Eine Situation, wie sie bei den Arbeitsgerichten landauf, landab täglich vorkommt: die Parteien vergleichen sich über die Wirksamkeit einer vereinbarten Befristung oder den Abschluss eines weiteren befristeten Vertrages nach Streit über die Befristung des vorangegangenen – und vertrauen auf die Wirksamkeit des Vergleichs. Ist dieses Vertrauen mit Blick auf die neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.06.2016 berechtigt? Und was gilt vor allem, wenn der Vergleich gar nicht in der Verhandlung selbst geschlossen wird? Worauf müssen Arbeitgeber dann achten, damit es kein böses Erwachen gibt?
Der gerichtliche Vergleich als Sachgrund
Befristungen von Arbeitsverträgen bedürfen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) eines sachlichen Grundes (auf die sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden). Ein sachlicher Grund liegt gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG insbesondere vor, wenn die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Eine weitere Befristungskontrolle findet dann nicht statt. Diese Funktion erfüllt vielmehr das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 08.06.2016 – 7 AZR 339/14). Darüber hinaus setzt § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG voraus, dass zwischen den Parteien ein offener Streit über den Fortbestand oder die Fortsetzung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses besteht. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Vergleich zur Beilegung einer Bestandsstreitigkeit über den Eintritt oder die Wirksamkeit eines Beendigungstatbestandes (Kündigung, Befristung) abgeschlossen wird (BAG, Urt. v. 08.06.2016). Soweit, so gut, der gerichtliche Vergleich also quasi als „Blankoscheck“ für den Arbeitgeber? Das ist bestenfalls die halbe Wahrheit.
Der Vergleich außerhalb des Gerichtssaales
Nicht immer im Rechtsstreit wird nur in der Gerichtsverhandlung ein Vergleich geschlossen. Vielmehr kann es auch davor oder danach zu Verständigungen bzw. zur Vergleichsbereitschaft kommen. Hier hilft dann § 278 Abs. 6 Satz 1 der Zivilprozessordnung. Nach dieser Vorschrift kann ein gerichtlicher Vergleich nämlich auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (Variante 1), oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen (Variante 2).
Die Unterscheidung zwischen beiden Varianten ist von immenser Bedeutung für die Wirksamkeit einer in dem Vergleich vereinbarten Befristung: In der Regel erfüllt nämlich nur die Variante 2 die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG (BAG, Urt. v. 14.01.2015 – 7 AZR 2/14; BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10), weil nur dann die erforderliche verantwortliche Mitwirkung des Gerichts vorliegt. Diese Mitwirkung liegt auch vor, wenn das Gericht sich einen von den Parteien vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den Parteien unterbreitet. Wird der Vergleich dagegen in der Variante 1 geschlossen, also indem die Parteien dem Gericht einen übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, fehlt es in der Regel an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts (BAG, Urt. v. 14.01.2015; BAG, Urt. v. 15.02.2012). Bei einem Vergleich in der Variante 1 ist der gerichtliche Beitrag – abgesehen von der Prüfung von Verstößen gegen Strafgesetze und gegen §§ 134, 138 BGB – regelmäßig auf eine Feststellungsfunktion beschränkt. Eine auf einem solchen Vergleich beruhende Befristung ist deshalb in der Regel nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG sachlich gerechtfertigt (BAG, Urt. v. 08.06.2016)
Formalismus und Risiken in der Praxis
In der Praxis führt die Rechtsprechung des BAG unbestreitbar zu einem gewissen Formalismus: der Arbeitgeber ist gut beraten, stets einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag und sowie dessen möglichen Wortlaut „anzuregen“. Von der Mitteilung einer nur noch vom Gericht zu beschließenden, bereits erfolgten Einigung der Parteien sollte er dagegen dringend absehen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich der Arbeitnehmer später erfolgreich auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen kann. Mittels (rechtzeitiger) Entfristungsklage gem. § 17 TzBfG kann er dann das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses geltend machen – die vermeintliche Sicherheit des gerichtlichen Vergleichs ist dahin. Einer solchen Klage kann der Arbeitgeber regelmäßig nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 BGB entgegenhalten. Dies kommt nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht, etwa in dem praktisch seltenen Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber in Kenntnis der Unwirksamkeit der Befristung auf einen Vergleichsabschluss in der Variante 1 gedrängt hatte (BAG, Urt. v. 15.02.2012).
Kein Rechtsprechungswandel
Der skizzierte Formalismus ist durch die neue Entscheidung des BAG vom 08.06.2016 nicht obsolet geworden. Nach Ansicht der Erfurter Richter soll in Ausnahmefällen auch die Variante 1 ausreichen, um die Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich zu rechtfertigen. Der zugrundeliegende Fall ist typisch: Die Parteien verständigten sich außergerichtlich über den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber teilte dem Gericht dann mit, die Parteien hätten sich geeinigt, und beantragte, das Zustandekommen des von ihm übermittelten Vergleichstexts zu beschließen. Dennoch unterbreitete das Gericht den Parteien einen eigenen (wortgleichen) Vorschlag und ergänzte, es gehe vom Einverständnis des Arbeitgebers aus (von dem der Vorschlag ja schließlich stamme). Nachdem der Arbeitnehmer zugestimmt hatte, stellte es das Zustandekommen des Vergleichs fest. Eine gesonderte Zustimmung des Arbeitgebers gab es nicht mehr.
Das BAG ließ offen, ob es sich dabei um Variante 2 handelte. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen der Variante 1 vor und die Befristung sei wirksam. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht seiner aus Art. 12 GG abgeleiteten Schutzpflicht nicht nachgekommen wäre; durch seinen Vergleichsvorschlag habe es am Inhalt des Vergleichs verantwortlich mitgewirkt. Damit konnte das BAG auch offenlassen, ob die Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags schon vor dessen Unterbreitung möglich ist. Dies hätte man bejahen müssen, um Variante 2 annehmen zu können (weil es eine gesonderte Annahme durch den Arbeitgeber nach Unterbreitung ja nicht mehr gegeben hatte). Stattdessen nahm das BAG einen Vergleich direkt zwischen den Parteien und ausnahmsweise auch in Variante 1 eine hinreichende Mitwirkung des Gerichts an. Arbeitgeber sollten dennoch unverändert stets Variante 2 wählen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer später „Anhaltspunkte“ für eine fehlende verantwortliche Mitwirkung des Gerichts vortragen kann und die Befristung unwirksam ist.
Vorsicht auch bei Kündigungsfristen
Wird nach einer Beendigungskündigung im Vergleich eine Verlängerung der Kündigungsfrist vereinbart, kann sich ebenfalls die Frage nach einer wirksamen Befristung stellen. Zwar unterliegen Aufhebungsverträge grundsätzlich keiner Befristungskontrolle. Im Einzelfall, insbesondere bei einem Überschreiten der Kündigungsfrist um ein Vielfaches und bei Fehlen der für eine Beendigung typischen Regelungen, z.B. einer Abfindung, kann jedoch eine „befristete Fortsetzung“ vorliegen (BAG, Urt. v. 15.02.2007 – 6 AZR 286/06). Soll es nicht zur unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (statt zur Beendigung) kommen, ist also auch hier bei Abschluss des Vergleiches vorsorglich Variante 2 zu wählen.