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Arbeitnehmerüberlassung Werkvertrag

Schonfrist für die verdeckte Arbeitnehmerüberlassung

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Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung steht im Brennpunkt der arbeitsrechtlichen und rechtspolitischen Diskussion. Gemeint sind Fälle, in denen objektiv Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, die beteiligten Unternehmen ihre Rechtsbeziehung aber als „Werkvertrag“ oder „Dienstvertrag“ bezeichnen. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 12.7.2016 (bisher liegt nur die Pressemitteilung vor) für das (noch) geltende Recht klargestellt: Wenn der Vertragsarbeitgeber eine gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besitzt, führt auch eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung nicht zu einem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Einsatzunternehmen. Ab dem 1.1.2017 wird sich dies jedoch voraussichtlich ändern.

Worum geht es?

Die Einordnung ihrer Vertragsbeziehung als Arbeitnehmerüberlassung ist aus Sicht der beteiligten Unternehmen häufig wenig wünschenswert. So gilt dann insbesondere die Pflicht zur Gleichbehandlung mit den vergleichbaren Stammarbeitnehmern (equal pay, equal treatment), von der nur auf Grundlage eines Tarifvertrags abgewichen werden darf. Auch im Hinblick auf Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (z.B. nach § 99 BetrVG) oder die Berechnung arbeitsrechtlicher Schwellenwerte ist eine Arbeitnehmerüberlassung mit vielfach nicht gewollten Rechtsfolgen verbunden.

Der Einsatz von Fremdfirmenpersonal auf der Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen erscheint daher vielfach als vorzugswürdig. Es gilt aber: Entscheidend ist nicht, wie der Vertrag bezeichnet ist oder welche Regelungen auf dem Papier stehen, sondern wie er tatsächlich gelebt wird. Wird der Arbeitnehmer in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und unterliegt er dessen Weisungsrecht, handelt es sich auch bei abweichender Bezeichnung rechtlich um Arbeitnehmerüberlassung. Hat der Vertragsarbeitgeber (der „Verleiher“) nicht die erforderliche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, ist diese Arbeitnehmerüberlassung illegal. Zwischen Arbeitnehmer und dem Einsatzunternehmen (dem „Entleiher“) gilt dann ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG iVm. § 9 Nr. 1 AÜG).

Was aber gilt, wenn der Verleiher über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt?

Vorübergehende Rechtsunsicherheit und die Entscheidung des BAG

Die 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg meint, auch bei Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis könne es bei einem die Arbeitnehmerüberlassung verdeckenden „Schweinwerkvertrag“ zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kommen. Dies sei dann der Fall, wenn den Unternehmen die für eine Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung führenden Umstände (also Eingliederung in den Betrieb des Entleihers und Weisungsrecht des Entleihers) positiv bekannt seien. Dies gelte jedenfalls dann, wenn zugleich der Charakter der Arbeitnehmerüberlassung gegenüber dem Arbeitnehmer verschleiert werde. Die Berufung auf das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis stelle sich dann als ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten dar (LAG Baden-Württemberg v. 3.12.2014 – 4 Sa 41/14).

Diese Entscheidung ist jedoch vereinzelt geblieben. Unter anderem auch mehrere andere Kammern des LAG-Baden Württemberg sind dieser Rechtsauffassung ausdrücklich entgegengetreten.

(Vorübergehende) Rechtssicherheit bringt jetzt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.7.2016. Nach der gesetzlichen Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG iVm § 9 Nr.1 AÜG  werde ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fingiert. Habe der Vertragsarbeitgeber eine entsprechende Erlaubnis, sei diese Norm, so das BAG, daher nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung auf Fälle verdeckter Arbeitnehmerüberlassung sei mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen.

Zukünftige Rechtslage

Die von der 4. Kammer des LAG Baden-Württemberg bereits zur geltenden Rechtslage angenommene, vom BAG aber abgelehnte Rechtsfolge wird voraussichtlich zukünftig Gesetz:

Die Bekämpfung von Scheinwerkverträgen gehört zu den erklärten Zielen der voraussichtlich zum 1.1.2017 in Kraft tretenden AÜG-Reform.

Die Neuregelungen in § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6  AÜG n.F. sehen daher vor, dass der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher zwingend als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen ist und außerdem vor der Überlassung die Person des Leiharbeitnehmers zu konkretisieren ist. Arbeitnehmerüberlassung, die nicht entsprechend offengelegt wurde, führt künftig nach §§ 9 Nr. 1a iVm 10 Abs. 1 S. 1 AÜG n.F.  zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, auch wenn der Verleiher über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt. Zudem drohen beiden beteiligten Unternehmen Bußgelder. Ergänzt wird die zwingende Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher durch eine Pflicht des Verleihers, den Arbeitnehmer vor einer Überlassung jeweils darüber zu informieren, dass er bei dem Entleiher als Leiharbeitnehmer tätig wird (§ 11 Absatz 2 Satz 4 AÜG n.F.).

Praxishinweise

Bei Dienst- oder Werkverträgen, bei denen das Risiko einer Einordnung als Arbeitnehmerüberlassung nicht offensichtlich ausscheidet, empfiehlt es sich zunächst weiterhin, vorsorglich eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „in der Hinterhand“ zu haben (sog. Vorratserlaubnis). Der Auftraggeber sollte bei der Auswahl seiner Vertragspartner auf das Vorliegen einer entsprechenden Erlaubnis achten.

Insbesondere für die Zeit nach dem 1.1.2017 gilt: Vor der Beauftragung eines externen Partners ist zu klären, welche Vertragsform den unternehmerischen Vorstellungen entspricht. Will der Auftraggeber berechtigt sein, dem externen Personal arbeitgebermäßige Weisungen zu erteilen und es letztlich wie eigene Arbeitnehmer einzusetzen, kann dies rechtssicher nur durch Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags erreicht werden. Umgehungsversuche durch Scheinwerkverträge bergen dann ein hohes Risiko.

Der Abschluss eines „echten“ Werk- oder Dienstvertrags hat gegenüber einer Arbeitnehmerüberlassung rechtliche Vorteile, ist aber zugleich notwendigerweise mit einem gewissen Verlust an unternehmerischer Kontrolle und Gestaltungsmacht verbunden: Die Leistung wird nicht mehr selber mit eigenem oder geliehenem Personal erbracht, sondern eingekauft. Hat man sich nach diesen Vorüberlegungen gegen eine Arbeitnehmerüberlassung und für einen Werk- oder Dienstvertrag entschieden, sollte sorgfältig auf die Vermeidung von Indizien geachtet werden, die auf eine Arbeitnehmerüberlassung hindeuten. Dies fängt bei der entsprechenden Gestaltung der Verträge an, betrifft aber insbesondere auch die tatsächliche Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Hierfür empfiehlt es sich, den Mitarbeitern und vor allem den Führungskräften klare Richtlinien und Vorgaben für den Umgang mit „externem“ Personal an die Hand zu geben.

Dr. Thomas Gerdom

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Thomas Gerdom berät nationale und internationale Unternehmen sowie öffentlich-rechtliche Institutionen umfassend im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Gestaltung und Begleitung von Umstrukturierungen, Transformationsprozessen, Outsourcing-Projekten und M&A-Transaktionen. Zudem hat er umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Anstellungsverhältnisse von Leitungsorganen und deren Organhaftung. Hierzu berät er sowohl Vorstände und Geschäftsführer als auch Aufsichtsräte. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung". 
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