Eine betriebliche Altersversorgung, die Möglichkeit der Privatnutzung des überlassenen Dienstwagens, Halteprämien, Jubiläumsgelder, Personalrabatte – nur einige Beispiele für Vergünstigungen, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gewähren kann. Die Rechtsgrundlage für derartige Leistungen bildet nicht selten eine an alle Mitarbeiter oder eine bestimmte Mitarbeitergruppe gerichtete Gesamtzusage. Doch was, wenn der Arbeitgeber die versprochenen Leistungen reduzieren oder gänzlich einstellen möchte? Auf diese Frage gab es (bislang) eine einfache Antwort: Es wird schwierig! Allerdings hat eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.2.2016 (AZ.: 3 AZR 960/13) nunmehr möglicherweise Erleichterungen für Unternehmen gebracht.
Versprochen ist versprochen
Möchte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern einheitlich bestimmte zusätzliche Leistungen gewähren, stehen ihm hierzu grundsätzlich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Existiert ein Betriebsrat, ist die Leistungsgewährung häufig Gegenstand einer Betriebsvereinbarung. Nicht selten verpflichten sich Arbeitgeber indes durch eine Gesamtzusage. Eine solche ist schnell erteilt, beispielsweise durch einen Aushang am schwarzen Brett, eine Zusage auf einer Betriebsversammlung oder eine Mitteilung im Intranet. Dogmatisch handelt es sich um ein Vertragsangebot des Arbeitgebers an eine Vielzahl von Mitarbeitern, das diese (in der Regel) konkludent annehmen. Die zugesagte Leistung wird damit Bestandteil des jeweiligen Arbeitsvertrages.
Gerade dieser Umstand macht es für den Arbeitgeber allerdings schwierig, sich von der einmal erteilten Gesamtzusage zu lösen. Da die Mitarbeiter naturgemäß mit einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen kaum einverstanden sein werden, scheidet eine einvernehmliche Änderung der jeweiligen Arbeitsverträge in der Regel aus. Dem Arbeitgeber bliebe daher häufig nur der steinige Weg über Änderungskündigungen.
Die Ablösung der Gesamtzusage könnte zwar grundsätzlich durch eine Betriebsvereinbarung erreicht werden. Eine solche Ablösung ist nach der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Existiert allerdings im Betrieb kein Betriebsrat oder kann mit diesem keine Einigung erzielt werden (was bei verschlechternden Änderungen oftmals der Fall sein dürfte), ist dem Arbeitgeber mit dieser Ablösungsvariante nicht geholfen.
Der vermeintlich einfache Ausweg könnte für den Arbeitgeber in der Erteilung einer abändernden Gesamtzusage bestehen. Eine solche Ablösung einer Gesamtzusage durch Gesamtzusage kommt allerding nur in Betracht, wenn die ursprüngliche Zusage einen (wirksamen!) Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt enthält. Da es sich bei der Gesamtzusage in der Regel um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, muss sich ein solcher Vorbehalt an §§ 307 ff. BGB messen lassen. Insbesondere muss er sich im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unmissverständlich aus der ursprünglichen Zusage selbst ergeben. Unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zu Änderungs- und Widerrufsvorbehalten fehlt es in der Praxis oftmals an einem solchen wirksamen Vorbehalt in der ursprünglichen Zusage.
Eine neuere Entscheidung des BAG könnte die einseitige Loslösung des Arbeitgebers von einer Gesamtzusage indes erleichtern.
Die Entscheidungen des BAG vom 23.2.2016
Der Entscheidung des BAG vom 23.2.2016 lag ein betriebsrentenrechtlicher Sachverhalt zugrunde. Streitig war im konkreten Fall, ob die für den Kläger ursprünglich geltende Versorgungsordnung durch spätere verschlechternde Regelungen wirksam abgelöst wurde. Sowohl bei der ursprünglichen Versorgungsordnung als auch bei der ablösenden Regelung handelte es sich letztlich um Gesamtzusagen. Das BAG hatte sich daher unter anderem mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der Arbeitgeber die bestehende Versorgungsordnung einseitig durch eine neue Gesamtzusage zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer abändern konnte.
