Der Fokus von Startups in der Gründungsphase liegt darauf, das Produkt weiterzuentwickeln, bekannter zu machen und VC-Geber für die nächste Finanzierungsrunde zu finden. Gleichzeitig wachsen Startups in dieser Phase aber auch häufig personell sehr schnell, ohne dass dieses Wachstum vertraglich sauber abgebildet wird. Fehler können schnell enormen wirtschaftlichen Impact haben, wenn z.B. der Know-How-Schutz nicht ausreichend gesichert ist. Eine sorgfältige Aufstellung am Anfang lohnt sich daher (auch) wirtschaftlich. Wir führen Sie durch die häufigsten Problemfelder.
Welche Punkte sind zu beachten?
Als „Faustformel“ kann der Merksatz gelten: Dem Arbeitsrecht sollte eine ähnliche Sorgfalt zuteilwerden wie der Entwicklung des Produkts.
Besondere Beachtung sollten erstens die Vertragsverhältnisse der Gründer selbst finden. Die sozialversicherungsrechtliche Stellung z.B. von Gründer-Gesellschafter-Geschäftsführern ist rechtlich komplex; Fehler in diesem Bereich können zu erheblichen Steuer- und Sozialversicherungsnachzahlungen führen, welche aufgrund ihrer Höhe sogar zur Existenzgefährdung führen können.
Zweiter Baustein eines erfolgreichen Personalkonzepts ist die sorgfältige vertragliche Gestaltung verschiedener Arbeitsformen: Seien Sie sich im Klaren darüber, wer Freelancer, wer aber tatsächlich Arbeitnehmer ist. Das gilt insbesondere, wenn Sie auch Praktikanten und/oder Minijobber einsetzen.
Drittens: Achten Sie darauf, dass in ihren Verträgen ausreichende Geheimnisschutz –und Wettbewerbsregelungen enthalten sind. Gerade zu Anfang gibt es häufig nichts Wichtigeres für Startups als ihr Know-How.
Viertens: Ab einer gewissen kritischen Größe sehen sich Startups häufig mit dem Wunsch der Belegschaft nach mehr Mitbestimmung im Betrieb konfrontiert. Um Klarheit darüber zu haben, wie dieser Wunsch aufgefangen werden kann, ist es zwingend erforderlich, betriebsverfassungsrechtlich Klarheit darüber zu haben, wo im Rechtssinne überhaupt Betriebe existieren – wo also tatsächlich Gremien gebildet werden könnten und welche Arten einer Betriebsratswahl fehlerhaft wären. Da in solchen Situationen regelmäßig nur ein kurzes Zeitfenster zum Unterbinden rechtswidriger Betriebsratswahlen zur Verfügung steht (etwa: die Wahl eines Einheitsbetriebsrates für mehrere selbständig bestehende Betriebe), lohnt sich auch insoweit eine saubere Aufstellung von Beginn an.
Gründer als Gesellschafter-Geschäftsführer
Wichtig ist zunächst eine gesellschaftsrechtlich zweckmäßige Ausgestaltung der Geschäftsführerverhältnisse. Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung, werden sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte und somit sozialversicherungspflichtig eingeordnet. Startup-typisch sind jedoch Gründungsgesellschafter, die gleichzeitig als Geschäftsführer fungieren. Bei ihnen kommt es sozialversicherungsrechtlich darauf an, ob sie maßgeblich rechtlichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft aufgrund ihrer Gesellschafterstellung nehmen können und auf diese Weise verhindern können, Anweisungen der Gesellschafterversammlung folgen zu müssen, mithin: eine unternehmerähnliche Stellung innehaben.
Ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung kann insoweit Klarheit für den Istzustand bringen. Zu beachten ist stets, dass die Hinzunahme weiterer Gesellschafter im Zuge des Wachstums den sozialversicherungsrechtlichen Status der Gründungsgesellschafter-Geschäftsführer beeinflussen kann.
Arbeitnehmer vs. Freelancer
Klarheit benötigen Sie auch bei der Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen (die unter unzähligen Begriffen auftauchen können: Freelancer, Subunternehmer, Consultants, Self-Employed, Crowdworkers, etc.). Wichtig ist: Nicht die Vertragsbezeichnung entscheidet, sondern die tatsächliche betriebliche Realität.
Ist ein Freelancer z.B. weisungsabhängig in Ihre Arbeitsorganisation eingegliedert, weil er Anweisungen nicht „über Eck“ von der Geschäftsführung empfängt, sondern direkt mit Arbeitsaufträgen Ihrer fest angestellten Arbeitnehmer konfrontiert wird, drohen hohe sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Nachzahlungen, ggf. sogar eine persönliche (finanzielle oder strafrechtliche) Haftung der Geschäftsführer.
Häufig unbegründet ist schließlich eine gewisse Zurückhaltung bei der Einstellung von Arbeitnehmern – gerade in kleinen Startups ist das Thema Kündigungsschutz noch nicht virulent und die Vertragsgestaltungsfreiheit (z.B. Neugründungsprivileg für Befristungen, § 14 Abs. 2a TzBfG) weitgehend gewährleistet. Je nach Art des Vertragsverhältnisses können auch unterschiedliche Formen der Mitarbeiterbeteiligung umgesetzt werden.
