Hat ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Erstattung von Strafverteidigungskosten, insbesondere für die Einschaltung eines Strafverteidigers, die dem Arbeitnehmer entstehen, weil er sich gegen einen durch seine berufliche Tätigkeit veranlassten strafrechtlichen Vorwurf verteidigen muss? Handelt es sich hierbei um eine „Privatangelegenheit“ des Arbeitnehmers oder muss der Arbeitgeber hierfür einstehen? Man denke beispielsweise an einen Berufskraftfahrer, der bei einer Dienstfahrt in einen Verkehrsunfall verwickelt und deshalb strafrechtlich verfolgt wird. Kann der Arbeitnehmer einen solchen „Schaden“ auf den Arbeitgeber abwälzen?
Wann kommt ein Erstattungsanspruch in Betracht?
Wesentliche Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers ist nach der Rechtsprechung, dass die Strafverteidigungskosten dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Dies kommt etwa in dem eingangs genannten Beispielsfall in Betracht, nicht dagegen, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat lediglich „bei Gelegenheit“ seiner betrieblich veranlassten Tätigkeit begeht und daher die Strafverteidigungskosten dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Nutzt z.B. der Berufskraftfahrer sein Dienstfahrzeug zum Abtransport von Diebesgut, scheidet eine Übernahme von Strafverteidigungskosten durch den Arbeitgeber aus. Des Weiteren kommt es auf den Verschuldensgrad an: Hat der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt, entfällt ein Erstattungsanspruch. Schließlich müssen die Strafverteidigungskosten erforderlich sein. Danach sind Anwaltskosten regelmäßig nur auf Basis der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren und nicht auf Basis einer Honorarvereinbarung ersatzfähig.
Im Einzelnen ist noch vieles ungeklärt. Die Rechtsprechung löst die Frage anhand des Aufwendungsersatzrechts: Danach hat der Beauftragte (= Arbeitnehmer) gegen den Auftraggeber (= Arbeitgeber) Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (vgl. BAG v. 16.03.1995 – 8 AZR 260/94).
Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers
Danach scheidet insbesondere ein Erstattungsanspruch hinsichtlich solcher Strafverteidigungskosten aus, die aus Anlass einer zu Lasten des Arbeitgebers begangenen Straftat (z.B. Diebstahl) anfallen. Der Strafvorwurf muss Konsequenz einer betrieblich veranlassten Tätigkeit sein. Allerdings ist ein Erstattungsanspruch nicht schon immer dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer geglaubt hat, im – vermeintlichen oder tatsächlichen – Interesse des Arbeitgebers zu handeln. Hat der Berufskraftfahrer im Ausgangsfall den Verkehrsunfall deshalb verursacht, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, um die Lieferfristen des Arbeitgebers einzuhalten, wird regelmäßig der Anspruchsausschluss bei Vorsatzstraftaten eingreifen. Auch Geldbußen oder Geldstrafen muss der Arbeitgeber nicht übernehmen (vgl. BAG v. 25.01.2001 – 8 AZR 465/00).
Höhe des Erstattungsanspruchs
Die Kosten für die Mandatierung eines Strafverteidigers sind grundsätzlich nur in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren erstattungsfähig. Eine Übernahme der Kosten auf Basis einer Honorarvereinbarung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Strafverteidigung auf gesetzlicher Gebührenbasis – etwa wegen der Komplexität des Falles z.B. bei Wirtschaftsstraftaten – nicht zu erlangen war (vgl. BAG v. 16.03.1995 – 8 AZR 260/94). Allein eine hohe Vergütung des Arbeitnehmers führt weder dem Grunde noch der Höhe nach zu einem Anspruchsausschluss. Das Gleiche gilt für den Nichtabschluss einer Rechtsschutzversicherung, da es grundsätzlich nicht Sache des Arbeitnehmers ist, sich gegen mögliche Folgen einer „strafvorwurfsgeneigten“ Tätigkeit abzusichern.
Vorschussgewährung
In der Praxis problematisch ist, dass sich nicht immer sogleich rechtssicher beurteilen lässt, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erstattung seiner Strafverteidigungskosten hat. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber unter Fürsorgegesichtspunkten gehalten sein, die Strafverteidigungskosten zumindest vorläufig durch Gewährung eines Vergütungsvorschusses oder eines zinslosen Darlehens zu übernehmen, um eine effektive Strafverteidigung wegen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit zu gewährleisten. Dagegen ist es unzulässig, dem Arbeitnehmer bereits im Vorhinein zuzusagen, für etwaige Strafverteidigungskosten einzustehen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer hierdurch zu einem strafrechtsrelevanten ermuntert werden soll (vgl. BAG v. 25.01.2001 – 8 AZR 465/00).
Im Bereich des öffentlichen Dienstes wird die Rechtsschutzgewährung durch Erlasse der Länder geregelt.
Mehr zum Thema finden Sie in dem Beitrag von Bergwitz, NZA 2016, 203 ff.
Nach einer Entscheidung des ArbG Köln, 06.11.2014 – 11 Ca 3817/14, 227, CCZ 03/2015, S. 143 – 145, gilt:
1. Ein Arbeitgeber, der Strafanzeige gegen seinen Arbeitnehmer erstattet hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet sein, die Kosten für dessen anwaltliche Vertretung zu übernehmen (hier: kein vorheriger Versuch einer innerbetrieblichen Klärung einer vermeintlichen Unterschlagung).
2. Diese Pflicht ist nicht auf die Fälle vorsätzlich falscher Verdächtigungen und leichtfertiger Anzeigen entsprechend § 469 StPO beschränkt.