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Betriebsrat Betriebsverfassung Kündigung, allgemein

Ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern

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Betriebsratsmitglieder können gemäß § 15 Abs. 1 KSchG grundsätzlich nur außerordentlich gekündigt werden, und auch dies nur mit Zustimmung des Betriebsrates. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht einleiten. Der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder gilt für die Dauer ihrer Amtszeit und für ein weiteres Jahr nach Ausscheiden aus dem Betriebsratsamt. Auch Wahlbewerber bzw. Mitglieder des Wahlvorstandes genießen Sonderkündigungsschutz bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist möglich, wenn der gesamte Betrieb stillgelegt wird. Wird dagegen nur eine Betriebsabteilung stillgelegt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Betriebsratsmitglied in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Nur wenn eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen unmöglich ist, kann der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied auch im Zusammenhang mit der Stilllegung einer einzelnen Betriebsabteilung ordentlich kündigen.

Abgrenzbare Betriebsabteilung

Dabei kann bereits der Nachweis einer eigenständigen Betriebsabteilung mit Schwierigkeiten verbunden sein. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Betriebsabteilung vom Gesamtbetrieb organisatorisch abgrenzbar sein. Dies setzt voraus, dass der Leiter einer Betriebsabteilung die Entscheidungsbefugnis darüber besitzt, wie er die Mitarbeiter seiner Arbeitsgruppe einsetzt und ihren Einsatz zeitlich organisiert. Auch müssen einer Betriebsabteilung eigene Betriebsmittel zur Verfügung stehen und muss die Betriebsabteilung einen eigenen, abgrenzbaren Betriebszweck verfolgen (wobei ein Hilfszweck zum arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs genügt).


Fehlende Möglichkeit zur Übernahme in andere Betriebsabteilung

Schließlich muss die Übernahme des Betriebsratsmitgliedes in eine andere Betriebsabteilung aus betrieblichen Gründen unmöglich sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Fall, wenn das Betriebsratsmitglied auf einem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise eingesetzt werden kann.

Darlegungslasten

Der Arbeitgeber trägt für den Nachweis der fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Betriebsratsmitglieds die volle Darlegungs- und Beweislast. Insbesondere ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle denkbaren Übernahmemöglichkeiten eingehend zu prüfen und den Umfang seiner Überlegungen sowie deren Ergebnis im Kündigungsschutzprozess substantiiert darzulegen. Der Arbeitgeber muss nicht nur nachweisen, dass das Betriebsratsmitglied im Kündigungszeitpunkt auf keiner der freien Stellen im Betrieb eingesetzt werden konnte, sondern auch, dass keine Pflicht zur Freikündigung anderer Mitarbeiter im Betrieb bestand.

Die Weiterbeschäftigung ist jedenfalls dann wirtschaftlich unvertretbar, wenn das Betriebsratsmitglied nicht die formalen Qualifikationen (erfolgreich abgeschlossenes Studium, erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung, etc.) für die jeweilige Position besitzt und diese auch nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraums erwerben kann. Von vornherein ausgeschlossen ist eine Weiterbeschäftigung auf höherwertigen Positionen.

Stellen ohne formales Qualifikationsprofil

Schwieriger wird es, wenn das Stellenprofil zwar keine formalen Qualifikationen voraussetzt, wohl aber bestimmte persönliche Eigenschaften bzw. sog. soft skills (etwa bei Verkaufstätigkeiten), die üblicherweise im Vorstellungsgespräch unter Beweis gestellt werden.

Sofern das Betriebsratsmitglied bereits zuvor auf entsprechenden Stellen ohne formales Qualifikationsprofil beschäftigt war, kann die wirtschaftliche Unvertretbarkeit einer Weiterbeschäftigung unter Verweis auf weit unterdurchschnittliche Leistungen in der Vergangenheit nachgewiesen werden. Hierzu wird der Arbeitgeber auch Vergleichsdaten anderer Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum vorlegen müssen. Handhabbare Maßstäbe, wann eine Leistung „weit unterdurchschnittlich“ ist, sind in der Rechtsprechung bislang nicht entwickelt worden. Eine grobe Orientierung dürften jedoch die zur sog. „Low-Performer“- Kündigung entwickelten Grundsätze bieten (weniger als 2/3 der Durchschnittsleistung bei quantitativ messbarer Arbeitsleistung, vgl. BAG v. 11.12.2003, 2 AZR 667/02).

Freikündigungspflicht auch zulasten sozial schutzbedürftigerer Arbeitnehmer?

Die Freikündigungspflicht greift grundsätzlich auch zulasten sozial schutzbedürftigerer Arbeitnehmer. Jedoch sind nach unterinstanzlicher Rechtsprechung und einer weit verbreiteten Auffassung in der Fachliteratur stets das Interesse der Belegschaft an einer Weiterbeschäftigung der durch § 15 KSchG geschützten Person gegen das betriebliche Interesse an einer Weiterbeschäftigung des ggfls. freizukündigenden Arbeitnehmers abzuwägen.

So kann die Interessenabwägung ergeben, dass der Arbeitsplatz eines mehrfachen Familienvaters mit jahrelanger Betriebszugehörigkeit nicht zugunsten eines Wahlvorstandsmitgliedes im Nachwirkungszeitraum freigekündigt werden muss. Andererseits kann bei ständigen Konflikten mit dem Arbeitgeber ein dringendes Interesse der Belegschaft an einer Weiterbeschäftigung eines langjährigen Betriebsratsmitgliedes bestehen, das im Einzelfall auch zur Freikündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers berechtigen kann.

Die aktiven Mandatsträger genießen bei nur begrenzt zur Verfügung stehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gegenüber nachwirkend geschützten Ersatzmitgliedern Vorrang. Dies folgt aus Sinn und Zweck des § 15 KSchG. Denn § 15 KSchG soll die Kontinuität des Betriebsratsamtes gewährleisten.

Eine Pflicht zur Freikündigung ordentlich unkündbarer Mitarbeiter besteht nicht. Denn für eine außerordentliche Kündigung eines ordentlich unkündbaren Mitarbeiters zugunsten eines Betriebsratsmitgliedes fehlt es an einem wichtigen Grund gem. § 626 BGB.

Fazit

Die Kündigung von Betriebsratsmitgliedern im Zusammenhang mit der Stilllegung einer Betriebsabteilung ist mit hohen Darlegungs- und Beweislasten verbunden. Der Arbeitgeber muss nicht nur nachweisen, dass die Arbeitsgruppe, in der das Betriebsratsmitglied beschäftigt wurde, eine eigenständige Betriebsabteilung war, sondern auch, dass das Betriebsratsmitglied im Kündigungszeitpunkt auf keinem anderen Arbeitsplatz innerhalb des Betriebes eingesetzt werden konnte. Der Arbeitgeber muss somit für jeden einzelnen Arbeitsplatz ein Stellenprofil darlegen und nachweisen, dass das Betriebsratsmitglied die hierfür erforderlichen Qualifikationen nicht besitzt und auch nicht innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes erwerben kann.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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