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Compliance Datenschutz Kündigung, allgemein

Überwachung mittels Keylogger: Beweisverwertungsverbot!

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Keylogger

Die Erledigung privater Angelegenheiten durch den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitszeitbetruges rechtfertigen – so weit, so bekannt. Doch was gilt, wenn der Arbeitgeber vom Kündigungsgrund aufgrund einer verdeckten Überwachung des Arbeitnehmers mittels eines sog. Keyloggers Kenntnis erlangt, welcher alle Tastatureingaben am Dienst-PC des Arbeitnehmers aufzeichnet? Kann sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess auf die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse berufen oder unterliegen diese einem Beweisverwertungsverbot? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 27.07.2017 Letzteres angenommen und die Kündigung mangels prozessualer Verwertbarkeit der Erkenntnisse des Arbeitgebers für unwirksam erklärt.

Was war geschehen?

Der Kläger war bei der Beklagten als Web-Entwickler beschäftigt. Nach einer Richtlinie der Beklagten zur Informationssicherheit durfte die dienstliche IT ausschließlich für dienstliche Zweck genutzt werden. Anlässlich der Freigabe eines Netzwerks teilte die Beklagte ihren Beschäftigten per E-Mail mit, dass zukünftig der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung der IT-Systeme verdeckt „mitgelogged“ würden. Die Beklagte installierte auf dem Dienst-PC des Klägers einen Keylogger, welcher sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots anfertigte. Eine Auswertung ergab, dass der Kläger am Dienst-PC nicht nur privat ein Computerspiel programmiert, sondern auch den E-Mail-Verkehr für das Unternehmen seines Vaters abgewickelt hatte. Daraufhin wurde der Kläger fristlos gekündigt.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat dies in seinem Urteil vom 17.06.2016 (Az. 16 Sa 1711/15) damit begründet, die Beklagte habe keinen verwertbaren Beweis für die grundsätzlich als Kündigungsgrund geeignete Erledigung privater Angelegenheiten während der Arbeitszeit erbracht. Durch die heimliche Installation des Keyloggers und die Protokollierung jeder Tastatureingabe habe sie „in massiver Weise“ in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen. Als problematisch wertete es das LAG insbesondere, dass die Überwachung des Klägers ohne jegliche Anhaltspunkte für Verfehlungen des Klägers und zudem verdeckt erfolgt sei, obwohl eine Auswertung des Dienst-PC in Anwesenheit des Klägers ebenso geeignet gewesen wäre.

Das BAG hat sich den Vorinstanzen mit Urteil vom 27.07.2017 (Az. 2 AZR 681/16 – Pressemitteilung Nr. 31/17) angeschlossen und die „ins Blaue hinein“ veranlasste Überwachungsmaßnahme als unverhältnismäßig erachtet.


Beweisverwertungsverbot bei unzulässigen Überwachungsmaßnahmen

Nicht alles, was technisch möglich ist, um den Arbeitnehmer einer Pflichtverletzung zu überführen, ist auch rechtlich zulässig:

Arbeitnehmerdatenschutz

Überwachungsmaßnahmen finden ihre Grenze insbesondere am Arbeitnehmerdatenschutz. So dürfen personenbezogene Daten eines Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Aufklärung von Straftaten gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis eine Straftat begangen hat. Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung muss zur Aufdeckung der Straftat erforderlich sein. Das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers an dem Ausschluss der Datenerhebung usw. darf nicht überwiegen, insbesondere dürfen Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sein.

Keine anlasslose Überwachung

Danach ist insbesondere eine anlasslose Überwachung von Arbeitnehmern unzulässig. Der Verstoß gegen das Verbot einer anlasslosen Überwachungsmaßnahme war denn auch ausweislich der Pressemitteilung der entscheidende Grund dafür, dass das BAG die „ins Blaue hinein“ erfolgte Überwachung des Web-Entwicklers mittels eines Keyloggers für unzulässig erachtet hat. Zudem muss die Überwachungsmaßnahme erforderlich sein, d.h. es darf kein gleichermaßen geeignetes, aber weniger einschneidendes Aufklärungsmittel zur Verfügung stehen. Hierauf hat das Berufungsgericht rekurriert, indem es – der Entscheidung des BAG zur Unzulässigkeit einer heimlichen Spind-Kontrolle (vgl. BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12) folgend – als milderes Mittel eine offene PC-Auswertung in Anwesenheit des Klägers gefordert hat.

Interessenabwägung

Schließlich ist in jedem Fall eine Interessenabwägung durchzuführen: So wird etwa der Einsatz einer verdeckten Videoüberwachung zur Pünktlichkeitskontrolle regelmäßig unverhältnismäßig und damit unzulässig sein. Bei der Entscheidung, ob im Prozess ein Beweisverwertungsverbot eingreift, reicht das bloße Interesse des Arbeitgebers, sich ein Beweismittel zu sichern, für sich allein nicht aus. Vielmehr müssen über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten, die nach der Rechtsprechung etwa darin liegen können, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder notwehrähnlichen Lage befindet (vgl. BAG v. 21.11.2013 – 2 AZR 797/11; BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12).

Schlussfolgerungen für die Praxis

Sollen Arbeitnehmer durch Einsatz technischer Überwachungsmittel (z.B. Videoüberwachung) einer Pflichtverletzung überführt werden, gilt: Weniger ist oft mehr. Der „schönste“ Kündigungsgrund wertlos, wenn er sich prozessual nicht beweisen lässt. Eine Überwachung lediglich „ins Blaue hinein“ ist unzulässig. Liegen die erforderlichen Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten vor, ist die Maßnahme auf das erforderliche Maß zu beschränken, indem etwa bei Kassenfehlbeständen die Videoüberwachung auf den Kassenbereich begrenzt bleibt und nicht auf den gesamten Supermarkt ausgeweitet wird. Offene Überwachungsmaßnahmen sind verdeckten grundsätzlich vorzuziehen. Der Arbeitgeber muss jeweils prüfen, ob mildere Mittel (z.B. Kontrollen durch Vorgesetzte) in Betracht kommen. Bei Bagatellverstößen scheidet eine technische Überwachungsmaßnahme regelmäßig aus. Arbeitgeber, die diese Leitlinien nicht beherzigen, riskieren die prozessuale Unverwertbarkeit ihrer Erkenntnisse und damit ein Unterliegen im Kündigungsschutzprozess.

Mehr zum Thema Mitarbeiterüberwachung finden Sie auf diesem Blog in den Beiträgen von Dr. Christoph Bergwitz, Verdeckte Videoüberwachung von Arbeitnehmern, und Dr. Till Hoffmann-Remy, IT-Kontrollen auch heimlich zulässig?

 

Dr. Christoph Bergwitz

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Christoph Bergwitz unterstützt Arbeit­ge­ber ins­be­son­dere bei Fragen des Arbeit­neh­mer­da­ten­schut­zes, im Rahmen von Umstruk­tu­rie­rungs­pro­jekten sowie beim Schutz vor wett­be­werbs­wid­ri­gem Verhalten durch Arbeit­neh­mer. Darüber hinaus berät Christoph Bergwitz Füh­rungs­kräfte und Organ­mit­glie­der.
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