Die ersten Monate eines Arbeitsverhältnisses vereinbaren Arbeitsvertragsparteien häufig als Probezeit. Nach § 622 Abs. 3 BGB folgt aus der Vereinbarung einer Probezeit bis zu sechs Monaten die Geltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen. Meist greift in dieser Zeit auch der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz noch nicht. Beide Seiten können das Arbeitsverhältnis mit einer kurzen Kündigungsfrist unkompliziert beenden. Eine misslungene Arbeitsvertragsgestaltung kann die Option einer schnellen Probezeitkündigung jedoch zerstören. Dies zeigte zuletzt eine Entscheidung des BAG aus März 2017 (BAG, Urteil vom 23.3.2017 – 6 AZR 705/15).
Der Fall
Die Parteien hatten in ihrem Arbeitsvertrag die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages vereinbart. Nach diesem Tarifvertrag galten die ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Während der ersten drei Monate der Probezeit konnte das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche, danach bis zum Ende der Probezeit von zwei Wochen gekündigt werden. Im Arbeitsvertrag war eine Probezeit von sechs Monaten ohne Hinweis auf verkürzte Kündigungsfristen vorgesehen. In einem anderen Abschnitt des Vertrages war dagegen eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende geregelt. Eine Begrenzung für die Zeit nach der Probezeit enthielt die Klausel nicht. Der Arbeitgeber erklärte ca. vier Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die ordentliche Kündigung mit einer Frist von zwei Wochen. Die Kündigung selbst griff der Arbeitnehmer nicht an. Er beantragte aber vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf festzustellen, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht mit einer Frist von zwei Wochen sondern von sechs Wochen zum Monatsende beendet. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. In zweiter Instanz änderte das LAG Düsseldorf diese Entscheidung ab und gab dem Arbeitnehmer Recht. Hiergegen richtete sich die Revision des Arbeitgebers.
Keine wirksame Vereinbarung verkürzter Kündigungsfristen für die Probezeit
Die Revision blieb erfolglos. Das BAG entschied, auch in der Probezeit gelte die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende.
Der streitgegenständliche Arbeitsvertrag sah zum einen eine Probezeit ohne Hinweis auf verkürzte Kündigungsfristen vor. Zum anderen war eine Kündigungsfrist ohne zeitliche Einschränkungen vereinbart. Vom Arbeitgeber vorformulierte Regelungen sind aus Sicht eines durchschnittlichen, nicht rechtskundigen Arbeitnehmers auszulegen. Nach dem BAG ist bei einer solchen Gestaltung für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht erkennbar, dass während der Probezeit eine kürzere als die pauschal vereinbarte Kündigungsfrist gelten solle.
Grundsätzlich greifen in der Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB oder wie hier einem einbezogenen Tarifvertrag verkürzte Kündigungsfristen ohne besondere Vereinbarung. Dies sieht auch das BAG. Es führt jedoch aus, mit der unbegrenzt vereinbarten Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende haben die Parteien eine zulässige davon abweichende Regelung getroffen. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer werde allein durch die Verwendung des Begriffs „Probezeit“ an anderer Stelle nicht deutlich, dass entgegen der unbegrenzten Fristenregelung während der Probezeit andere Kündigungsfristen gelten sollen. Mit der Kündigungsfrist von zwei Wochen hatte der Arbeitgeber daher trotz vereinbarter Probezeit zu kurz gegriffen.
Rechtsfolgen bei Kündigung mit zu kurzer Frist
Eine Kündigung mit zu kurzer Frist ist nicht direkt insgesamt unwirksam. Sie ist zunächst als Kündigung zum rechtlich zulässigen Termin auszulegen. Sollte dies nach Wortlaut oder Begleitumständen der Kündigung nicht möglich sein, ist die Erklärung in eine wirksame Kündigung zum rechtlich zulässigen Termin umzudeuten. Die Umdeutung scheitert, wenn nicht festgestellt werden kann, der Arbeitgeber hätte bei Kenntnis von der Nichtigkeit eine Kündigung zum rechtlich zulässigen Termin ausgesprochen. Dann erst ist die Kündigung unwirksam.
Die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis daher regelmäßig wirksam trotz zu kurzer Frist – aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Gerade bei nicht wirksam vereinbarten Kündigungsfristen für die Probezeit kommt es dadurch schnell zu erheblichen Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses. Denn die dann geltenden Kündigungsfristen für die Zeit nach der Probezeit sind typischerweise deutlich länger. Der Arbeitnehmer ist bis zum späteren Endtermin zu vergüten, auch wenn er nicht gearbeitet hat. Das finanzielle Risiko einer unwirksam vereinbarten Kündigungsfrist kann sich daher auf mehrere Monatsgehälter, ggf. zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen, Gratifikationen und Boni, belaufen.
Ein Angriff auf die Kündigungsfrist droht zudem auch noch lange nach der Kündigung – und zwar bis an die Grenzen der Verwirkung des Klagerechts. Ist die Kündigungserklärung der Auslegung zugänglich, kann der Arbeitnehmer die Kündigungsfrist nach der Rechtsprechung auch außerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG angreifen. Dies ist nach dem für Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung zuständigen 2. Senat des BAG in der Regel der Fall (BAG, Urteil vom 6. 7. 2006 – 2 AZR 215/05).
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des 10. Senats des BAG (6 AZR 507/15) verdeutlicht einmal mehr, welche Folgen unglückliche Vertragsgestaltung haben kann. Arbeitgeber sollten bei der Arbeitsvertragsgestaltung daher stets sorgsam vorgehen.
Für die Regelung von Kündigungsfristen in der Probezeit bedeutet dies konkret, dass nicht einfach nur eine „Probezeit“ vereinbart werden sollte. Will man verkürzte Kündigungsfristen für die Probezeit rechtssicher festlegen, sollte dies unmissverständlich im Vertrag zum Ausdruck kommen. Im besprochenen Fall hätte schon der kurze Zusatz „nach der Probezeit“ zur Regelung der pauschalen Kündigungsfrist genügt. Damit wäre nach dem BAG der für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer sonst anscheinend unüberwindbare Widerspruch zur Probezeitvereinbarung aufgelöst und die verkürzten Kündigungsfristen hätten gegolten.