte von Mitarbeiterinterviews im Zuge von Internal Investigations haben wir ebenfalls bereits beleuchtet, genauso wie die Pflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Mobbingvorwürfen.

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