Fachkräfte für Arbeitssicherheit spielen eine zentrale Rolle bei Arbeitsschutz und Unfallverhütung. Handelt es sich bei ihnen um Arbeitnehmer, können deren Arbeitsverhältnisse selbstverständlich dennoch gekündigt werden. Bedarf es hierzu der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats?
Der Arbeitgeber hat gem. § 1 Satz 1 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) u.a. Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, die ihn beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung unterstützen sollen. Die wichtige Stellung der Fachkraft für Arbeitssicherheit wird arbeitsrechtlich durch Sonderregelungen flankiert. So darf sie gem. § 8 Satz 2 ASiG wegen der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben nicht benachteiligt werden. Außerdem ist sie gem. § 9 Abs. 3 ASiG mit Zustimmung des Betriebsrats zu bestellen und abzuberufen. Der Zustimmung des Betriebsrats bedarf es auch, wenn die Aufgaben der Fachkraft für Arbeitssicherheit erweitert oder eingeschränkt werden sollen.
Als Fachkraft für Arbeitssicherheit kann ein betriebsangehöriger Arbeitnehmer bestellt werden. Will der Arbeitgeber dessen Arbeitsverhältnis, z.B. noch in der Probezeit, beenden, wird er einen bestehenden Betriebsrat zuvor gem. § 102 BetrVG anhören und dann die Kündigung aussprechen. Solange die Anhörung ordnungsgemäß und die Kündigung im Übrigen nicht willkürlich ist, muss er einen anschließenden Kündigungsschutzprozess nicht fürchten. Oder etwa doch? Kann der Arbeitnehmer einwenden, der Betriebsrat hätte vor der Kündigung einer Abberufung als Fachkraft für Arbeitssicherheit zustimmen müssen? Gibt es damit im Ergebnis ein Zustimmungserfordernis bei Kündigungen?
Diese Frage ist höchstrichterlich ungeklärt, lediglich einige Landesarbeitsgerichte haben sich in der jüngeren Vergangenheit mit ihr beschäftigt. Dabei sprechen die besseren Argumente, wie noch zu zeigen sein wird, gegen ein solches Zustimmungserfordernis.
Ein Blick in die Rechtsprechung
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer älteren Entscheidung bislang nur mit dem Fall eines Betriebsarztes beschäftigt (BAG, Urt. v. 24.03.1988 – 2 AZR 369/87). Demnach führe die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Abberufung eines Betriebsarztes zumindest dann zur Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn diese auf Gründe gestützt würde, die sachlich mit der Tätigkeit als Betriebsarzt im untrennbaren Zusammenhang stünden.
Nach Auffassung des LAG Hamm führe die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 ASiG nicht zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung (LAG Hamm, Urt. v. 14.06.2005 – 19 Sa 287/05). Zu diesem Ergebnis gelangt das LAG Hamm jedoch nur, weil die betriebsbedingte Kündigung im konkreten Fall in keinem Zusammenhang mit der Amtsausübung gestanden habe.
Dagegen hat das LAG Niedersachsen jüngst zutreffend entschieden, dass die Kündigung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht schon dann unwirksam sei, wenn der Betriebsrat der Abberufung gem. § 9 ASiG nicht ausdrücklich zugestimmt hätte. Allerdings könne die Kündigung gem. § 134 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 2 ASiG unwirksam sein, wenn die Fachkraft wegen der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben benachteiligt würde (LAG Niedersachsen, Urt. v. 29.10.2015 – 4 Sa 951/14). Eine solche Benachteiligung könne auch in einer Kündigung liegen, deren Gründe inhaltlich mit der Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit zusammenhingen.
Keine Zustimmung des Betriebsrats erforderlich
Die bislang vorliegende Rechtsprechung überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit hat keine Auswirkungen auf deren Wirksamkeit. Die Prüfung eines „untrennbaren Zusammenhangs“, auch hinsichtlich einer vermeintlichen Benachteiligung, ist weder nötig, noch zulässig.
