Sommerzeit ist Urlaubszeit – und bleibt doch Arbeitszeit. Während das Wetter langsam berechtigte Hoffnungen aufkommen lässt, dass die Monatsbezeichnungen im Kalender (z.B. „Juni“) ernst gemeint sein könnten, nähern sich in der täglichen Personalarbeit wieder Themen, die in dieser Jahreszeit häufiger (oder sogar ausschließlich) auftreten. Welche sind das und wie ist mit ihnen umzugehen?
Einleitung
Arbeitsrecht hat das gesamte Jahr über Hochkonjunktur. In einem Rechtsbereich, der praktisch minütlich die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt, schwankt die Intensität kaum. Bei den Themen dagegen, mit denen sich die Personalarbeit konfrontiert sieht, ist dies dagegen naturgemäß anders. So hat z.B. jede Jahreszeit durchaus ihre Besonderheiten, die es zu beachten gilt. Dies betrifft vor allem die bekanntlich „schönste“ unter ihnen, den Sommer. Gewissermaßen vor die Klammer gezogen werden dabei Themen rund um den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers und ganz allgemein die Abwesenheit von Mitarbeitern im Betrieb eine zentrale Rolle spielen. Insoweit kann auch die Betriebsratsarbeit betroffen sein, gerade bei für den Arbeitgeber zeitkritischen Angelegenheiten ein Quell potentieller Probleme und Unwägbarkeiten. Und schließlich stellen sich natürlich Fragen mit Blick auf die Temperaturen, es ist eben „endlich warm draußen“. Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend fünf ausgewählte praxisrelevante Themen („TOP 5“) aus dem arbeitsrechtlichen Sommer beleuchtet werden, freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die den zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde.
1. Wann gibt es endlich Hitzefrei?
Zu den wohl bekanntesten und ältesten Sommerthemen des Arbeitsrechts gehört die Frage nach dem „Hitzefrei“. Es ist eben nicht nur endlich warm draußen, sondern vor allem auch warm drinnen. Ist der Arbeitgeber also verpflichtet, den Arbeitnehmer auf erstes Verlangen ab Erreichen einer bestimmten Außen- oder Raumtemperatur freizustellen? Die Antwort lautet „Nein“. Der Arbeitgeber ist zwar gem. § 3 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) i.V.m. Ziffer 3.5 und Ziffer 3.6 des Anhangs zur ArbStättV arbeitsschutzrechtlich verpflichtet, für „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperarturen“, Schutz vor „übermäßiger Sonneneinstrahlung“ und „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft“ zu sorgen, ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ab einem bestimmten Schwellenwert, noch dazu auf bezahlte, besteht aber nicht. Auch ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers gem. § 273 BGB wird nicht anzunehmen sein. Entsprechende Bedingungen, die ein solches in Betracht kommen lassen könnten, sind zumindest in der heutigen, klimatisieren Büroarbeitswelt ohnehin kaum mehr vorstellbar. Letztlich bleibt es dem Arbeitgeber aber natürlich unbenommen und ist ihm auch dringend zu raten, hier einzelfallabhängig und pragmatisch für gute Arbeitsbedingungen Sorge zu tragen bzw. Abhilfe zu schaffen.
2. Alle machen Urlaub. Alle? Alle!
Der Urlaub wird vom Arbeitgeber gewährt bzw. festgelegt, es handelt sich um einen Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlte Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Wenn der einzelne Arbeitnehmer keinen Urlaub nehmen will, muss er dies also grundsätzlich auch nicht tun. Wenn sich nun aber plötzlich im Hochsommer die Werkshallen leeren und alle bis auf einen Arbeitnehmer den Betrieb verlassen, wird dieser mit einer Ausnahme, dem sog. Betriebsurlaub bzw. den Betriebsferien konfrontiert. Rechtstechnisch handelt es sich dabei um eine Konstellation, in der dringende betriebliche Belange gem. § 7 Abs. 1 BUrlG einer anderweitigen Festlegung des Urlaubs entgegenstehen und der Arbeitgeber diesen deswegen einseitig auf einen bestimmten Zeitraum festlegen kann. Im Einzelnen wird es dabei sicher auf die Eigenart des Betriebes und die jeweiligen Gegebenheiten ankommen. Vorsorglich empfiehlt es sich für den Arbeitgeber daher, Regelungen zu Betriebsferien bereits in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. In mitbestimmten Betrieben sind außerdem (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen zu diesem Thema notwendig und üblich. Es kann also durchaus dazu kommen, dass wirklich „Alle“ in den Urlaub gehen müssen.
