Eskaliert die Auseinandersetzung mit einem streitbaren Betriebsrat, können sich Unternehmen unfreiwillig als Beteiligte in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren wiederfinden. Zur Durchsetzung (vermeintlich) missachteter Rechte sind auf Seiten des Betriebsrats nicht selten Unterlassungsanträge das Mittel der Wahl. Der einzige gesetzlich normierte Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG ist insoweit ein Evergreen. Dennoch sind dessen Voraussetzungen bislang nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt.
Grober Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten
Konsens besteht zunächst dahingehend, dass ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten vorliegen muss. Die in Betracht kommenden Pflichtverletzungen sind vielfältig: Missachtung von Unterrichtungs- und Beratungsrechten, Nichteinhaltung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten, Verstöße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Dabei ist nicht erforderlich, dass es zum wiederholten Male zu einem Verstoß kommt. Auch ein einmaliger Verstoß kann bereits „grob“ sein, sofern er objektiv erheblich, d.h. von besonderem Gewicht ist.
Mitunter stellt sich daneben aber auch die Frage, ob der Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nach § 23 Abs. 3 BetrVG zwingend eine konkrete Wiederholungsgefahr voraussetzt, d.h. weitere Verstöße drohen müssen. Wäre dies nicht der Fall, könnte der Betriebsrat einen Unterlassungstitel – quasi „auf Vorrat“ – allein auf Basis zurückliegender Verstöße erwirken, selbst wenn sich der zugrundeliegende Sachverhalt längst erledigt hat.
Bislang kein klares Bekenntnis des BAG
Erstaunlicherweise hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) insoweit noch nicht zu einem klaren Bekenntnis durchgerungen (bzw. durchringen müssen). Was auch daran liegen mag, dass älteren Entscheidungen gegenläufige Auffassungen verschiedener BAG-Senate zu entnehmen sind. So hatte der 6. Senat das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr im Jahr 1985 ausdrücklich verneint (Beschluss v. 18.4.1985 – 6 ABR 19/84). Der 1. Senat war demgegenüber fünf Jahre später der Ansicht, dass zwar grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr gegeben sein müsse, diese jedoch durch die Vielzahl der Verstöße in der Vergangenheit indiziert werde (Beschluss v. 27.11.1990 – 1 ABR 77/89). Zuletzt hat das BAG diese Fragestellung mehrfach offengelassen.
In einer jüngeren Entscheidung hat sich nunmehr das LAG Baden-Württemberg eingehend mit der Problematik auseinandergesetzt (Beschluss v. 20.7.2016 – 21 TaBV 4/16).
Worum ging es in der Entscheidung?
Der Entscheidung lag ein Streit über den Einsatz von Fahrdienstplänen zugrunde. Die Arbeitgeberin, Betreiberin öffentlichen Nahverkehrs, stellte neue Fahrdienstpläne auf, denen der Betriebsrat die Zustimmung verweigerte. Dessen ungeachtet verwendete die Arbeitgeberin die Dienstpläne, woraufhin der Betriebsrat arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren einleitete. Dies mit dem Ziel, die Anwendung der Dienstpläne untersagen zu lassen. Hiermit scheiterte der Betriebsrat sowohl vor dem Arbeitsgericht Stuttgart als auch vor dem LAG Baden-Württemberg.
Nach Ansicht des LAG sprach zwar vieles für ein „grob“ betriebsverfassungswidriges Verhalten des Unternehmens, da es sich gleich in einer Vielzahl von Fällen über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 BetrVG hinweggesetzt hatte. Es fehle jedoch an der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche sei jedenfalls immer dann erforderlich, wenn der betriebsverfassungswidrige Zustand nicht mehr andauere.