Wortlaut der Norm
Bereits der Wortlaut von § 9 Abs. 3 ASiG als traditionell erster und wichtigster Anknüpfungspunkt für die Auslegung, ist eindeutig und schließt die Annahme eines Zustimmungserfordernisses aus. Die Vorschrift erfasst lediglich die Abberufung und Bestellung sowie die Erweiterung und Beschränkung des Aufgabenkreises. Der Begriff „Kündigung“ findet sich dagegen an keiner Stelle. Eine Auslegung, die im Ergebnis ein faktisches Zustimmungserfordernis statuieren würde, ist damit „contra legem“.
Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 ASiG
Aber auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen gegen eine über § 102 BetrVG hinausgehende Beteiligung des Betriebsrats. Erkennbar befasst sich § 9 Abs. 3 ASiG nämlich gar nicht mit der Situation der Beendigung, sondern ist vielmehr auf die Ausgestaltung des laufenden Arbeitsverhältnisses zugeschnitten. Diese zeigt sich durch die abschließende Verwendung der Begriffspaare „Bestellung“ und „Abberufung“ sowie „Erweiterung“ und „Beschränkung“ der Aufgaben. Es hätte, sofern vom Gesetzgeber gewollt, auf der Hand gelegen, diese Reihe um den Begriff der „Kündigung“ zu erweitern. Zu kurz greift deswegen auch die Argumentation, die Kündigung stelle die stärkste Form der Abberufung dar. Sie vermengt sinnwidrig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beendigung der Funktion der Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Gesetzessystematik I
Darüber hinaus würde die Annahme eines Zustimmungserfordernisses einen Bruch mit der arbeitsrechtlichen Gesetzessystematik darstellen. Dem Arbeitsrecht sind solche Zustimmungserfordernisse zwar nicht fremd – soweit es sie gibt, sind sie aber ausdrücklich normiert, z.B. in § 103 BetrVG (Fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds). Gleiches gilt, soweit das Unterlassen bestimmter Maßnahmen zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen soll, z.B. im Fall des § 102 BetrVG (Betriebsratsanhörung). Diese ausdrückliche Normierung ist nicht zuletzt auch verfassungsrechtlich geboten. Insoweit wäre ein „ungeschriebenes“ Zustimmungserfordernis mit einer ebenso „ungeschriebenen“ Unwirksamkeitsfolge in § 9 Abs. 3 ASiG schlicht systemfremd. Dem Gesetzgeber kann mit Blick auf die Regelungen in §§ 102, 103 BetrVG vielmehr unterstellt werden, ein solches Erfordernis nicht gewollt zu haben.
Gesetzessystematik II
Besonders drastisch würde sich ein Zustimmungserfordernis in der Probezeit auswirken. Verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung, müsste der Arbeitgeber nämlich gem. § 9 Abs. 3 ASiG i.V.m. §§ 87, 76 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. Bis diese entschieden hat, kann die Probezeit längst abgelaufen sein. Der § 9 Abs. 3 ASiG hätte dann den veritablen (und sicher nicht gewollten) Effekt, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit entgegen § 1 Abs. 1 KSchG ab Tag 1 „vollen Kündigungsschutz“ hätten. Ein Widerspruch träte aber auch bei der Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG auf. Um einen Gleichlauf mit den geringeren Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung nach dem KSchG zu gewährleisten, ist hier regelmäßig die Angabe eines kurzen Werturteils ausreichend. Im Falle der Fachkraft für Arbeitssicherheit müsste der Arbeitgeber dagegen letztlich sowohl in der Betriebsratsanhörung als auch im Kündigungsschutzprozess umfassend dazu vortragen, weshalb die Kündigung nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Fachkraft steht.
Fazit
Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind keine Fachkräfte für die eigene Arbeits“platz“sicherheit. Kündigungen bedürfen nicht der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats, insbesondere nicht während der Probezeit. Das von der Rechtsprechung bemühte Konstrukt des „untrennbaren Zusammenhangs“ eröffnet dem Arbeitnehmer im Übrigen den Einwand, sein gesamtes Verhalten sei stets zugleich ein solches der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Es belastet den Arbeitgeber damit in unzulässiger Weise mit Unwägbarkeiten beim Ausspruch vor allem von verhaltensbedingten Kündigungen.