Flexible Entgeltsysteme werden von vielen Unternehmen genutzt, um Leistungsanreize zu setzen und auch beim Bonus auf unvorhergesehene finanzielle Entwicklungen reagieren zu können. Dabei greifen Unternehmen auf Ermessensboni zurück, um sich so Flexibilität bei der Bonushöhe zu schaffen. Begrenzt wird die Flexibilität durch das „billige Ermessen“. Solche Regelungen sind von der Rechtsprechung anerkannt und schnell und einfach in den Arbeitsvertrag eingebaut. Unternehmen sollten bei Gestaltung und Anwendung von Ermessensboni sorgfältig vorgehen. Sonst kann auf diese vermeintlich einfache flexible Entgeltgestaltung ein teures Erwachen folgen.
Das Bundesarbeitsgericht präzisiert seine Rechtsprechung zur gerichtlichen Festsetzung von Boni
Zuletzt entschied der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts zwei Mal zur gerichtlichen Festsetzung von Boni im Rahmen des billigen Ermessens. In 2015 entschied der 10. Senat, bei unbilliger Ermessensausübung durch das Unternehmen legt das Gericht den Bonus fest (BAG, Urteil vom 13.5.2015 – 10 AZR 266/14). In 2016 präzisierte der 10. Senat, wie die gerichtliche Festsetzung des Bonus erfolgen soll (BAG, Urteil vom 3.8.2016 – 10 AZR 710/14). In diesem Fall hatte eine internationale Großbank den arbeitsvertraglich vereinbarten Bonus eines ausgeschiedenen Mitarbeiters für 2011 vollständig gestrichen. Die Entscheidung über die Bonushöhe sollte laut Arbeitsvertrag nach billigem Ermessen erfolgen. Anderen Mitarbeitern zahlte die Bank für 2011 Boni aus. In den Vorjahren hatte der Mitarbeiter trotz nicht unerheblicher Verluste der Bank auch noch Boni erhalten. Die „Nullrunde“ für 2011 wollte er nicht hinnehmen und klagte auf einen Bonus von mindestens 52.480,00 €. Die Bank berief sich auf hohe finanzielle Verluste im maßgeblichen Geschäftsjahr (656 Mio. €). Dem 10. Senat reichte diese Begründung der Bank nicht und er entschied zu Gunsten des Mitarbeiters. Die Festsetzung des Bonus erfolgt nun durch das Landesarbeitsgericht Hessen, das nochmal entscheiden muss.
1. Stufe der arbeitsrechtlichen Prüfung: Entspricht die Bonusentscheidung des Unternehmens billigem Ermessen? – Volle Überprüfbarkeit durch die Arbeitsgerichte
Ob die Bonusentscheidung „billig“ ist, unterliegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dem folgt auch der 10. Senat. Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Entscheidung liegt ganz beim Unternehmen.
Grundsätzlich kann das Unternehmen einen Bonus auch auf Null setzen, so wie es die Bank im vorliegenden Fall getan hatte. Dem steht das Urteil des 10. Senats nicht entgegen. Eine solche Entscheidung ist nicht von vornherein unbillig. Sie ist aber nur in Ausnahmefällen und mit entsprechender Begründung zulässig. Die Anforderungen an eine „Nullrunde“ sind denkbar hoch und wurden von der Bank nicht erreicht. Zu den Anforderungen an eine solche Nullrunde auch eine Entscheidung des 10. Senats aus 2014: Eine Bank erlitt in Folge der Bankenkrise 2008/2009 einen Verlust von ca. 5 Mrd. € im maßgeblichen Bemessungszeitraum. Die vollständige Streichung der Boni entsprach in diesem Fall ausnahmsweise billigem Ermessen (BAG, Urteil vom 19.3.2014 – 10 AZR 622/13).
2. Stufe der arbeitsrechtlichen Prüfung: Gerichtliche Festsetzung von Boni bei unbilliger Ermessensentscheidung des Unternehmens
Ist die Bonusentscheidung des Unternehmens „unbillig“, wird der Bonus allein durch die Arbeitsgerichte bestimmt. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte in der Vorinstanz hiervon noch abgesehen und wies die Klage ab. Der Mitarbeiter habe nicht genügend Anhaltspunkte für eine gerichtliche Schätzung vorgetragen (LAG Hessen, Urteil vom 10.4.2014 – 19 Sa 1266/13). Das reichte dem 10. Senat nicht: Nur wenn jegliche Anhaltspunkte für eine Festsetzung des Bonus fehlen, ist eine gerichtliche Festsetzung ausnahmsweise ausgeschlossen. Anders als man erwarten könnte, trägt nicht der der Mitarbeiter als Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe seines Bonus. Sondern jede Seite muss das vortragen, was das Gericht berücksichtigen soll. Auf dieser Grundlage setzt das Gericht den Bonus fest. Schweigt das Unternehmen, muss nicht der Mitarbeiter erst Fakten liefern, um seinen Anspruch durchzusetzen. Vielmehr geht dies zu Lasten des Unternehmens.
Bedeutung für Unternehmen
Schweigen im Bonusprozess ist keine sinnvolle Taktik (mehr). Wer abwartet, verliert. Ausnahme: Der Mitarbeiter kann tatsächlich nichts vortragen und dem Gericht liegen keine anderen Anhaltspunkte für eine Entscheidung vor. Dann kann das Gericht keinen Bonus festsetzen und muss die Klage abweisen. Nach der Entscheidung des 10. Senats vom 3.8.2016 (Az. 10 AZR 710/14) dürften diese Konstellationen tatsächlich eine Ausnahme bleiben und die Arbeitsgerichte kaum noch von einer eigenen Festsetzung mangels ausreichendem Sachverhalt absehen. Damit einher geht die Gefahr, dass die Arbeitsgerichte bei dünner Faktenlage auch tendenziell hohe Boni auswerfen. Umso mehr müssen Unternehmen die für sie günstigen Umstände vortragen. Dabei sollten sie die eigene Bonusentscheidung umfassend erläutern, damit das Gericht die Bonusentscheidung des Unternehmens nicht als unbillig einstuft und es zu einer gerichtlichen Festsetzung gar nicht erst kommt.
Fazit
Es gilt daher, Vorsorge ist besser als Nachsorge. Unternehmen sollten ihr Vorgehen bei Festlegung der Boni daraufhin überprüfen, ob eine Entscheidung über die Bonushöhe im Einzelfall begründet werden kann. Wenn die Bemessungskriterien nicht im Arbeitsvertrag festgelegt sind, müssen spätestens bei Festsetzung der Bonushöhe objektiv nachprüfbare Kriterien dokumentiert werden. Dies gilt vor allem, aber nicht nur, wenn ein Bonus auf Null gekürzt werden soll. Andernfalls droht der Ermessensbonus zum kostspieligen Bumerang zu werden.