Das Jahr 2018 wirft seine Schatten schon jetzt voraus – nicht nur in sportlicher Hinsicht, denn es stehen im nächsten Jahr wieder die turnusgemäßen Betriebsratswahlen an. „Erst“ im nächsten Jahr – warum sollten Sie sich dann jetzt schon mit dem Thema beschäftigen?
Die Antwort liegt auf der Hand. Die Anwärter auf die Betriebsratsämter – vielfach dann auch in den Wahlvorständen anzutreffen – suchen im Wahlkampf nicht nur nach inhaltlichen Gestaltungsthemen, sondern stellen häufiger auch die betriebsratsfähige Einheit in Frage und wollen die Wahlen nutzen, um einflussreichere Betriebsratsstrukturen zu ermöglichen.
Ist ein Wahlverfahren im Hinblick auf einen Betrieb erst eröffnet, so lässt sich diese Wahl erfahrungsgemäß nur schwerlich stoppen. Unmöglich ist dies jedoch nicht. Hier hat der vorausschauende Arbeitgeber Vorteile, der die Streitigkeiten um die Betriebsstruktur im unmittelbaren Umfeld der Wahl – etwa aufgrund wiederholter Diskussionen im Vorfeld – antizipieren kann. Ihm stehen schon jetzt Handlungsoptionen offen.
Betriebsstrukturen – gestaltbar durch den Arbeitgeber
Fehlvorstellungen bestehen häufig schon in Bezug auf die Frage, wer eigentlich bestimmt, was der Betrieb und damit die betriebsratsfähige Einheit im Unternehmen ist. Es ist mitnichten so, dass sich Arbeitnehmer, Wahlvorstände oder frühere Betriebsräte die Betriebsstruktur „aussuchen“ könnten. Der Arbeitgeber entscheidet über die Betriebsstruktur in seinem Unternehmen. Durch seine Gestaltung der Leitungskompetenzen formt er den Betrieb und auch das Maß der Selbstständigkeit eines Betriebsteils. Diesen Gestaltungsspielraum nutzen auch immer mehr Unternehmen.
Betriebsratsfähige Einheiten: Keine „Spielwiese“
Dabei gibt es drei Varianten, in denen eine Organisationseinheit auch betriebsratsfähig sein kann:
- In einem Betrieb werden personelle, materielle und immaterielle Ressourcen zur Verfolgung eines bestimmten arbeitstechnischen Zwecks zusammengefasst und durch ein einheitliches Management („Leitungsapparat“) gesteuert. Dieses Management nimmt alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten wahr. Dabei ist es unschädlich, wenn die Unternehmensleitung sich einzelne Themen zur Entscheidung vorbehält. In diesem Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 BetrVG kann ein Betriebsrat gewählt werden.
- Ein Betriebsteil ist hingegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert. Der Betriebsteil kennzeichnet sich zunächst durch ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb, was bereits dann der Fall ist, wenn in dem Betriebsteil überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende und Weisungsrechte ausübende Leitung vorhanden ist.
Ist dieser Betriebsteil weit vom Hauptbetrieb entfernt oder ist er durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig aufgestellt, so fingiert das Gesetz, dass dieser Betriebsteil wie ein selbstständiger Betrieb zu behandeln ist. Er ist also grundsätzlich betriebsratsfähig. Die Arbeitnehmer haben in dieser Konstellation die Wahl, ob sie an der Wahl zum Betriebsrat im Hauptbetrieb teilnehmen möchten oder einen eigenen Betriebsrat für den Betriebsteil bevorzugen.
- Ist in dem Betriebsteil jedoch gar keine Leitung vorhanden, dann ist dieser Betriebsteil nicht einmal relativ selbstständig. Dieser unselbständige Betriebsteil ist schlicht Bestandteil des Hauptbetriebs. Die Mitarbeiter haben auch keine Option, über die Wahl eines eigenen Betriebsrats zu entscheiden. Sie können nur den Betriebsrat des Hauptbetriebs mitwählen.