Diese Änderungsmöglichkeit hat das BAG im Grundsatz bejaht. In seiner Begründung stellt es dabei maßgeblich darauf ab, dass die ursprüngliche Zusage „dynamisch“ ausgestaltet sei: Einem Arbeitgeber, der sich zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Gesamtzusage verpflichtet, komme es darauf an, die Leistungen nach einheitlichen Vorgaben zu erbringen. Da die Geltung der Regelungen auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt sei, seien diese von vornherein auch für die Begünstigten erkennbar einem möglichen künftigen Änderungsbedarf ausgesetzt. Der Arbeitgeber sage vor diesem Hintergrund mit einer Gesamtzusage regelmäßig nur eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu. Nur so werde eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung für alle Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers, für die die Versorgungsordnung gelten soll, sichergestellt.
Damit geht das BAG letztlich davon aus, dass einer solchen Gesamtzusage grundsätzlich ein Änderungsvorbehalt immanent sei.
Problem gelöst?
Zumindest im Bereich der betrieblichen Altersversorgung dürften auf Grundlage dieser Entscheidung die Hürden für das „Ob“ einer verschlechternden Ablösung durch eine Gesamtzusage deutlich gesunken sein. Da das BAG in entsprechende Zusagen einen (wirksamen) Änderungsvorbehalt „hineinliest“, stünde einer Änderung jedenfalls nicht – wie sonst häufig der Fall – die fehlende Transparenz des Vorbehalts entgegen.
Ob das BAG hinsichtlich des „Ob“ der Änderungsmöglichkeit ebenso großzügig wäre, wenn es sich um Leistungen außerhalb der betrieblichen Altersversorgung handelte, erscheint zweifelhaft. Es spricht Einiges dafür, dass das Gericht bei seiner Entscheidung den Besonderheiten von betrieblichen Altersversorgungssystemen, die meist auf viele Jahrzehnte hin angelegt sind, Rechnung getragen hat. Aus einer großzügigen Versorgungszusage, die ein Unternehmen möglicherweise in seinen Anfangszeiten der noch überschaubaren Belegschaft erteilt hat, können sich über die Jahre nicht abzusehende erhebliche wirtschaftliche Belastungen ergeben. Dass der Arbeitgeber nicht „auf immer und ewig“ an eine solche Zusage gebunden sein kann, leuchtet ein.
Anders könnte die Rechtsprechung möglicherweise die Interessenlage beurteilen, wenn es um die Ablösung einer Gesamtzusage geht, die weniger einschneidende Verpflichtungen des Arbeitgebers zum Gegenstand haben, beispielsweise die Gewährung einer Sonderzahlung in feststehender Höhe zum 10-jährigen Dienstjubiläum.
Kein Freifahrtschein für einseitige Änderungen
Selbst wenn man in sämtliche Gesamtzusagen nunmehr einen wirksamen Änderungsvorbehalt „hineinlesen“ könnte, ergäbe sich aus der Entscheidung des BAG gleichwohl kein Freifahrtschein für Unternehmen, sich von unliebsamen Verpflichtungen zu lösen. Denn inhaltlich müssen sich die Änderungen jedenfalls an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Diese Maßstäbe hat die Rechtsprechung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung durch ein dreistufiges Prüfungsschema konkretisiert. Je nachdem, auf welcher Stufe des erworbenen Besitzstandes eingegriffen wird, setzt eine Änderung danach zwingende, triftige oder sachlich-proportionale Gründe voraus. Bei sonstigen zusätzlichen Leistungen werden unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Ausübung von Änderungs- und Widerrufsvorbehalten zumindest sachliche Gründe für die Änderungen vorliegen müssen. Überdies müssten die Änderungen in ihrer Reichweite unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen den Mitarbeitern zumutbar sein.
Ein „Alleingang“ des Arbeitgebers dürften zudem in der Regel nicht ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich sein. Denn soweit der Arbeitgeber die zusätzlichen Leistungen nicht vollständig einstellen möchte, wird regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen.
Fazit
Die Gesamtzusage als Grundlage zur Gewährung zusätzlicher Leistungen an die Belegschaft bleibt auch nach der Entscheidung des BAG vom 23.2.2016 mit Vorsicht zu genießen. Nach wie vor sollten Arbeitgeber bei der Ausgestaltung von Gesamtzusagen größte Sorgfalt walten lassen, um sich eine zukünftig Umgestaltung oder gar Einstellung der Leistungen nicht unnötig zu erschweren.
Lesen Sie ergänzend hierzu auch den Beitrag von Groß zu „Dienstwagen – Best Practice für die Gewährung“, bereits veröffentlicht auf diesem Blog.