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AGB Management/Organe

Unnötiger Schutz für Geschäftsführer durch Verbraucherrecht

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Geschäftsführer

Die Anwendbarkeit der strengen AGB-Kontrolle hängt für den Geschäftsführeranstellungsvertrag beinahe ausschließlich davon ab, ob der Geschäftsführer bei Abschluss seines Anstellungsvertrages Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Da hiervon maßgeblich die Wirksamkeit einzelner Vertragsbedingungen und die Gestaltungsfreiheit für Dienstverträge eingeschränkt werden, ist die Frage nach der Verbrauchereigenschaft immer wieder von höchster Relevanz für Geschäftsführer einer Gesellschaft.

Die Verbrauchereigenschaft des Geschäftsführers

Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahre 2010 (BAG vom 19.5.2010 – 5 AZR 253/09) steht fest, dass ein Fremdgeschäftsführer, wenn er Anstellungsverträge abschließt, Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist. Die Entscheidung geht womöglich nur auf eine Zufälligkeit zurück (Vereinbarte Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit), hat aber das System der Behandlung von Geschäftsführeranstellungsverträgen erheblich beeinflusst. Das BAG hebt in seiner Entscheidung im Wesentlichen darauf ab, dass ein (Fremd-)Geschäftsführer keine selbstständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit ausübe. Zumindest gelte dies für Fremdgeschäftsführer und solche Geschäftsführer, die über keine Sperrminorität als Gesellschafter verfügen. Ebenso qualifiziert auch der BGH den Fremdgeschäftsführer als Verbraucher nach den gleichen Kriterien (BGH vom 8. 11. 2005 – XI ZR 34/05). Dort allerdings im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen und der Frage der Anwendbarkeit der seinerzeitigen spezifischen verbraucherdarlehensrechtlichen Schutznormen.

Äußerst fraglich erscheint diese Einordnung jedoch nicht nur im Hinblick auf ihre rechtliche und dogmatische Begründung, sondern auch hinsichtlich der praktischen Sachdienlichkeit. Das BAG beurteilt die Verbrauchereigenschaft in seiner Entscheidung von 2010 nach folgenden Grundsätzen: Ein Verbraucher sei eine Person, die nicht zu ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit ein Rechtsgeschäft abschließe. Eine unselbstständige Tätigkeit zeichne sich dadurch aus, dass der Mitarbeiter in die Produktion eingebunden sei und dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliege. So läge es nach dem BAG beim Geschäftsführer. Der Geschäftsführer einer GmbH, mag er auch nicht Gesellschafter derselben sein, ist grundsätzlich jedoch nicht in die Produktion eingebunden, er steht vielmehr an deren Spitze. Er unterliegt auch nicht dem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht. Weisungen erhält er von der Gesellschafterversammlung. Dies ist jedoch keine Frage des Anstellungsvertrages, sondern eine Frage der organschaftlichen Zuständigkeit. Schon nach den angewandten Kriterien mag der Geschäftsführer nicht recht unter den Verbraucherbegriff passen.


Unterschiedliche Schutzzwecke von Verbraucher- und Dienstvertrags- sowie Arbeitsrecht

Bereits für Verträge mit Arbeitnehmern, begegnet die Anwendbarkeit des AGB-Rechts durchgreifenden Bedenken. Denn zwischen Verbraucherschutz und Arbeitnehmerschutz bestehen erhebliche dogmatische und systematische Unterschiede. Der Annahme der Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern liegen völlig andere Wertungen zu Grunde, als im Arbeitsrecht bzw. Dienstvertragsrecht. Der Verbraucherschutz soll ein vermeintliches Kompetenz- und Wissensgefälle zwischen den Vertragsparteien bei Vertragsschluss ausgleichen. Informationspflichten des Unternehmers, die für Verbraucherverträge Einschränkungen der Vertragsfreiheit zum Schutz des Verbrauchers rechtfertigen, knüpfen an den Willensbildungsprozess bei Vertragsschluss an. Daher sind dort die Beschränkungen durch u.a. das AGB-Recht sinnvoll, um die unterschiedlich starken Wissenspositionen auszugleichen. Im Arbeitsrecht und allgemeinen Dienstvertragsrecht bestehen solche Informationspflichten zwar auch, jedoch zumeist zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Sie setzen ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis oder Dienstverhältnis voraus. Die Rechtsprechung geht selbst davon aus, dass die Motivation des Arbeitnehmerschutz kein Kompetenz- bzw. Wissensgefälle zwischen den Vertragsparteien sei (Der Arbeitnehmer muss sich die erforderlichen Kenntnisse verschaffen BAG vom 06.07.1972 – 5 AZR 100/72). Die AGB-Kontrolle stellt folglich eine Beschränkung der Vertragsfreiheit durch einen Mechanismus dar, der auf ganz anderen Wertungen basiert, als den im Arbeitsrecht Relevanten. Das AGB-Recht passt schlicht nicht auf das Arbeitsrecht und schon gar nicht auf das Dienstvertragsrecht.

Muss der unternehmerisch agierende Geschäftsführer vor sich selbst geschützt werden?

