Mit unliebsamen Kollegen arbeitet niemand gerne zusammen. Wenn aber plötzlich Teile der Belegschaft die Kündigung des unliebsamen Kollegen fordern, wird die Sache für den Arbeitgeber unangenehm. Dies gilt umso mehr, wenn die Forderung mit der Androhung von Eigenkündigungen oder Arbeitsniederlegungen verbunden wird. Schon immer galt: der Arbeitgeber darf einem solchen Druck der Belegschaft nicht einfach nachgeben. Er muss sich vielmehr schützend vor den Betroffenen stellen und den erzeugten Druck abwehren. Diese Anforderungen hat das BAG nun nochmals erhöht. Dies ergibt sich aus zwei aktuellen Entscheidungen zur Druckkündigung.
Grundsätze der „echten“ Druckkündigung
Die Rechtsprechung erkennt seit jeher das Vorliegen einer Drucksituation als Grund an, der den Arbeitgeber zu einer Kündigung des Betroffenen berechtigt. Danach kann das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, auch ohne Vorliegen eines objektiven Kündigungsgrunds eine Kündigung rechtfertigen. Typische Fälle sind die Drohung der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen und Massenkündigungen sowie die Drohung eines Kunden, die Geschäftsbeziehung abzubrechen. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflichten muss sich der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Druckkündigung schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Wenn trotz solcher Bemühungen gleichwohl die Verwirklichung der Drohungen in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung des Betroffenen gerechtfertigt sein. Dies gilt aber nur dann, wenn die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (vgl. BAG v. 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15).
Erhöhte Anforderungen an die Abwehr des Drucks
Mit zwei neueren Entscheidungen hebt das BAG die Anforderungen an das Verhalten des Arbeitgebers in der konkreten Situation zur Abwehr des Drucks der anderen Arbeitnehmer an. Die Pflicht des Arbeitgebers, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, erfordere ein aktives Handeln des Arbeitgebers, das darauf ausgerichtet sein müsse, den Druck abzuwehren (vgl. BAG v. 15. Dezember 2016 – 2 AZR 431/15; BAG v. 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15).
Vor diesem Hintergrund sei es dem Arbeitgeber etwa zuzumuten, den Konfliktparteien zunächst die Durchführung eines Mediationsverfahrens anzubieten, ehe er eine Druckkündigung in Erwägung zieht. Nur wenn erkennbar sei, dass sich eine der Konfliktparteien der freiwilligen Teilnahme an dem Mediationsverfahren verschließen würde, wäre das Unterlassen eines solchen Angebots für die Wirksamkeit der Druckkündigung unschädlich (vgl. BAG v. 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15).
Noch plastischer zeigen sich die Konsequenzen der erhöhten Anforderungen in der Entscheidung des BAG vom 15. Dezember 2016 (2 AZR 431/15). Die Arbeitgeberin, Betreiberin eines Containerterminals, hatte einem Arbeitnehmer wegen der Verurteilung hinsichtlich einer außerdienstlichen Straftat, nämlich des Missbrauchs eines Kindes, gekündigt. Der Arbeitnehmer war im Kündigungsschutzverfahren erfolgreich und wollte nach Verbüßung der Freiheitstrafe seine Arbeit wieder aufnehmen. Als die Belegschaft der Arbeitgeberin davon erfuhr, weigerten sich mehrere hundert Arbeitnehmer, die Arbeit aufzunehmen, solange sich der Arbeitnehmer auf dem Terminalgelände aufhielt. Wiederholte Aufforderungen der Arbeitgeberin, die Arbeit aufzunehmen, waren erfolglos. Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin angesichts dieser Drucksituation zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden eine erneute (Druck- )Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer.
Damit hatte die Arbeitgeberin nach Einschätzung des BAG nicht genug getan. Hatte das LAG Bremen als Vorinstanz (vgl. den Blog-Beitrag von Dr. Oliver Vollstädt vom 8. Dezember 2015) noch angenommen, der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, mit arbeitsrechtlichen Sanktionen wie Abmahnung, Kündigungsandrohung und Lohnkürzung gegen die streikende Belegschaft vorzugehen, verweist das BAG genau auf diese Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Arbeitnehmer verletzten ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten, wenn sie die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt. Dem Arbeitgeber sei es zuzumuten, die Arbeitnehmer auf ihre schwerwiegende Pflichtverletzung und etwaige arbeitsrechtliche Konsequenzen hinzuweisen. Ob und unter welchen Voraussetzungen es dem Arbeitgeber dann tatsächlich zuzumuten sei, die in Aussicht gestellten Konsequenzen umzusetzen, ließ das BAG ausdrücklich offen.
Sonderfall: Vorheriges Kündigungsschutzverfahren
Auch in einer weiteren Hinsicht legte das BAG nochmal nach: Soweit der Arbeitgeber bereits unwirksam gekündigt hat und der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzverfahren wieder beschäftigt werden soll, seien an das zumutbare Verhalten des Arbeitgebers besondere Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber müsse in diesem Fall dem subjektiven Eindruck entgegentreten, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“. Andernfalls könnten sich die Arbeitnehmer bestärkt fühlen in ihrem Entlassungsverlangen und ihrer Bereitschaft, diesem durch Druck zum Erfolg zu verhelfen. Im Ergebnis ist der Arbeitgeber damit verpflichtet, seine ursprüngliche Kündigung als grundlos und unberechtigt gegenüber der Belegschaft darzustellen. Dies soll offenkundig verhindern, dass der Arbeitgeber die Drucksituation unterstützt oder gar herbeiführt, um sie als „letzte Ausfahrt“ vor der drohenden Weiterbeschäftigung zu wählen.
Praxisfolgen
Das BAG hat den Weg zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine Druckkündigung mit seinen jüngsten beiden Entscheidungen in Teilen versperrt. Die Anforderungen an den Arbeitgeber, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, gehen bei einer vorherigen erfolglosen Kündigung nun sehr weit. Er muss die Entscheidung der Arbeitsgerichtsbarkeit gegen seine eigene frühere Kündigungsentscheidung gegenüber der Belegschaft verteidigen. Dabei werden Lippenbekenntnisse nicht ausreichen, so dass viele Arbeitgeber diesen Weg für nicht gangbar ansehen werden.
Bei spontanen Arbeitsniederlegungen kann es künftig zu einem Showdown zwischen Arbeitgeber und der „streikenden Belegschaft“ kommen: Die „Streikenden“ legen ihre Arbeit nieder und drohen mit Kündigung. Der Arbeitgeber stellt deswegen arbeitsrechtliche Konsequenzen, etwa durch den Ausspruch von Abmahnungen, in Aussicht – ohne Erfolg. Dann muss die Entscheidung fallen: Wer wird nun gekündigt? Ist der Ausspruch einer Abmahnung mit Kündigungsandrohung gegenüber den „Streikenden“ nun die Grundlage für eine wirksame Druckkündigung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer? Eine seltsame Konsequenz, für die sich das BAG noch nicht verbindlich ausgesprochen hat. Andernfalls wäre aber wohl das Ende der Druckkündigung nahe.
Zur Vertiefung verweisen wir auf den ausführlichen Grundsatzbeitrag von Vollstädt/Bergwitz, in der Fachzeitschrift „Der Betrieb“ erschienen ist („Druckkündigung – Notstand oder Selbstjustiz? – Plädoyer für die Prüfung der Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung“, DB 2015, 2735 ff., online abrufbar [€] als Veröffentlichung DB1159839).