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Betriebliche Altersvorsorge

Betriebsrentenanpassung Teil 3: Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers

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Betriebsrente

Nachdem sich der zweite Teil unserer Serie zur Betriebsrentenanpassung eingehend mit dem Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers auseinandergesetzt hat, widmet sich der nachfolgende Beitrag der Frage, wann der Arbeitgeber eine Rentenanpassung wegen schlechter wirtschaftlicher Lage ablehnen darf. Hierzu hat der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts in einer Vielzahl von Entscheidungen Bewertungsgrundsätze herausgearbeitet (vgl. zuletzt BAG v. 7.6.2016 – 3 AZR 191/15), die nachfolgend in ihren wesentlichen Grundzügen dargestellt werden.

Wirtschaftliche Lage als zukunftsbezogene Größe – Erstellung einer Prognose

Eine der Kaufkraftentwicklung oder dem Anstieg der Reallöhne entsprechende Anpassung der Betriebsrente (siehe hierzu Teil 2 der Serie) kann der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ablehnen, soweit seine wirtschaftliche Lage einer Anpassung entgegensteht. Der Grundgedanke lautet, dass ein Unternehmen durch die Anpassung der Betriebsrenten nicht langfristig wirtschaftlich geschwächt werden soll. Denn dem Erhalt des Betriebes und seiner Arbeitsplätze ist gegenüber der Anpassung der Betriebsrenten stets Vorrang einzuräumen.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe, die Auskunft über die finanzielle Belastbarkeit des Arbeitgebers bis zum nächsten Anpassungsstichtag geben soll. Sie setzt dementsprechend eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden drei Jahren voraus. Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist dabei der jeweils aktuelle Anpassungsstichtag. Als Beurteilungsgrundlage für die Prognose dient in erster Linie die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, sofern hieraus Schlüsse für die weitere wirtschaftliche Entwicklung gezogen werden können. Späteren Erkenntnissen kann allenfalls indizielle Bedeutung zukommen. Bei der Rückschau ist auf einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren abzustellen.


Entscheidend für die Prognose sind dabei regelmäßig allein die wirtschaftlichen Verhältnisse des versorgungspflichtigen Unternehmens, selbst wenn dieses in einen Konzern eingebunden ist. Nur in besonderen Ausnahmefällen kommt eine Zurechnung der wirtschaftlichen Lage anderer Konzernunternehmen (sog. Berechnungsdurchgriff) in Betracht, beispielsweise bei Bestehen von Beherrschungsverträgen.

Übermäßige Belastung und Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens

Die Anpassung von Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung kann ganz oder teilweise abgelehnt werden, soweit das Unternehmen übermäßig belastet würde. Die Belastung ist übermäßig, wenn es mit einiger Wahrscheinlichkeit unmöglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag aufzubringen (BAG v. 28.4.1992 – 3 AZR 142/91). Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn das Unternehmen

  • keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet oder
  • nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt.

Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung

Unter der Eigenkapitalverzinsung versteht man das Verhältnis von Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag zu Eigenkapital. Untechnisch gesprochen drückt die Eigenkapitalverzinsung aus, welchen Gewinn ein Unternehmen mit dem eingesetzten Kapital erzielt. Nach der (nicht unumstrittenen) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Berechnung zum einen das erzielte „Betriebsergebnis“ und zum anderen die Höhe des Eigenkapitals zu Grunde zu legen (vgl. BAG v. 7.6.2016 – 3 AZR 191/15).

Als Ausgangspunkt für die Ermittlung des „Betriebsergebnisses“ bietet sich der im Jahresabschluss ausgewiesene Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag an. Maßgeblich sind dabei allein die Werte der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse des Unternehmens. Nach anderen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS bzw. IAS) erstellte Jahresabschlüsse sind zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers hingegen ungeeignet. Der Jahresüberschuss/-fehlbetrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nicht unverändert zu übernehmen. Vielmehr sind betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen vorzunehmen. Bestimmte Erträge und Verluste bleiben bei der Ermittlung des erzielten „Betriebsergebnisses“ außer Betracht, wenn sie nicht repräsentativ für die weitere Ertragslage des Unternehmens und daher für eine Prognose ungeeignet sind. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Ermittlung des erzielten Betriebsergebnisses unter anderem folgende Umstände unberücksichtigt zu lassen:

