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Aufhebungsvertrag Kündigung, allgemein

Anforderung an die Ausübung einer „Sprinterklausel“

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Arbeitsvertragsparteien vereinbaren in Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie in gerichtlichen Vergleichen häufig sog. „Sprinterklauseln“. Damit wird dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, durch einseitige Erklärung und meist unter Einhaltung einer kurzen Ankündigungsfrist das Arbeitsverhältnis vorzeitig, also vor dem eigentlichen Beendigungszeitunkt zu beenden. Von einer solchen Klausel wird insbesondere bei längeren Kündigungsfristen Gebrauch gemacht, um dem Arbeitnehmer den Antritt einer neuen Beschäftigung kurzfristig zu ermöglichen. Zudem sehen Sprinterklauseln regelmäßig vor, dass der Arbeitnehmer bei der vorzeitigen Beendigung eine erhöhte Abfindung in Höhe der bis zum eigentlichen Beendigungszeitpunkt eingesparten Gehälter oder eines Teiles davon erhält.


Telefax genügt nicht

In einem nun vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt und dem Mitarbeiter über eine Sprinterklausel das Recht zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeräumt. Im konkreten Fall hatte der Mitarbeiter die Sprinterklausel durch Übermittlung eines Telefaxes an den Arbeitgeber ausgeübt. Das per Telefax übermittelte Schreiben wurde dem Arbeitgeber nicht im Original übersandt.

Schriftform bleibt Schriftform

Das BAG hat nun am 17. Dezember 2015 (Az. 6 AZR 709/14) klargestellt, dass bei Ausübung der Sprinterklausel Formvorschriften zu beachten sind. Konkret hat das BAG entschieden, dass auch die Erklärung der vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich oder in einer außergerichtlichen Vereinbarung dem gesetzlich nicht abdingbaren Schriftformerfordernis des § 623 BGB i.V.m. § 126 BGB unterliege. Die Ausübung einer Sprinterklausel sei als Kündigungserklärung durch den Arbeitnehmer anzusehen. Das BAG widersprach damit der Auffassung der Berufungsinstanz, die die Erklärung des Arbeitnehmers nicht als Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern als Abänderung der getroffenen Abwicklungsvereinbarung angesehen hatte. Damit sind Erklärungen des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mündlich, per Fax, Telefon oder E-Mail unwirksam. Vielmehr muss dem Arbeitgeber zur Ausübung der Sprinterklausel ein unterzeichnetes Schreiben im Original zugehen.

Keine Auswirkung auf die Länge der Ausübungsfrist

Die Argumentation des BAG, die vorzeitige Beendigungserklärung des Arbeitnehmers sei eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, hätte – streng zu Ende gedacht – auch zu Einschränkungen bei der Gestaltung der Sprinterklausel hinsichtlich der vom Arbeitnehmer einzuhaltenden Ankündigungsfrist führen können. Doch diesen Schritt geht das BAG nicht. Vielmehr belässt das BAG den Vertragsparteien den vertraglichen Spielraum bei Festlegung der Ankündigungsfrist mit dem Argument, dass die Vertragsparteien den Schutz der Grundkündigungsfrist des § 622 Absatz 1 BGB nicht benötigen. Die Sprinterklausel und damit die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen in beiderseitigem Interesse. Zudem habe der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in § 12 Satz 1 KSchG ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht ausdrücklich eingeräumt. Danach kann der Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Fall der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung verweigern, wenn er bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist. Dann erlischt das Arbeitsverhältnis bereits mit Zugang der Erklärung beim Arbeitgeber – ohne Berücksichtigung der Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB.

Sozialversicherungsrechtliche Stolperfalle für Arbeitgeber

Die Sprinterklausel kann also nur bei Einhaltung der Schriftform wirksam ausgeübt werden. Die Missachtung des Schriftformerfordernisses lässt das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig enden. Dies ist problematisch für den Arbeitnehmer, der rechtzeitig eine neue Arbeitsstelle antreten möchte. Doch nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber sollte unbedingt auf eine formgerechte und damit wirksame Ausübung der Sprinterklausel achten. Zahlt der Arbeitgeber nämlich die eingesparten Gehälter als erhöhte Abfindung an den Arbeitnehmer aus, führt er für diesen Betrag keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Endete das Arbeitsverhältnis aber nicht aufgrund der formunwirksamen Ausübung der Sprinterklausel, kann die Zahlung des Arbeitsgebers nicht als Abfindung eingeordnet werden, sondern stellt Arbeitslohn dar. Zahlungspflichtiger und somit Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist im Außenverhältnis nach § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV aber allein der Arbeitgeber. Die Zahlungspflicht umfasst sowohl seinen (Arbeitgeberanteil) als auch den vom Beschäftigten zu tragenden Anteil (Arbeitnehmeranteil) an den Sozialversicherungsbeiträgen. Eine zukünftig genauere Überprüfung der formgerechten vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverträgen durch die Deutsche Rentenversicherung dürfte nicht überraschen. Da die Ansprüche der Sozialversicherungsträger regelmäßig gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV erst nach vier Jahren verjähren, kann dies für den Arbeitgeber zu einer rückwirkenden finanziellen Belastung führen. Dies umso mehr, als ein Rückgriff auf den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer regelmäßig nicht mehr möglich ist.

Zu weiteren Fragen der Schriftform siehe auch unseren Beitrag von Dr. Jan Heuer zu „Arbeitsrecht 1.0 – Die Schriftform„.

Dr. Alexander Ulrich 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht / Abogado (Madrid)
Partner
Alexander Ulrich besitzt besondere Expertise in der grenz­über­grei­fen­den arbeits­recht­li­chen Beratung inter­na­tio­na­ler Unter­neh­men und Private-Equity-Häuser in Zusam­men­hang mit Umstruk­tu­rie­run­gen, Ver­la­ge­run­gen und Unter­neh­mens­käu­fen. Des Weiteren verfügt er über jahrelange Erfahrung in der Beratung von Vorständen und Geschäfts­füh­rern und besondere Bran­chen­kennt­nisse im Healthcare-Sektor sowie im kirchlichen Arbeitsrecht. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity / M&A".
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