Die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung spielt in der Praxis eine wichtige Rolle. Nicht selten scheitern Kündigungen bereits an dieser formellen Hürde, was zu erheblichen – insbesondere finanziellen – Nachteilen für den Arbeitgeber führen kann. An die Anhörung werden dabei nicht nur hohe inhaltliche Anforderungen gestellt. Auch in formeller Hinsicht gibt es Tücken und Fallstricke zu beachten. So verleitet eine Stellungnahme des Betriebsrats zur Anhörung leicht zum Ausspruch der Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist. Hier ist nach einer aktuellen Entscheidung des BAG indes erhöhte Aufmerksamkeit geboten.
Kündigung nur nach Abschluss des Anhörungsverfahrens wirksam
Das Gesetz regelt, dass der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören ist (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Erfasst werden grundsätzlich alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers. Sinn und Zweck dieses Anhörungsverfahrens ist es, dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung eine Einflussnahme auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers zu ermöglichen. So ist denn auch eine Kündigung ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats unwirksam (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Einer unterlassenen Anhörung steht es dabei gleich, wenn die Kündigung vor Ablauf der Frist ausgesprochen wird, die dem Betriebsrat zur Äußerung zusteht. Bei einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung beträgt diese Frist eine Woche, bei einer außerordentlichen Kündigung drei Tage (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 und 3 BetrVG). Allerdings muss der Betriebsrat die genannten Fristen nicht voll ausschöpfen. Vielmehr kann er zur mitgeteilten Kündigungsabsicht bereits vor Ablauf seiner Äußerungsfrist abschließend Stellung nehmen. In diesem Fall wird das Beteiligungsverfahren vorzeitig beendet. Folge: Der Arbeitgeber kann die Kündigung nun umgehend erklären. Es wäre auch völlig überflüssig, wenn der Arbeitgeber trotz abschließender Stellungnahme des Betriebsrats erst noch den regulären Ablauf der Anhörungsfrist abwarten müsste. Dies wird von der Rechtsprechung des BAG anerkannt. In der Praxis besteht jedoch oftmals das Problem, zutreffend zu beurteilen, ob eine Äußerung des Betriebsrats tatsächlich abschließend ist.
Wann ist das Anhörungsverfahren abgeschlossen?
Einfach ist es, wenn der Betriebsrat seine Stellungnahme ausdrücklich als abschließend ausweist. Diesen Gefallen tut der Betriebsrat dem Arbeitgeber jedoch häufig nicht. In diesem Fall muss der Arbeitgeber die Stellungnahme des Betriebsrats auslegen (vgl. bereits BAG v. 12.3.1987 – 2 AZR 176/86). Dabei mag der Arbeitgeber versucht sein, die Erklärung zu seinen Gunsten als abschließend zu deuten. Dies gilt insbesondere, wenn durch einen Ausspruch der Kündigung vor dem regulären Ablauf der Anhörungsfrist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem früheren Termin möglich ist. Die Trauben für eine Auslegung einer Erklärung des Betriebsrats als abschließend hängen jedoch hoch. Dies hat das BAG in einer aktuellen Entscheidung noch einmal bestätigt (vgl. BAG v. 25.5.2016 – 2 AZR 345/15).
Danach bedarf es für die Annahme einer vorzeitig verfahrensbeendenden Stellungnahme des Betriebsrats besonderer Anhaltspunkte. Hierzu hat das BAG erklärt, dass der Betriebsrat während seiner Anhörungsfrist nicht auf eine einmalige Äußerung beschränkt sei. Er könne eine bereits abgegebene Stellungnahme jederzeit erweitern, ohne sich dies explizit vorbehalten zu müssen. Diese Aussage überrascht. Die darauf gestützte Schlussfolgerung ist indes nachvollziehbar: Will der Arbeitgeber eine Kündigung nach einer Äußerung des Betriebsrats vor Ablauf der Anhörungsfrist aussprechen, muss feststehen, dass es sich um eine abschließende Erklärung gehandelt hat.
Früher hat das BAG dabei teilweise darauf abgestellt, ob der Arbeitgeber annehmen durfte, der Betriebsrat wünsche keine weitere „Erörterung“ des Falles (vgl. BAG v. 24.6.2004 – 2 AZR 461/03). Diesen Anknüpfungspunkt hat das BAG jedoch in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich aufgegeben. Es kommt nicht mehr auf den Wunsch des Betriebsrats einer „Erörterung“ (= argumentative Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) an. Vielmehr muss die Auslegung nun eindeutig ergeben, dass der Betriebsrat sich bis zum Ablauf der Anhörungsfrist nicht noch einmal – und sei es nur zur Ergänzung seiner bisherigen Begründung – „äußern“ wird. Der Arbeitgeber muss aufgrund der bisherigen Äußerung davon ausgehen können, der Betriebsrat werde unter keinen Umständen „mehr tun als bereits geschehen“.
Nach Ansicht des BAG ist danach regelmäßig von einer abschließenden Stellungnahme auszugehen, wenn der Betriebsrat der Kündigung ausdrücklich oder vorbehaltlos zustimmt. Gleiches gilt bei einer Erklärung des Betriebsrats, von einer Äußerung zur Kündigungsabsicht abzusehen. Hingegen reicht es nach dem aktuellen BAG-Urteil beispielsweise nicht aus, dass der Betriebsratsvorsitzende dem Arbeitgeber das Ergebnis der Beschlussfassung des Gremiums mitgeteilt hat. Dies schließe eine erneute Beschlussfassung des Betriebsrats oder eine Ergänzung der mitgeteilten Beschlussgründe durch den Vorsitzenden nicht aus. Fehlt es an sicheren Anhaltspunkten für eine abschließende Stellungnahme, muss der Arbeitgeber nach dem aktuellen BAG-Urteil beim Betriebsratsvorsitzenden nachfragen und um entsprechende Klarstellung bitten. Auf die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden darf sich der Arbeitgeber dann verlassen.
Fazit
Eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats ermöglicht, die Kündigung bereits vor Ablauf der Anhörungsfrist auszusprechen. Dabei muss jedoch zweifelsfrei feststehen, dass es sich tatsächlich um eine abschließende Erklärung des Betriebsrats handelt. Keine Probleme bestehen, wenn der Betriebsrat seine Erklärung ausdrücklich als abschließend bezeichnet. Insofern bietet es sich an, der Betriebsratsanhörung ein vom Betriebsrat auszufüllendes Formular beizufügen, welches die Ankreuz-Option „Abschließende Stellungnahme“ enthält. Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Bezeichnung durch den Betriebsrat, bedarf es einer Auslegung der Erklärung. Eine diesbezügliche Fehleinschätzung führt zur Unwirksamkeit der vorfristig ausgesprochenen Kündigung und geht damit zu Lasten des Arbeitgebers. Im Zweifel sollte der Betriebsratsvorsitzende vorsorglich um schriftliche Klarstellung gebeten oder aber – wenn möglich – auf einen vorfristigen Kündigungsausspruch verzichtet werden.