Dem für das Geschäftsjahr betriebswirtschaftlich korrigierten Jahresüberschuss ist sodann das in den handelsrechtlichen Bilanzen ausgewiesene Eigenkapital gegenüberzustellen. Da sich das Eigenkapital im Laufe eines Geschäftsjahres ständig verändert, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Es ist vielmehr von einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres wird dementsprechend addiert und anschließend halbiert (vgl. BAG v. 15.4.2014 – 3 AZR 85/12). Nach alledem ergibt sich folgende Formel zur Berechnung der Eigenkapitalverzinsung:

(Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag / durchschnittliches Eigenkapital) x 100 = Eigenkapitalverzinsung in %

Vergleichsmaßstab für eine angemessene Eigenkapitalverzinsung

Ob die Eigenkapitalverzinsung des Unternehmens angemessen ist, beurteilt sich anhand eines Vergleichs mit der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen zuzüglich eines Risikozuschlags von 2 %. Erreicht die Eigenkapitalverzinsung diesen Vergleichsmaßstab in den der Prognose zu Grunde gelegten Geschäftsjahren nicht, ist keine Anpassung vorzunehmen, da das Unternehmen die nötige Rentabilität nicht erzielt und die Anpassungslasten nicht aus dem erwirtschafteten Wertzuwachs finanziert werden können. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Niedrigzinsphase hat der vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Vergleichsmaßstab zwar zuletzt erhebliche Kritik erfahren. Denn die Renditen der Anleihen der öffentlichen Hand lagen inklusive des zweiprozentigen Risikozuschlags in den letzten Jahren unter 3 %, mithin in Größenordnungen, in denen aus Unternehmenssicht keinesfalls von einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung gesprochen werden kann. Gleichwohl hält der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts weiterhin an dem gewohnten Vergleichsmaßstab fest (vgl. BAG v. 11.11.2014 – 3 AZR 116/13).

Eigenkapitalauszehrung

Die fehlende wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens kann sich zudem aus einer Eigenkapitalauszehrung ergeben. Denn ein wettbewerbsfähiges Unternehmen benötigt genügend Eigenkapital. Die Eigenkapitalausstattung beeinflusst die Liquidität des Unternehmens und seine Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und Verluste zu verkraften. Zudem kann sich die Eigenkapitalausstattung auf die künftigen Betriebsergebnisse auswirken. Jedenfalls wenn das Eigenkapital unter das gezeichnete Stammkapital sinkt, können die erzielten Gewinne des Unternehmens daher zunächst zum Aufbau des Eigenkapitals genutzt werden. Erst wenn der Wiederaufbau des Eigenkapitals erfolgt ist, kann dem Unternehmen die Anpassung der Betriebsrenten wieder zugemutet werden (vgl. BAG v. 23.1.2001 – 3 AZR 287/00).

Fazit

Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, eine Anpassung der Betriebsrenten abzulehnen. Ob dies der Fall ist, sollte im Vorfeld der Anpassungsentscheidung sorgfältig unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geprüft werden. In einem ersten Schritt empfiehlt sich dabei die Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung des Unternehmens in den letzten drei Jahren vor dem Anpassungsstichtag. Liegt die Eigenkapitalverzinsung unterhalb des vom Bundesarbeitsgericht herangezogenen Vergleichsmaßstabs oder verfügt das Unternehmen nur über eine unzureichende Eigenkapitalausstattung, kann eine Anpassung der Betriebsrenten unterbleiben.

Im vierten und vorerst letzten Teil unserer Serie zur Betriebsrentenanpassung wird der häufig verkannte, in der Praxis aber sehr bedeutsame Unterschied zwischen nachholender und nachträglicher Anpassung erläutert.

Jochen Saal

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Jochen Saal berät Arbeitgeber und Füh­rungs­kräfte vor allem bei der Umsetzung jeglicher Umstruk­tu­rie­rungsmaßnahmen. Besondere Expertise besitzt Jochen Saal zudem im Bereich der betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Hier unterstützt er unter anderem bei der Ver­ein­heit­li­chung von Pen­si­ons­plä­nen, dem Out­sour­cing von Pensionsverpflichtungen sowie betriebs­ren­ten­recht­li­chen Fragen im Zusam­men­hang mit Betriebs­über­gän­gen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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