Geheimnisschutz und Wettbewerb
Häufig greifen Gründer in der durch Zeitknappheit und Knappheit finanzieller Mittel geprägten Anfangsphase zu vielerorts verfügbaren Vertragsmustern aus dem Internet, ohne zu überdenken, ob die dort enthaltenen Regelungen rechtssicher sind und/oder überhaupt für ihr Unternehmen und ihre Bedürfnisse passen. Es gibt aber gute Gründe dafür, hier keine unnötigen Risiken in Kauf zu nehmen:
Dies ist besonders wichtig bei der Gestaltung von Geheimnisschutz- und Wettbewerbsregelungen. Insbesondere die in Mustern häufig verwendeten „Catch all“-Klauseln sind schon jetzt nicht belastbar, werden in Zukunft – mit Geltung der in Kürze anstehenden EU-Know-How-Schutz-Richtlinie – aber endgültig keine Rechtssicherheit mehr bieten. Vielmehr bedarf es konkreter vertraglicher Regelungen, um „zukunftsfest“ den Schutz Ihrer Expertise und Ihres Produktes sicherzustellen. Für deren Ausgestaltung kann es schlicht kein Patentrezept geben. Gleiches gilt für Rechteübertragungsklauseln.
Nicht anders liegt es hinsichtlich der Frage, ob – und wenn ja, für welche Beschäftigtengruppen und wie weitreichend – nachvertragliche Wettbewerbsverbote, Kundenschutzklauseln und Ähnliches vereinbart werden können. Unwirksame Regelungen sind im Regelfall unverbindlich (d.h., der Arbeitnehmer kann entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält und die Karenzentschädigung vereinnahmt oder nicht), im worst case aber sogar nichtig.
Welche Konsequenzen das Ausscheiden eines Schlüsselbeschäftigten zu einem frühen Zeitpunkt hat, der sein Wissen ohne Sorge bei der Konkurrenz verwerten kann, muss nicht weiter ausgeführt werden.
Betriebsbegriff und Betriebsratsinitiativen
Sollte schließlich – in Startups nicht untypisch, entweder aufgrund als zu fordernd empfundener Arbeitsbedingungen oder von außen hereingetragener gewerkschaftlicher Initiativen – die Belegschaft den Wunsch nach einer Mitarbeitervertretung äußern, sind zwei Punkte relevant.
Zum einen sollten Sie betriebsverfassungsrechtliche Klarheit darüber haben, wo sich Ihre Betriebe im Rechtssinne befinden. Dieser Ansatz ist gerade für Startups häufig nicht einfach, begreifen sie sich doch als wenig starr, geprägt durch flache Hierarchien und einfache Ansprechbarkeit, weshalb häufig keine klare Trennung betrieblicher Strukturen existiert.
Dies ist jedoch der entscheidende Punkt für die Frage, ob mehrere Einheiten vorhanden sind (in denen ggf. auch nur teilweise eine Wahl eingeleitet werden würde), oder nur ein großer Einheitsbetrieb, der im Zuge einer Wahl komplett mitbestimmt sein könnte. Fehler in diesem Bereich geschehen häufig, führen zu potentiell rechtswidrig gebildeten Gremien und können nur innerhalb eines kurzen Zeitraums unterbunden werden. Eine sorgfältige Gestaltung im Vorfeld kann daher für Rechtssicherheit sorgen.
Zum anderen äußern Startups häufig die Beschwerde, die betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen seien nicht zeitgemäß und für ihre besondere Unternehmensform nicht geeignet. Der Gesetzgeber sieht eine solche „Ausnahme von der Mitbestimmung“ nicht. Das BetrVG lässt jedoch innerhalb bestimmter Parameter alternative Mitbestimmungsformen, die den Besonderheiten eines Startups ggf. besser gerecht werden können, zu.
Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann-Remy,
ich habe zu Ihrem Artikel eine Frage: Wenn ich als abhängig-beschäftigter Geschäftsführer (ohne direkte Beteiligung als Gesellschafter; es handelt sich um eine 100%ige Auslandstochter einer Österreichsichen GmbH in Deutschland) mit Gehaltsverzichtsvereinbarung angestellt bin, fallen dann (Mindest-)Beiträge bei der Sozialversicherung an?
Vielen Dank vorab und viele Grüße
Sehr geehrter Herr Loew,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Blog und Ihre Frage. Abstrakt gesprochen sind Fremdgeschäftsführer in der Regel als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einzustufen. Zur sicheren Feststellung der Sozialversicherungspflicht müsste zum Einen im Einzelfall die genaue Stellung im Hinblick auf Weisungsabhängigkeit genauer untersucht werden. Zum Anderen käme es in der von Ihnen geschilderten Konstellation einer Gehaltsverzichtsvereinbarung auf eine weitere Fragestellung an: Gemäß § 2 II Nr. 1 SGB IV bezieht sich der versicherte Personenkreis nur auf Personen, die „gegen Entgelt“ beschäftigt sind. Darunter versteht man alle Einnahmen – laufende wie einmalige -, die dem Beschäftigten als Gegenwert für geleistete Arbeit zufließen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Anspruch auf die Einnahmen besteht, unter welchen Bezeichnungen sie geleistet werden und ob sie unmittelbar oder im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielt werden. Daher müsste in einer solchen Konstellation sowohl geprüft werden, ob die Gehaltsverzichtsvereinbarung überhaupt wirksam ist, als auch, wie weit sie reicht. Auch Einnahmen, die ohne das konkrete Beschäftigungsverhältnis nicht denkbar gewesen wären, wie etwa Gratifikationen, Beihilfen, Entgeltfortzahlungen, Urlaubsgeld oder Jahresabschlussprämien, können für eine Beschäftigung gegen Entgelt genügen. Je nach Höhe der Einnahmen könnte ggf. bei Gehaltsverzicht im Übrigen und nur „vereinzelter“ Prämiengewährung auch eine Versicherungsfreiheit in Betracht kommen.
Gerne können wir uns diese Frage auch einzelfallbezogen bezogen auf Ihren konkreten Fall näher ansehen – melden Sie sich bei Bedarf einfach telefonisch oder per e-Mail.
Mit freundlichen Grüßen
Till Hoffmann-Remy für das Arbeitsrecht. Weltweit-Team