Häufig liegt es im Interesse des Arbeitgebers, in Abwicklungsverträgen einen sog. Klageverzicht vorzusehen. Zulässig ist dies nach der Rechtsprechung des BAG nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 BGB allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer für den Klageverzicht eine kompensierende Gegenleistung erhält. In einer jüngeren Entscheidung konkretisiert das BAG diese Grenze der Vertragsgestaltung (BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14): Die Entscheidung betrifft die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch ein „gutes“ Zeugnis als Gegenleistung für einen Klageverzicht ausreichen kann.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Anschluss an eine betriebsbedingte Kündigung innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG einen Abwicklungsvertrag geschlossen haben. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber, dem Kläger ein qualifiziertes Endzeugnis mit der Gesamtnote „gut“ zu erteilen. Der Arbeitnehmer erklärte im Gegenzug den Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
Die vom Arbeitnehmer gleichwohl erhobene Klage war nach Ansicht des BAG zulässig. Ein vor Ablauf der Frist nach § 4 Satz 1 KSchG erklärter Klageverzicht sei im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn keine ihn „kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers“ vereinbart werde. Ein Zeugnis genüge dafür nicht, denn der Arbeitnehmer habe nach § 109 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GewO ohnehin einen Anspruch auf ein qualifiziertes Endzeugnis. Auch das Versprechen eines „guten“ Zeugnisses ändere an der Unangemessenheit nichts. Wegen des Grundsatzes der Zeugniswahrheit sei dies als bloße Dokumentation einer tatsächlich zutreffenden Bewertung zu verstehen. Der einzig gewährte Vorteil liege somit in der Beweiserleichterung für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das Zeugnis. Ein solches „bloß prozessuales“ Entgegenkommen des Arbeitgebers bei der Durchsetzung eines ohnehin bestehenden Anspruchs sei kein angemessener Ausgleich für den Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage.
Die Entscheidung liegt im Grundsatz auf der Linie der bisherigen gefestigten Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit von Klageverzichtsvereinbarungen: Der Arbeitnehmer kann nach Zugang der Kündigung vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG einseitig auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichten (BAG v. 3.5.1979 – Az. 2 AZR 679/77). Grundsätzlich zulässig ist auch die entsprechende einvernehmliche Regelung eines solchen Klageverzichts in einem Abwicklungsvertrag (BAG v. 25.9.2014 – Az. 2 AZR 788/13).
Grenzen werden der Gestaltung von Abwicklungsverträgen – und damit auch der Vereinbarung eines Klageverzichts – insbesondere durch das Recht der AGB-Kontrolle gesetzt. Da Abwicklungsverträge Verbraucherverträge sind, gilt der strenge, für AGB s für Prüfungsmaßstab bei vom Arbeitgeber verwendeten vorformulierten Verträgen selbst dann, wenn die in ihnen enthaltenen Regelungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Deshalb sind auch Klageverzichtsvereinbarungen in der Praxis nahezu ausnahmslos am Maßstab der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen, es sei denn, die Formulierung würde vom Arbeitnehmer vorgeschlagen.
Unter welchen Voraussetzungen eine Klageverzichtsvereinbarung der Angemessenheitskontrolle standhält, war bislang durch die Rechtsprechung kaum konkretisiert. Klar war nur, dass der reine Klageverzicht „ohne jede arbeitgeberseitige Kompensation“ den Arbeitnehmer „regelmäßig“ unangemessen benachteiligt und folglich unwirksam ist. Lediglich in einem obiter dictum konkretisierte das BAG den Maßstab und nannte als mögliche kompensatorische Gegenleistungen beispielhaft Zugeständnisse bezüglich des Beendigungszeitpunkts, die Zahlung einer Abfindung oder den Verzicht auf eigene Ersatzansprüche (BAG v. 6.9.2007 – Az. 2 AZR 722/06).
Die Literatur neigte bisher eher dazu, die vom BAG errichtete Hürde der „arbeitgeberseitigen Kompensation“ als nicht allzu hoch einzuschätzen. Im Wesentlichen wurde das BAG so interpretiert, dass der vereinbarte Klageverzicht zulässig sei, solange er den Arbeitnehmer nicht völlig einseitig belaste. Dafür sprach insbesondere, den Klageverzicht als „Hauptleistung“ des Abwicklungsvertrages nicht der Inhaltskontrolle zu unterziehen – mithin die „Preisfindung“ für den Klageverzicht den Vertragsparteien und nicht dem Arbeitsgericht zu überlassen. Dementsprechend bejahte auch das LAG Niedersachsen in der Vorinstanz unter Verweis auf die grundsätzliche Kontrollfreiheit der Hauptleistungspflichten die Angemessenheit der Gegenleistung in Gestalt eines guten Zeugnisses (LAG Niedersachsen v. 27.3.2014 – Az. 5 Sa 1099/13).
Die gegenläufige Entscheidung des BAG kommt vor diesem Hintergrund unerwartet. Sie überzeugt vom Begründungsansatz nicht: Fragwürdig ist schon die Annahme der „Wertlosigkeit“ des versprochenen Zeugnisses – in der Praxis können insoweit „klare Verhältnisse“ (und seien sie auch nur prozessualer Natur) für den Arbeitnehmer nämlich durchaus von beachtlichem Wert sein. Ein „gutes“ Zeugnis ist insbesondere dann nicht wertlos, wenn zwischen der Arbeitsvertragsparteien die Leistungen des Arbeitnehmers unterschiedlich beurteilt werden, der Arbeitnehmer sich durch den Abwicklungsvertrag u.U. einen längeren Prozesse (ggf. über mehreren Instanzen zu führenden) Prozess erspart oder das Arbeitsverhältnis gar aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt worden ist. Trefflich streiten lässt sich auch über die dogmatische Frage, ob durch den Klageverzicht tatsächlich von der Regelung des § 4 Satz 1 KSchG abgewichen wird. Dagegen wird etwa eingewendet, dass die Vorschrift die Frage der Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage gar nicht unmittelbar regele.
Alle berechtigte Kritik ändert freilich nichts daran, dass sich die Praxis auf die Entscheidung des BAG wird einstellen müssen. Erschwert wird dies allerdings durch die fehlenden brauchbaren Maßstäbe für die Angemessenheit der Gegenleistung. Insbesondere fehlt es an einem klaren Orientierungsmaßstab des BAG, wie hoch eine Abfindung zu sein hat, um den Klageverzicht zu kompensieren. Allgemeingültige Aussagen dürften sich diesbezüglich auch verbieten. Denn letztlich hängt die Angemessenheit von den Umständen des Einzelfalles ab (z.B. welches Interesse hat der Arbeitnehmer an einer einvernehmlichen Beendigung? Wir zweifelhaft ist die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung?). Unklar ist auch, welche sonstigen Gegenleistungen für den Klageverzicht neben der Abfindung unter welchen Voraussetzungen alternativ oder kumulativ (noch) in Betracht kommen. Eindeutige Aussagen über rechtssichere Vertragsgestaltungen verbieten sich daher. Vieles ist abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles. Dabei ist anzuraten, diese ggf. stichwortartig z.B. in der Präambel des Abwicklungsvertrages festzuhalten. Dennoch ist zu befürchten: Der „Preis“ für einen wirksamen Klageverzicht dürfte tendenziell steigen.
Weiterführende Hinweise
Mehr zum Thema Gestaltung von Abwicklungsverträgen finden Sie in dem Beitrag von Dr. Alexander Ulrich zu den Anforderungen an die Ausübung einer Sprinterklausel.