- Darüber hinaus können aber auch Tarifvertragsparteien und Betriebsparteien unter bestimmten Bedingungen betriebsratsfähige Organisationseinheiten durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bilden.Diese eher selten genutzte Option bietet unter anderem die Möglichkeit, Betriebe zusammenzufassen (z.B. nach Sparten oder regionalen Organisationseinheiten), um so eine wirksamere und zweckmäßigere Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu erreichen.
Ob ein Betrieb oder ein selbstständiger oder ein unselbstständiger Betriebsteil vorliegt, gestaltet der Arbeitgeber allein über die Leitungskompetenzen eines etwaig eingesetzten Managements. Diese Leitungskompetenzen können in Stellenbeschreibungen und Vollmachten klar definiert werden.
Streitigkeiten über die Betriebsstruktur antizipieren
Dennoch kommt es immer häufiger zu Streitigkeiten über die Betriebsstruktur. Diese Streitigkeiten können zum einen politisch motiviert sein oder aber auf der schlichten Unkenntnis der Kompetenzregelungen beruhen. Wahlvorstände nehmen jedenfalls gelegentlich für sich in Anspruch, die Betriebsstruktur bestimmen zu können und die Wahlen für die von ihnen angestrebte Betriebsstruktur einzuleiten.
Wahlabbruch – (k)ein Ausweg?
Der Arbeitgeber sieht erst im Wahlausschreiben, für welchen Betrieb die Betriebsratswahl eingeleitet wurde. Nun ist guter Rat teuer. Die Möglichkeit, eine einmal in Lauf gesetzte Wahl abbrechen zu lassen, ist nämlich nach der Rechtsprechung nur dann denkbar, wenn die Wahl des Betriebsrates voraussichtlich nichtig wäre.
Eine Nichtigkeit der Wahl ist jedoch nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen denkbar, so etwa, wenn für die Einheit bereits ein Betriebsrat gewählt und im Amt ist. Streitigkeiten und Zweifel über die Betriebsratsfähigkeit einer organisatorischen Einheit gehören jedoch nach der überwiegenden Ansicht der Gerichte nicht zu den Nichtigkeitsgründen, die zu einem Abbruch eines laufenden Wahlverfahrens führen können.
Die Wahl eines Betriebsrats unter Verkennung des Betriebsbegriffs soll lediglich einen Anfechtungsgrund darstellen. Damit gibt die Rechtsprechung dem Arbeitgeber Steine statt Brot.
Statusverfahren als Lösungsansatz
Das Betriebsverfassungsgesetz bietet bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, die Möglichkeit, eine Entscheidung des Arbeitsgerichts herbeizuführen (§ 18 Abs. 2 BetrVG, sog. Statusverfahren). Hier wird festgestellt, ob es sich um eine betriebsratsfähige Einheit handelt oder nicht.
Ein solches Verfahren kann sich in Abhängigkeit von der Größe des Betriebs und der Schnelligkeit des Gerichtes jedoch ohne weiteres über sechs bis zwölf Monate hinziehen. Dieser Weg ist im laufenden Wahlverfahren, das im Regelfall auf zehn Wochen angelegt ist, keine Option.
Ein vorausschauender Arbeitgeber kann jedoch jetzt zur Vorbereitung der Betriebsratswahlen 2018 den entsprechenden Antrag stellen. In diesem Fall bestehen gute Aussichten, dass der erstinstanzliche Beschluss selbst bei den Gerichten der Republik, die für ihre längere Verfahrensdauer bekannt sind, bis zur Wahl vorliegt.
Wahlabbruch ausnahmsweise möglich
Dies bietet neben einer gewissen faktischen Bindung auch einen rechtlichen Vorteil: Die Rechtsprechung akzeptiert einen Ausnahmefall von dem Grundsatz, dass die Verkennung des Betriebsbegriffs nur zur Anfechtung führt: nämlich dort, wo bereits ein erstinstanzliches Urteil nach § 18 Abs. 2 BetrVG über die Feststellung der korrekten betriebsratsfähigen Einheit vorliegt.
Kann der Arbeitgeber einen solchen Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren präsentieren und widersprechen die Wahlunterlagen dem dort festgestellten Betriebsbegriff, so hat der Arbeitgeber auch hier sehr gute Aussichten auf den Abbruch der Wahl.