Um Arbeitsabläufe in Konzernen zu optimieren, haben sich in den letzten Jahren zunehmend unternehmensübergreifende Arbeitsorganisationen etabliert. Zu nennen ist hier insbesondere die Matrixstruktur. Von einer Matrixstruktur wird im Allgemeinen gesprochen, wenn neben der klassischen hierarchischen Organisationsstruktur eine unternehmensübergreifende Gliederung nach Funktions- bzw. Produktionsbereichen erfolgt. In diesem mehrdimensionalen Aufbau haben die Mitarbeiter der einzelnen Konzernunternehmen oftmals mehrere Vorgesetzte. Gehören diese verschiedenen Konzernunternehmen an, stellen sich insbesondere hinsichtlich der Ausübung des Weisungsrechts Fragen.
Ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht überhaupt übertragbar?
Anerkannt und in der Praxis üblich ist, dass der Vertragsarbeitgeber sein Weisungsrecht auf niedrigere Hierarchieebenen des Unternehmens delegieren kann. Dies ist arbeitsrechtlich unproblematisch und bedarf insbesondere auch nicht der Zustimmung des Arbeitnehmers. Anders kann der Fall liegen, wenn das arbeitsvertragliche Weisungsrecht auf Mitarbeiter eines anderen (Konzern-)unternehmens übertragen werden soll. Dann bekommt der Mitarbeiter Vorgesetzte, die gar nicht zu „seinem“ Unternehmen gehören. Denn aus § 613 Satz 2 BGB folgt das Prinzip der Höchstpersönlichkeit des Arbeitsverhältnisses. Durch Aufspaltung des Weisungsrechts und entsprechende arbeitsvertragliche Regelungen lassen sich Konflikte zum Weisungsrecht vermeiden.
Aufspaltung des Weisungsrechts möglich
Das arbeitsvertragliche Weisungsrecht lässt sich nach allgemeiner Ansicht in ein disziplinarisches und in ein fachliches Weisungsrecht aufspalten. Das disziplinarische Weisungsrecht beinhaltet beispielsweise die Kompetenzen zum Ausspruch von Abmahnungen und Kündigungen. Das fachliche Weisungsrecht umfasst hingegen die Kompetenz, die Art und Weise der Arbeitsleistung zu bestimmen.
Bei Übertragung zumindest lediglich des fachlichen Weisungsrechts auf z.B. den Produkt- bzw. Funktionsmanager in einer Matrixorganisation, liegt ein Verstoß gegen § 613 Satz 2 BGB in der Regel nicht vor. Letztendlich ist dies allerdings noch nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesichert.
Vereinbarung von Matrixklauseln möglich
Um rechtliche Restrisiken zu vermeiden, können sog. Matrixklauseln im Arbeitsvertrag helfen. Diese können beispielsweise vorsehen, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter jederzeit in einer unternehmensübergreifenden Arbeitsorganisation einsetzen darf und das fachliche Weisungsrecht nicht vom Vertragsarbeitgeber ausgeübt wird. Um Verstöße gegen das AGB-Recht zu vermeiden, sollte klargestellt werden, dass das disziplinarische Weisungsrecht beim Vertragsarbeitgeber verbleibt. Ferner ist es rechtlich sinnvoll zu vereinbaren, dass lediglich eine gleichwertige Tätigkeit übertragen werden darf.
Vermeidung erweiterter Kündigungsschutz
Bei der Gestaltung und Nutzung einer Matrixklausel müssen Arbeitgeber allerdings darauf achten, nicht in den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zu gelangen, wonach ausnahmsweise konzernweite Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen sind. Dies kann u.a. dadurch gelingen, wenn dem Arbeitgeberunternehmen kein Einfluss auf die Besetzung von Stellen bei anderen Konzerngesellschaften eingeräumt wird.
Mögliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats
Auch sollten Arbeitgeber etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Blick behalten. Relevant kann hier insbesondere das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG werden. Denn werden Mitarbeiter im Rahmen einer Matrixorganisation in den Betrieb einer anderen Konzerngesellschaft eingegliedert, kann eine mitbestimmungspflichtige Einstellung gemäß § 99 BetrVG vorliegen. Hierbei ist auch insbesondere zu beachten, dass Matrixmanager, die Mitarbeiter anderer Konzerngesellschaften führen, allein durch die organisatorische Maßnahme der Bestellung zum Vorgesetzten in den Betrieb eingegliedert sein können, dem die zu führenden Mitarbeiter angehören. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn dem Vorgesetzten im Konzern eine Arbeitsaufgabe zugewiesen ist, die zumindest teilweise dem arbeitstechnischen Zweck, der in diesem Betrieb verfolgt wird, zu dienen bestimmt ist. Eine Anwesenheit vor Ort ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung nicht erforderlich.
Erweiterung der Mitbestimmung auf vermeintliche leitende Angestellte?
Ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG ist auch dann zu prüfen, wenn der Matrixmanager in seiner Anstellungsgesellschaft leitender Angestellter ist. Denn es ist nicht unternehmensbezogen oder konzernübergreifend einheitlich zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer leitender Angestellter ist. Vielmehr ist für jedes Unternehmen getrennt zu prüfen, ob der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Unternehmen Aufgaben eines leitenden Angestellten ausübt oder nicht. Höchtsrichterlich ist dies allerdings noch nicht geklärt und insoweit besteht weiterhin Gestaltungsspielraum.
Fazit
Jedenfalls die widerrufliche Übertragung allein des fachlichen Weisungsrechts ist mit § 613 Satz 2 BGB vereinbar. Solange jedoch diesbezüglich (höchstrichterliche) Rechtsprechung fehlt, verbleibt auch hier eine gewisse Rechtsunsicherheit. Dem kann in der Praxis durch die Vereinbarung von Matrixklauseln im Arbeitsvertrag begegnet werden. Bei der Formulierung sollte darauf geachtet werden, dass den Vorgaben des AGB-Rechts genügt wird. Um auch die bereits vorhandenen Mitarbeiter rechtssicher in unternehmensübergreifenden Arbeitsorganisationen einzusetzen, können entsprechende Zusatzvereinbarungen geschlossen werden. Gleichwohl sollten Unternehmen stets im Einzelfall abwägen, ob eine mögliche Ausweitung des Kündigungsschutzes in Kauf genommen werden soll. Gegen ein solches Risiko können sich faktische und rechtliche Gegenmaßnahmen anbieten.
Mehr zum Kündigungsschutz, insbesondere auch bei internationaler Implementierung der Matrix, und dem Betriebsbegriff in Matrixstrukturen finden Sie im Beitrag von Dr. Barbara Reinhard: „Arbeitsrechtliche Tücken der Matrixstruktur“. Mit den rechtlichen Risiken und Folgeproblemen des Einsatzes von leitenden Angestellten in Matrixstrukturen beschäftigt sich Dr. Markus Janko im Beitrag „Riskantes Leiten in der Matrixorganisation“. Den „Betrieb in der Matrix“ beleuchtet Markus Janko.