Unterlassung nur zukunftsbezogen
Zur Begründung führt das LAG zunächst aus, die Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG solle bereits nach ihrem Wortlaut nur künftiges betriebsverfassungskonformes Verhalten des Arbeitgebers sichern. Danach kann das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber aufgeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Wenn insoweit bereits die gesetzliche Formulierung an die Zukunft anknüpft, ergebe sich daraus, dass nicht die Vergangenheit sanktioniert werden, sondern vielmehr die Zukunft geändert werden soll. Vergangene Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz seien nach Maßgabe der Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 119, 121 BetrVG) zu ahnden. Der Unterlassungsanspruch sei gerade kein bloßer „Vorratsanspruch“.
Doch auch das LAG ist der Ansicht, bereits begangene Verstöße des Arbeitgebers würden grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr indizieren. Damit teilt es die Auffassung des 1. Senats des BAG. Dieser hatte zuletzt im Jahr 2014 die indizielle Wirkung zurückliegender Verstöße bejaht und ausgeführt, eine Wiederholungsgefahr sei nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet.
Eine solche Ausnahme bejahte das LAG in seiner Entscheidung und lehnte eine konkrete Wiederholungsgefahr ab. Dies folge daraus, dass zwischen den Parteien zwischenzeitlich eine Betriebsvereinbarung geschlossen wurde, die regelt, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Parametern ein Dienstplan aufzustellen ist. Mit dieser Betriebsvereinbarung sei das Mitbestimmungsrecht ausgeübt, sodass künftig kein grober Verstoß möglich sei.
Die Entscheidung des LAG verdient Zustimmung. Richtigerweise erkennt das Gericht, dass sämtlichen Unterlassungsansprüchen eine Wiederholungsgefahr immanent ist. So ist etwa auch im Hinblick auf zivilrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach allgemeiner Auffassung eine Wiederholungsgefahr zwingende Voraussetzung. Es ist nicht ersichtlich, weshalb für den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats andere Maßstäbe gelten sollten. Ein solcher Anspruch würde ohnehin ins Leere laufen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Gefahr eines erneuten Verstoßes nicht (mehr) besteht.
Beseitigung der Wiederholungsgefahr
Weniger erfreulich ist aus Arbeitgebersicht, dass ein grober Verstoß bereits die Wiederholungsgefahr indizieren soll, was letztlich zur „Beweislastumkehr“ führt. Insoweit schließt sich die Frage an, wie eine indizierte Wiederholungsgefahr entkräftet werden kann, wenn das „Kind in den Brunnen gefallen“ ist und sich der Arbeitgeber einen betriebsverfassungsrechtlicher Pflichtenverstoß eingestehen muss. Die Zusicherung des Unternehmens, sich zukünftig betriebsverfassungskonform verhalten zu wollen, reicht allein jedenfalls nicht aus.
Das im Rahmen anderer Unterlassungsansprüche – außerhalb des Betriebsverfassungsrechts – teilweise praktizierte Vorgehen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn das BAG hat bereits 2004 entschieden, dass eine Vereinbarung, durch die sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, unwirksam ist. Der Betriebsrat besitze dafür nicht die erforderliche Vermögens- und Rechtsfähigkeit. Auch eine Vertragsstrafzahlung an das einzelne Betriebsratsmitglied scheidet aus. Denn dies wäre eine gemäß § 78 Satz 2 BetrVG verbotene Begünstigung.
Möglich wäre allerdings, über die betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, die Anlass zu dem Verstoß gegeben hat, eine Betriebsvereinbarung zu schließen. Da dies – ist die Auseinandersetzung erst einmal eskaliert – oftmals leichter gesagt als getan ist, kann es mitunter ratsam sein, eher früher als später den Weg in die Einigungsstelle zu suchen. Denn auch wenn es keinen Unterlassungsanspruch „auf Vorrat“ gibt, wird es für das Unternehmen regelmäßig die bevorzugte Lösung sein, es gar nicht erst auf Gerichtsverfahren ankommen zu lassen.
Siehe zur umgekehrten Konstellation den Beitrag Handlungsmöglichkeiten bei Pflichtverstößen des Betriebsrats.