3. Alle sind schon weg. Schnell noch hinterher?
Auch dies keine ungewöhnliche Situation: Mitten im Hochsommer stellt der Arbeitnehmer fest, dass außer ihm bereits nahezu alle Kollegen im Urlaub sind und dies aufgrund des womöglich plötzlich zunehmend guten Wetters auch zu Recht. Wünsche nach einem Last-Minute-Urlaub, und sei er auch nur vor der Haustür (die sich ggf. am Meer oder den Bergen befindet), entstehen binnen Bruchteilen von Sekunden. Nun stellt sich allerdings die Frage: Muss der Arbeitgeber, etwa aus Gründen der allgemeinen Gleichbehandlung, auch diesem Arbeitnehmer noch Urlaub gewähren? Die Antwort lautet „Nein“, der Arbeitgeber kann den Urlaub wie auch sonst unter Verweis auf dringende betriebliche Gründe gem. § 7 Abs. 1 BUrlG ablehnen. Das liegt auf der Hand, insbesondere wenn anderenfalls der Betrieb bzw. Abteilung zum Erliegen käme. Vorsicht ist dann in Extremfällen geboten, in denen Arbeitnehmer „Erkrankungen“ für den Fall androhen, dass ihnen kein Urlaub gewährt werde und dann nach drei Wochen braungebrannt aus dieser „Erkrankung“ zurückkehren. Hier ist insbesondere auf eine genaue Dokumentation der entsprechenden Drohung zu achten, die eine fristlose Kündigung begründen kann. Ferner ist ggf. der Medizinische Dienst der Krankenkassen einzuschalten. Im Übrigen hat der Arbeitnehmer natürlich auch bei der kurzfristigen Urlaubsplanung etwaig einschlägige Regelungen in (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen zu beachten.
4. Hat jemand den Betriebsratsvorsitzenden gesehen?
Wenn das letzte Lebenszeichen des Betriebsratsvorsitzenden eine Ansichtskarte vom Mittelmeer ist, stellt sich für den Arbeitgeber u.a. die wichtige Frage, wem denn nun Dokumente übergeben werden können. Diese Frage taucht vor allem dann auf, wenn Nachweise für den Zugang beim Betriebsrat erforderlich sind, z.B. bei der Anhörung zu einer (ggf. fristlosen) Kündigung gem. § 102 BetrVG oder der Beteiligung bei einer dringenden Einstellung gem. §§ 100, 99 BetrVG. Aber auch bei wichtigen Projekten, etwa mit Blick auf die für die Eintragung einer Verschmelzung in das Handelsregister zwingend vorab notwendige Zuleitung der entsprechenden Beschlüsse an den Betriebsrat gem. § 5 Abs. 3 Umwandlungsgesetz (UmwG), können Abwesenheiten die Temperaturen (gefühlt) weiter steigen lassen. Grundsätzlich gilt dabei: Zuständig für die Entgegennahme von Erklärungen ist gem. § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG der Betriebsratsvorsitzende, im Verhinderungsfall sein Stellvertreter. Ist auch dieser verhindert kann die Erklärung an jedes Betriebsratsmitglied übergeben werden, wenn vom Betriebsrat keine besonderen Vorkehrungen getroffen wurden (vgl. BAG, Urt. v. 27.06.1985 – 2 AZR 412/84). Dem Arbeitgeber ist daher dringend zu empfehlen, sich vor der Beginn der insoweit „sensiblen“ Urlaubszeit über das Bestehen von Zugangsmöglichkeiten zu vergewissern und sich diese vom Betriebsrat ausdrücklich bestätigen zu lassen. Im Falle besonders formaler Verfahren, z.B. nach dem UmwG, sollten die zuständigen Mitarbeiter dann per eidesstattlicher Versicherung erklären, aufgrund welcher Zusage des Betriebsrats sie welchem Mitglied Dokumente übergeben haben.
5. Wenn der Urlaub wie immer zu kurz war
Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub – wenn der Arbeitnehmer rechtzeitig wieder zur Arbeit erscheint. Nun kommt es bisweilen vor, dass sich dieser Zeitpunkt unerwarteter Weise verzögert, z.B. durch ausgefallene oder verspätete Flüge, Züge oder Fähren. Zeigt der Arbeitnehmer eine entsprechende Dienstverhinderung rechtzeitig an und bestehen keine Zweifel am Sachverhalt, werden arbeitsrechtliche Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Fehlt der Arbeitnehmer dagegen unentschuldigt, ist ggf. der Ausspruch einer Abmahnung zu prüfen, freilich unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. keinerlei technische Möglichkeit zur Kontaktaufnahme). Bei „plötzlich“ zum Ende des Urlaubs im Ausland aufgetretenen Erkrankungen sieht sich der Arbeitgeber ggf. mit dem praktisch erhöhten Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus dem EU-Ausland konfrontiert. Hier kann aber gem. § 5 Abs. 2 S. 1 EFZG zumindest die „schnellstmögliche“ (also schneller als „unverzüglich“) Anzeige der Arbeitsunfähigkeit nachgehalten und bei Verstößen abgemahnt werden. Kommt es nicht zu derartigen Komplikationen, war der Urlaub vermutlich trotzdem wie meist nur eins, nämlich zu kurz.