Denn der Geschäftsführer ist aufgrund seines Kompetenz- und Wissensvorsprungs (er wird zur Vertretung des Unternehmens angestellt (!)) regelmäßig in einer besseren Verhandlungsposition als ein „einfacher“ Arbeitnehmer. Eines durch das AGB-Recht vermittelten situativen Schutzes bedarf der Geschäftsführer daher in der Regel nicht. Zudem können tatsächliche und rechtliche Besonderheiten von Geschäftsführerdienstverträgen unter dem AGB-Recht keine angemessene Berücksichtigung finden. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts werden über die – viel zu selten angewendete – Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 BGB berücksichtigt. Für Geschäftsführer existiert eine solche Bereichsausnahme nicht. Auch rein faktische Besonderheiten, beispielsweise regelmäßig hohe Vertragssummen, die Inhalt der Anstellungsverträge sind und ausreichende Sicherungsmöglichkeiten auf Seiten der GmbH erfordern oder auch die typischerweise von einem Geschäftsführer mitgebrachte Erfahrung und Kompetenz für die Vertragsverhandlungen, werden im Rahmen der standardisierten AGB-Kontrolle weitgehend außer Acht gelassen. Die grundsätzliche Annahme, der Geschäftsführer sei in der schwächeren Position – wie vom Verbraucherbegriff und der AGB-Kontrolle vermittelt – trifft in der Praxis regelmäßig nicht zu. Träfe sie zu, müssten sich die Gesellschafter tatsächlich überlegen, ob sie den richtigen Vertragspartner für die Position des die Gesellschaft vertretenden Geschäftsführers ausgesucht haben.

Wann greifen die AGB Regelungen trotz Verbrauchereigenschaft nicht?

Daneben sollten Unternehmen und Geschäftsführer im Auge behalten, wann eine Anwendbarkeit unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Fremdgeschäftsführers ausscheidet. Dies ist der Fall soweit die Vertragsabreden „ausgehandelt“ wurden. Was darunter zu verstehen ist, hat das BAG ebenfalls konkretisiert und recht strenge Anforderungen aufgestellt (BAG vom 19.5.2010 – 5 AZR 253/09): Die Bedingungen selbst könnten vorformuliert sein. Jedoch muss der Geschäftsführer in der Weise auf deren Inhalt Einfluss nehmen können, dass der Kerngehalt der Klausel ernsthaft diskutiert worden ist und zur Abänderung bereit stand. Zudem fallen nach dem Urteil von 2010 nur Fremd- und Minderheitsgeschäftsführer unter den Begriff des Verbrauchers. Sollte der Geschäftsführer als Gesellschafter insoweit an der Gesellschaft beteiligt sein, dass er auf deren Leitung Einfluss nehmen kann, könne auch er kein Verbraucher mehr sein, da er dann unter anderem auch auf eigene Rechnung handelt. In diesen Fällen besteht nach der Rechtsprechung der erhöhte Schutz durch das Verbraucherrecht nicht.

Paradoxe Auswirkungen für Vertragsgestaltung- und Verhandlung des Geschäftsführers

Trotz der der Anwendung des AGB-Rechts entgegenstehenden Bedenken, ist für die Praxis von der Verbraucherstellung und der zwingenden Geltung der AGB-Regelungen für den Geschäftsführerdienstvertrag vorerst auszugehen. Das bedeutet ein erhöhtes Schutzniveau und eine gestärkte Verhandlungsposition für den Geschäftsführer, aber auch eine weitgehende Einschränkung der flexiblen und freien Vertragsgestaltung. Insbesondere zu beachten ist, dass eine Unvereinbarkeit mit den Grenzen der AGB-Kontrolle zur vollständigen Unwirksamkeit der gesamten Klausel führt. Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet nach dem AGB-Recht regelmäßig aus.

Vor diesem Hintergrund kann es für eine dem Geschäftsführer günstigen Vertragsgestaltung ausreichend sein, nur die Hauptregelungen im Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft, wie beispielsweise Gehalt oder Kündigungsfristen, auszuhandeln. Alle anderen Klauseln müsste ein in seinem Sinne unternehmerisch agierender Geschäftsführer unangetastet lassen. Denn solche nicht verhandelten Regelungen richten sich nach den strengen Anforderungen der AGB-Kontrolle und sind nicht wirksam, sobald sie den Geschäftsführer unangemessen benachteiligen. Das Aushandeln eines Geschäftsführeranstellungsvertrages ist damit aus Sicht des Geschäftsführers schädlich.

Fazit

Eine AGB-Kontrolle von Geschäftsführeranstellungsverträgen ist nicht sachgerecht. Für Geschäftsführer führt sie zum paradoxen Ergebnis, dass ein freies Verhandeln eines Vertrages insbesondere zu Nebenbedingungen ungünstiger sein kann, als schlicht die Vorschläge der Gesellschafter zu akzeptieren. Denn in diesem Fall hat der Geschäftsführer bei nahezu allen Nebenbedingungen (Koppelungsklauseln, Kürzungsklauseln zur Vergütung etc.) bei späteren gerichtlichen Auseinandersetzungen bessere Karten.

Mehr zum Thema lesen Sie im Beitrag von Janko/Herkenberg im E-Book von EUROFORUM: GmbH-Geschäftsführer 2016.

Zur Frage des Arbeitnehmerstatus von Geschäftsführern finden Sie weiterführende Hinweise im Blogbeitrag von Zaumseil, Sind Geschäftsführer Arbeitnehmer?, ebenfalls hier auf Arbeitsrecht.Weltweit.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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