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Betriebsrat

Die Betriebsratswahl: Ein Drahtseilakt für Arbeitgeber

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Alle vier Jahre zwischen März und Mai finden in Betrieben in Deutschland regelmäßige Betriebsratswahlen statt. Gelegentlich müssen sich Arbeitgeber auch außerhalb dieses Turnus den mit einer Betriebsratswahl einhergehenden Herausforderungen stellen. Dies etwa wenn erstmals ein Betriebsrat gewählt werden soll oder eine Reduzierung der regelmäßigen Mitarbeiterzahl eine Neuwahl erfordert. Nicht selten müssen Betriebsratswahlen wiederholt werden, weil die ursprüngliche Wahl erfolgreich angefochten wurde.

Wie ist mit Wahlwerbung umzugehen?

Wann und aus welchen Gründen auch immer es zu Betriebsratswahlen kommt: Für Arbeitgeber ist es ein Drahtseilakt, sämtlichen Pflichten gerecht zu werden, die Gesetz und Rechtsprechung vorgeben. Fehlentscheidungen können verhängnisvoll sein. Schließlich schwebt über dem Arbeitgeber das Damoklesschwert der strafbaren Behinderung oder Beeinflussung einer Betriebsratswahl. Zwar wird die Schwelle zur Strafbarkeit nur in Ausnahmefällen überschritten. Häufig liefert das Verhalten des Arbeitgebers aber mindestens Grund für eine erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl.


Dies zeigt sich auch in einem aktuellen Beschlussverfahren über die Anfechtung einer regelmäßigen Betriebsratswahl aus April 2014. Im Vorfeld dieser Betriebsratswahl hatte eine (von mehreren) Vorschlagslisten den Arbeitgeber darum gebeten, einen 32 Zoll großen Monitor für Wahlwerbung nutzen zu dürfen. Auf diesem Monitor, der in einem Büro für ca. 50 Mitarbeiter angebracht ist und auf dem arbeitsrelevante Kennziffern angezeigt werden, sollte an einem Tag während der Arbeitszeit – in Abwechslung mit den Kennziffern – gelegentlich ein Standbild mit Fotografien der Bewerber der Vorschlagsliste nebst Wahlaufruf angezeigt werden. Der Arbeitgeber stand nun vor der Wahl, die gewünschte Wahlwerbung abzulehnen (mit dem Risiko, dadurch die Betriebsratswahl zu behindern) oder zu gestatten (mit dem Risiko, dadurch die Betriebsratswahl unzulässig zu beeinflussen).

Der Arbeitgeber entschied sich dafür, die gewünschte Wahlwerbung zu gestatten. Diese wurde dann auch entsprechend durchgeführt. Bewerber anderer Vorschlaglisten hatten den Arbeitgeber nicht nach dieser Werbemöglichkeit gefragt und andere Formen der Wahlwerbung genutzt. Nach der Betriebsratswahl zogen mit dem Wahlergebnis unzufriedene Wahlbewerber vor das Arbeitsgericht, um die Wahl anzufechten.

Entweder alle oder keiner: Das Ende der Kreativität?

In I. Instanz bekamen die Antragsteller recht und die Betriebsratswahl wurde für unwirksam erklärt (ArbG Gelsenkirchen v. 27.1.2015 – 1 BV 16/14). Denn durch die Gestattung von Wahlwerbung auf einem Monitor habe der Arbeitgeber ausschließlich einer Vorschlagsliste ein sehr effektives Werbemittel zur Verfügung gestellt. Auch durch diesen kleinen Beitrag habe der Arbeitgeber die Betriebsratswahl unzulässig nach § 20 Abs. 2 BetrVG beeinflusst. Der Arbeitgeber könne sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die Monitornutzung auf entsprechende Nachfrage (die nicht erfolgt sei) auch anderen Vorschlagslisten gewährt worden wäre.

Unterstützt in dieser Ansicht sah sich das Arbeitsgericht durch eine ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, in der eine Betriebsratswahl für unwirksam erklärt wurde (BAG v. 4.12.1986 – 6 ABR 48/84). Dort hatte der Arbeitgeber einige Wahlbewerber auf deren Bitte bei deren Wahlkampf aktiv unterstützt, indem er umfangreiche technische Unterstützung bei der Herstellung einer besonderen Wahlzeitung leistete (Anfertigung von Fotos über PR-Abteilung der Unternehmenszentrale und Organisation des Drucks) und die Herstellungskosten übernahm. Die Gewährung des Vorteils an bestimmte Wahlbewerber – so seinerzeit das Bundesarbeitsgericht – sei nicht dadurch zu rechtfertigen, „daß er nicht von selbst angeboten worden ist und angeblich anderen auch gewährt worden wäre“. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen kommt schließlich zu folgender Erkenntnis: Der Arbeitgeber hätte die Anfrage der Vorschlagsliste zur Bereitstellung der Monitornutzung für Wahlwerbung entweder ablehnen oder aber proaktiv sämtlichen weiteren Vorschlagslisten eine identische Möglichkeit zur Wahlwerbung anbieten müssen.

Der Arbeitgeber hielt sein Vorgehen für rechtmäßig und ging in die II. Instanz. Seine Beschwerde hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Anträge der Antragsteller zurück (LAG Hamm v. 27.10.2015 – 7 TaBV 19/15). Der Arbeitgeber habe die Betriebsratswahl durch Bereitstellung der Monitornutzung für Wahlwerbung einer Vorschlagsliste nicht unzulässig beeinflusst. Insbesondere sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet gewesen, proaktiv anderen Vorschlagslisten die Nutzung von Monitoren zu Wahlwerbezwecken anzubieten (in diese Richtung bereits ArbG Essen v. 7.9.2010 – 2 BV 123/09 und OVG Münster v. 10.11.2005 – 1 A 5076/04). Dabei stellt das Landesarbeitsgericht Hamm insbesondere auf den Sinn und Zweck von Wahlwerbung ab: Dieser bestehe darin, sich durch kreative und ansprechende Ideen gegenüber anderen Wahlbewerbern Vorteile zu verschaffen. Zudem macht das Landesarbeitsgericht Hamm die Gegenprobe: Würde nicht ein Arbeitgeber, der jede Wahlwerbeidee, die mit der Nutzung von Betriebsmitteln verbunden ist, entweder untersagt oder vor deren Einräumung anderen Wahlbewerbern mitteilt, einen eventuell durch geschickte und kreative Wahlwerbung zu erzielenden Vorsprung zunichtemachen und dadurch viel eher aktiv in eine Betriebsratswahl eingreifen?

Fazit

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm gibt Arbeitgebern Klarheit: Es besteht keine Verpflichtung, Wahlbewerber im Betriebsratswahlkampf proaktiv über geplante Werbemaßnahmen der Konkurrenz in Kenntnis zu setzen. Dennoch müssen Arbeitgeber auch zukünftig stets sorgfältig prüfen, wie mit Anfragen von Wahlbewerbern zur Nutzung von Betriebsmitteln zu Werbezwecken umzugehen ist. Eine professionelle arbeitsrechtliche Beratung kann bei diesem Drahtseilakt für die nötige Balance sorgen.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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